Der tschechische Skiverband feiert seinen 100. Geburtstag

Der tschechische Skiverband feiert seinen 100. Geburtstag

Zum Abschluss unserer Sendung hören Sie nun den Sportreport. Darin stellt Ihnen Lothar Martin heute einen Hundertjährigen vor, sprich: einen nationalen Sportverband, der dieser Tage das einhundertjährige Jubiläum seines Bestehens feiert. Zudem hören Sie Auszüge eines Interviews, das er mit dem ersten Olympiasieger dieses Verbandes führen konnte. Es ist ein europaweit immer noch sehr populärer Skispringer... Also, bleiben Sie dran!

Medaillen von den Olympischen Winterspielen und von Weltmeisterschaften, aber auch alte Gästebücher von den ersten Berghütten oder aber einzigartige Exemplare von Skiern und Skibindungen vom Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts - dies alles und noch viel mehr können Sie auf der Ausstellung "Spuren im Schnee" bewundern, die am vergangenen Donnerstag im Lobkowicz-Palast auf der Prager Burg eröffnet wurde. Es ist die Ausstellung, die anlässlich des 100-jährigen Gründungstages des Verbandes der Skiläufer des Böhmischen Königreiches (Svaz lyzaru Království ceského) installiert wurde und die man hier noch bis zum 28. Februar nächsten Jahres bestaunen kann.

Doch der Reihe nach. Der bereits genannte Verband, der Vorläufer des heutigen Verbandes der Skiläufer der Tschechischen Republik (Svaz lyzaru CR), wurde am 21. November 1903 in Jablonec nad Jizerou gegründet. Der heute über 10.000 Mitglieder zählende tschechische Skiverband ist damit der älteste der Welt unter all den nationalen und internationalen Skiverbänden. Er genießt somit eine herausragende Stellung, ein Fakt, den auch dessen heutiger Präsident Roman Kumpost bei seiner Ansprache zur Ausstellungseröffnung zu würdigen wusste:

"Unsere Garnitur von heute, wir alle erinnern uns an jene, die vor 100 Jahren den Verband der Skiläufer des Böhmischen Königreiches gegründet haben. Es waren drei Vereine: der Skiklub Vysoké nad Jizerou, der Skiklub Prag und der Riesengebirgsskiverein Ski Jilemnice. Dank ihnen ist 1903 jener Verband entstanden, der bis zum heutigen Tag reichhaltig Geschichte geschrieben hat."

Der tschechische Skiverband feiert seinen 100. Geburtstag
In der Tat. Nach der Herstellung der ersten Skier in Böhmen, die Graf Jan Harrach 1892 für seine Waldarbeiter anfertigen ließ, nahm der Skisport hierzulande einen steilen Aufstieg. 1894 fanden die ersten Sonderfahrten der Prager Skiläufer ins Riesengebirge und in den Böhmerwald statt. Ihre magische Anziehungskraft - besonders im Winter - haben sich die böhmischen und mährischen Gebirge bis heute erhalten. Und so brachte der hiesige Skiverband in seiner 100-jährigen Geschichte auch eine ganze Reihe von international renommierten Skisportlern hervor, deren größte Erfolge man ebenfalls in der Ausstellung nachvollziehen kann. Dazu führte die Autorin der Exposition Hana Havránková folgendes aus:

"Dank der Zusammenarbeit mit den Sportlern und dem Skiverband können Sie in der Ausstellung die beiden olympischen Goldmedaillen sehen, die 1968 von Jirí Raska und 2002 von Ales Valenta für den tschechischen Skisport gewonnen wurden. Des Weiteren die olympischen Silbermedaillen von Jirí Raska und Kveta Jeriová-Pecková sowie die Bronzeplaketten von Helena Sikolová, Kveta Jeriová-Pecková, Olga Charvátová-Krízová, Pavel Benc, Jirí Parma und Frantisek Jez."

Neben diesen olympischen Medaillen kann man ebenso WM-Medaillen und viele weitere Urkunden, Gegenstände und Utensilien aus der auf über 100 Jahre belegten Skisportgeschichte Tschechiens bewundern.


J. Raska Denkmal in Frenstat pod Radhostem
Er war ein ganz Großer seiner Zunft und zugleich einer der weltbesten Skispringer der 60er und 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die Rede ist von Jirí Raska, dem heute 62-jährigen Skisprung-Olympiasieger von 1968 auf der Normalschanze, der hierzulande immer noch ein großes Idol und Vorbild für die heutzutage leider schon nicht mehr so erfolgreiche Springergilde ist. Der am 4. Februar 1941 als Sohn eines Schusters geborene Raska ist bis heute ein Muster an Bescheidenheit und Demut geblieben - Eigenschaften, die ihn bereits während seiner aktiven Karriere ausgezeichnet haben. Doch hören Sie ihn nun selbst in den Auszügen des Interviews, das ich mit ihm vergangene Woche in Prag führen konnte.

