Der Krumauer Kastellan Slavko sucht nach der Harmonie der Barockzeit

Barocknacht in Český Krumlov (Foto: Martina Schneibergová)

Das Schlosstheater in Český Krumlov / Krumau ist eines der besterhaltenen Barocktheater der Welt. Die historische Bühne inspirierte den Kastellan des Schlosses und seine Mitarbeiter dazu, einmal im Jahr ein authentisches Barockfest zu initiieren. Am Rande des Festes sprach Martina Schneibergová im Krumauer Schloss mit dem Kastellan Pavel Slavko über die Barockzeit.

Ein Barocktheater, ein Garten, eine Orangerie, eine Bibliothek und eine Reitschule: Diese Attribute gehörten im 17. und 18. Jahrhundert zu jedem bedeutenden Adeligensitz. Das Schloss in Krumau war keine Ausnahme, meint der Kastellan Pavel Slavko:

„Diese Attribute zeugten davon, dass der Adelssitz Noblesse hat und dass seine Bewohner Übersicht haben und in die Unterhaltung investieren. Vor etwa zwölf Jahren begann ich mich für die Feste auf den Barockschlössern zu interessieren. Gemeinsam mit Historikern und Archivaren fingen wir an, Informationen darüber zu sammeln, was man sich unter der Unterhaltung in der Barockzeit vorzustellen hatte. Zuerst erfuhren wir anhand der Abbildungen, was für Kostüme bei den festlichen Gelegenheiten getragen wurden, wie sich die Leute unterhielten oder wie die Feste beleuchtet wurden. Anhand der erhalten gebliebenen Graphiken, Ölgemälde und Zeichnungen machten wir uns eine Vorstellung davon, wie sich die aristokratische Gesellschaft vergnügt hatte.“

In den Archiven fand der Kastellan Briefe, in denen die verschiedenen Adelsfamilien ihre Festivitäten ausführlich beschrieben. Aus der Korrespondenz ging Slavko zufolge hervor, wie damals das Fest beleuchtet wurde, wie das Essen serviert wurde, wer welches Kostüm getragen hat. Diese Kenntnisse nutzte er bei den Vorbereitungen der Barocknacht:

„Das Barocktheater war der Höhepunkt eines Barockfestes, aber es war nicht der einzige Bestandteil des Festes. Wir haben bald begriffen, dass wir die Harmonie der Barockzeit wahrnehmen müssen, zu der nicht nur der Gesang, sondern auch das Arrangement, die historische Technik, aber auch beispielsweise die Düfte gehören. Das Resultat kann man bei der Barocknacht erleben. Wir beachten die Regel, dass kein elektrischer Strom genutzt werden darf. Die Choreographie und die Platzierung der einzelnen Lichter entsprechen der Barockzeit genau. Das Leinen, aus dem die Zelte beim Gartenfest hergestellt sind, ist neu, aber der Typ des Zelts nicht. Ein solches großes Zelt, in dem das Essen serviert wird, wurde unter Ludwig XIV. genutzt. Natürlich werden hier nicht die anspruchsvollen kulinarischen Spezialitäten der Barockzeit angeboten, sondern eher Gebäck, Obst und Gemüse. Das Ganze zeugt aber davon, dass die Barockkultur interessant war und dass die Leute wussten, die Zeit zu genießen. Dies ist für die Gegenwart inspirierend.“

Zelt,  in dem das Essen serviert wird  (Foto: Martina Schneibergová)
Es wurden nicht nur Familienfeste und Namenstage gefeiert. In der Barockzeit habe es eine ganze Liste an Feierlichkeiten gegeben, sagt Pavel Slavko:

„Es gab Kirchenfeste sowie profane Feste. Hinzu kamen die Familienfeierlichkeiten - beispielsweise bei der Geburt eines Kindes oder anlässlich eines runden Jubiläums des Adelsgeschlechts. Für diese Gelegenheiten wurden so genannte ´Meister der Unterhaltung´ engagiert. Das waren professionelle Choreografen, Bühnenbildner, Künstler und Techniker in einer Person, die auf Bestellung monumentale Feste schufen.“

