Der Nobelpreis für Liu Xiaobo und das Wesen des chinesischen Staates

Liu Xiaobo (Foto: ČTK)

Das große Thema am Wochenende weltweit und auch in Tschechien war die Verleihung des Friedensnobelpreises an den inhaftierten chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo. Die tschechischen Zeitungskommentatoren haben es auch am Montag noch einmal aufgegriffen, da die Verleihung aus zwei Gründen im engen Zusammenhang mit Tschechien steht.

Liu Xiaobo und Václav Havel  (Foto: ČTK)
Ex-Präsident Václav Havel hatte Xiaobo für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Und der chinesische Dissident hat sich für seine Charta 08, mit der er zu einer Demokratisierung Chinas aufruft, von der Charta 77 der tschechoslowakischen Dissidenten um Havel inspirieren lassen. Wegen der Charta 08 ist Xiaobo zu elf Jahren Haft verurteilt worden.

Petr Uhl, einst selbst tschechischer Dissident, macht sich in der Zeitung Právo Gedanken über das Wesen des chinesischen Staates:

Zhang Sizhi und Liu Xiaobo  (Foto: ČTK)
„Der chinesische Staat gründet sich nicht auf stalinistischem Terror. Er bietet aber auch keine soziale Sicherheit, die in unserem Teil der Welt jeder hatte, außer den Klassenfeinden und später den antisozialistischen Kräften. China ist ein kapitalistischer Staat mit einer sich schnell entwickelnden Marktwirtschaft und mit sehr geringer sozialer und anderer Rechtsicherheit des Volkes. Die demokratische Welt muss China helfen, genau diese Rechtssicherheit durchzusetzen.“

Auch Kommentator Zbyněk Petráček macht sich Gedanken zum Wesen des chinesischen Staates und über den Nutzen des Friedensnobelpreises für Liu Xiaobo. In der Lidové noviny schreibt er:

Anhänger von Liu Xiaobo  (Foto: ČTK)
„Die Überlegungen, ob und inwieweit das Regime in Peking kommunistisch ist, haben keinen großen Sinn. Um die Ideologie schert sich das Regime nicht, und wenn es diese verteidigt, dann nur als Erkennungsmerkmal für die Loyalität zum Staat, aber nicht zum Kommunismus. Die Charta 08 hat fast 10.000 Unterzeichner, also eine Stelle vor dem Komma mehr als damals die Charta 77. Warum verhaftet das Regime also nicht zehntausend oder hunderttausend Menschen? Weil das nicht vernünftig wäre. Damit würde es nämlich belegen, dass es eine größere Oppositionsbewegung im Staat gibt. Deswegen wurde nur Liu verhaftet. (…) Erst wenn das Regime in Peking zum Schluss kommt, dass eine Entlassung Lius von Vorteil wäre, wird es diese vornehmen. Scheinbar bremst die Verleihung des Nobelpreises dies, weil sie die chinesischen Kommunisten reizt. Doch das Gegenteil ist wahr. Ohne Nobelpreis würde in Peking gar nicht erwogen, ob eine Entlassung Lius für das Regime vorteilhaft wäre.“