Zunächst wollte ich wissen, was er dem Sport zu verdanken bzw. was er für ihn bedeutet habe.

Jiri Raska,  2003  (Foto: CTK)
"Auf Grund dessen, dass ich sozusagen ein Kriegskind bin, wurde ich damit konfrontiert, dass nach dem Krieg relativ viel Armut herrschte. Daher haben sich die damaligen Kinder in ihrer freien Zeit vor allem dem Sport zugewandt, denn es gab nichts anderes. Ich kam überdies aus einer sehr ärmlichen Familie, die keine finanziellen Möglichkeiten besaß. Also habe ich mich mit verschiedenen Sportarten befasst, unter denen mir der Skisport am meisten gefiel. Zwar habe ich zunächst mit dem Skilanglauf und dem alpinen Skisport begonnen, doch letztlich hat sich das Skispringen bei mir durchgesetzt, unter anderem auch deshalb, weil dieser Sport in unserer Familie betrieben wurde - ich habe meinem Onkel und meinem Cousin, die älter waren, oft als kleiner Junge bei ihren Wettkämpfen zugeschaut, was mich entsprechend fasziniert hat. Außerdem habe ich das Skispringen immer für einen auf mutige Männer ausgerichteten Sport angesehen, also bin ich dabei geblieben und das war gut so."

Dem kann man nur beipflichten, den außer seinen beiden olympischen Medaillen von 1968 in Grenoble gewann Jirí Raska noch die WM-Silbermedaille 1970 in Strbské Pleso von der Großschanze, wo ihm rund 100.000 Menschen begeistert zujubelten, sowie Bronze bei der Skiflug-WM 1972 in Planica. Hinzu kommen natürlich noch mehrere nationale Titel oder auch der unvergessene Sieg bei der Vierschanzentournee 1970/71. Jirí Raska kann sich noch gut erinnern, wie alles angefangen hat und wo die Grundlagen für all die Erfolge der tschechoslowakischen Skispringer in den 60er und 70er Jahren gelegt wurden:

"Nun, als Zdenek Remsa im Jahr 1960 bei uns Nationaltrainer wurde, kam unter seinen Fittichen eine junge, hoffnungsvolle Mannschaft von lauter 16- bis 20-Jährigen zusammen. Remsa hat uns mit seiner gestrengen Art zu kompromissloser Trainingsarbeit erzogen und uns in der Tat zu einem hervorragenden Team geformt. Dank dieser ´harten Schule´ haben wir uns nach oben gearbeitet und in der Welt des Skisprungs wurden wir seitdem nur die Remsa-Boys genannt. Wenn wir zu einem internationalen Wettkampf anreisten, dann haben unsere Kontrahenten schon gestöhnt, wenn wir zu Acht oder zu Zehnt gekommen waren, weil sie wussten, dass sie dadurch im Tagesklassement weiter nach hinten gereicht wurden..."

An die internationalen Konkurrenten hat Raska bis heute fast ausnahmslos die besten Erinnerungen. Mit Björn Wirkola zum Beispiel pflegt er noch immer Kontakt:

"Nun, auf Grund meiner Teilnahmen an verschiedenen internationalen Wettkämpfen habe ich eine ganze Reihe von Sportkameraden kennen gelernt. Darunter sind auch einige der großen Rivalen von damals, allen voran Björn Wirkola aus Norwegen, den ich anlässlich seines 60. Geburtstags in diesem Sommer besucht habe. Ich habe die Einladung zu dessen Geburtstagsfeier dankend angenommen und auf dieser auch viele Mitstreiter früherer Jahre getroffen, wie zum Beispiel den Finnen Kankkunen, die älteren Skispringer aus der ehemaligen DDR und aus Ex-Jugoslawien sowie natürlich auch aus Norwegen und Finnland."

Beim Blick in die Vergangenheit kommt schon etwas Wehmut auf bei Jirí Raska, insbesondere dann, wenn er auf das eher trostlose Erscheinungsbild der heutigen tschechischen Skispringer schaut. Doch auch dafür hat der in Würde ergraute Rentner Raska eine Erklärung. Vor allem die, dass die Generation der jungen Leute von heute nicht mehr so willig ist wie es bei ihm und seinen Teamgefährten der Fall war, all ihre Aufmerksamkeit in das Training und den Sport als solchen zu stecken, sondern dass sie sich dabei zuviel von anderen Dingen ablenken lasse. "Ohne Fleiß kein Preis" lautet nach wie vor die immer wieder belegte Erfolgsformel, deren Wahrhaftigkeit nicht zuletzt auch Jirí Raska bewiesen hat. Dafür gebührt ihm aufrichtiger Dank - und das nicht nur in diesen Tagen, wo man hier in Tschechien unter anderem den 100. Gründungstag des Verbandes der Skiläufer des Königreiches Böhmen begeht. In diesem Sinne auf ein sportliches Wiederhören heut in 14 Tagen.