Barocknacht in Český Krumlov  (Foto: Martina Schneibergová)
1763 wurden Slavko zufolge im Schlossgarten bei einem dreitägigen Fest rund 25.000 Keramikschüsseln mit Lichtern benutzt. Er habe während der Barocknacht nur 1200 Schüsseln im Schlossgarten platziert. Jedes Jahr installiere er, so der Kastellan, etwa 500 bis 800 Lichter mehr. Slavko hat eine konkrete Vorstellung über die künftigen Barockfeste in Krumau: Bis 2020 wird ein anderthalb Kilometer langer Weg bis zum Schlossteich mit den Lichtern markiert. Auf dem Teich möchte der Kastellan beleuchtete Boote ankern lassen. Auf der Insel würde er einen monumentalen Baldachin aufstellen, unter dem sich die Gäste versammeln könnten.

Während der diesjährigen Barocknacht erklang im Krumauer Schlosstheater die erste Oper von Josef Mysliveček: „Die Verwirrung auf dem Parnass“. Gibt es Informationen darüber, was in dem Barocktheater im Schloss in der Barockzeit aufgeführt wurde? Pavel Slavko:

„Das weiß man ganz genau. Die Wissenschaftler befassen sich damit seit etwa 20 Jahren. Das Repertoire des hiesigen Theaters ist inzwischen bearbeitet worden. Im 17. Jahrhundert herrschte das Drama auf der Bühne vor. Im 18. Jahrhundert beginnt sich die Oper zu etablieren. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde wiederum Commedia de l´arte gespielt. Das Programm entsprach den Modetrends. Im 18. Jahrhundert war das Theater eine Angelegenheit der ganzen Familie. Auf der Bühne spielten mehrere Familienmitglieder, die zwar Amateure waren, aber sehr gute Amateure. Wir wissen beispielsweise, dass sich die hiesigen Herren eine Oper von Domenico Scarlatti komponieren ließen. Diese hat dann die Familie selbst aufgeführt.“

In der Schlossbibliothek wird eine große Sammlung von Theaterliteratur aufbewahrt, darunter sind mehr als 2400 Libretti für Opern und Ballette. Das älteste Libretto stammt aus dem Jahr 1498. Es ist eine deutsche Übersetzung einer antiken Komödie von Terentius. Diese wurde in Krumau gespielt. Damit ist das Schloss einer der Orte in Tschechien mit der längsten Theatertradition.

Das Schlosstheater in Krumau ist eines der am besterhaltenen Barocktheater auf der Welt überhaupt. Eines der wenigen Theater, die man mit dem in Krumau vergleichen könne, sei beispielsweise das schwedische königliche Theater in Drottningholm bei Stockholm, sagt Pavel Slavko:

Giuseppe Galli-Bibiena
„In Krumau ist die gesamte Technik erhalten geblieben. Nicht nur das Gebäude ist original, sondern auch der Zuschauerraum, der Orchesterraum, die Bühne, Kulissen, Libretti sowie die Kostüme. Über 350 Originaldekorationen und über 700 Kostüme lagern im Theater. Zwei Jahrhunderte lang wurde das Theater nicht entscheidend modernisiert oder renoviert. Die Dekorationen in Drottningholm stammen erst aus den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts und weisen schon klassizistische Merkmale auf. Die Dekorationen in Krumau gehen hingegen aus dem Stil des illusorischen europäischen Barock hervor, dessen bedeutendster Vertreter der italienische Bühnenbildner und Wiener Hoftheaterarchitekt Giuseppe Galli-Bibiena war. Die ältesten Dekorationen stammen aus der Zeit der Familie Eggenberg, aus dem 17. Jahrhundert. Die Mehrheit der Kostüme wurde im 18. Jahrhundert genäht.“

Barocktheater im Schloss Český Krumlov  (Foto: www.czechtourism.com)
Die nächste Barocknacht wird im Schloss erst wieder im kommenden Jahr zur Eröffnung des Krumauer Kammermusikfestivals veranstaltet. Pavel Slavko:

„Das Interesse ist sehr groß. Wir wollen aber die Kapazität der historischen Räumlichkeiten nicht überschreiten. Die Kapazität des Barocktheaters betrug schon immer 140 Zuschauer, und dabei soll es auch bleiben. Umso besser kann man die Harmonie aller Elemente des Barockfestes genießen.“

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