Der tschechische Wahlkampf aus der Sicht von Werbefachleuten

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Egal, wie die Wahlen ausgehen, ein erster Gewinner steht jetzt schon fest: Es ist die tschechische Werbebranche. Über den Kampf der Parteien um Wählerstimmen aus der Sicht von Werbefachleuten nun mehr.

Karel Schwarzenberg an der Wahlplakatwand
Tschechiens Straßen werden in diesen Tagen von einem Meer von Großplakaten der Parteien gesäumt. Der Kampf um jede Stimme bei den bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhaus führt dazu, dass selbst kleinste Flächen mit Werbebotschaften zugepflastert zu sein scheinen. Die Werbeetats vor allem der großen Parteien – der Sozialdemokraten und der rechtsliberalen Bürgerdemokraten - werden wohl wieder rekordverdächtige Höhen erreichen.

Legendär ist der Ausspruch des früheren US-Präsidenten Dwight Eisenhower, der sich schon in den fünfziger Jahren bewerben ließ. Er soll den Agenturen damals angeblich die Vorgabe mit auf den Weg gegeben haben, ihn doch wie ein Waschmittel zu verkaufen.

Sind Waschmittel und Politiker ein und dasselbe Produkt? Die Frage, ob es nicht doch bestimmte Unterschiede zwischen einer herkömmlichen Werbekampagne, zum Beispiel für einen Joghurt, und einer Wahlkampagne gibt, beziehungsweise ob diese von den Werbeagenturen berücksichtigt werden müssen, ist daher angebracht. Der tschechische Werbefachmann Jakub Horák spricht von einem Unterschied zwischen der Art und Weise, wie politische Parteien ihre Botschaften unters Volk bringen und wie gewöhnliche Unternehmen:

Bohuslav Sobotka  (Foto: www.bohuslavsobotka.cz)
„Ein gewöhnliches Produkt hat nicht das Glück, dass eine auf es bezogene Information es abseits von gezielten Werbekampagnen auf die Titelseiten der Medien schaffen würde. Die meisten Verbraucherinformationen erfährt der Kunde eben aus Werbekampagnen - zum Beispiel den Zucker- und Fettgehalt bei einem Joghurt. Bei Parteien ist das anders, weil diese schon vorher ein gewisses Image haben. Eine Werbekampagne kann das nur abrunden. Sie kann etwas akzentuieren, kann die Anhänger der Partei motivieren, aber die Werbebotschaften sind nicht die einzigen Informationsquellen. Wie sich zum Beispiel im Fall des zurück getretenen Parlamentspräsidenten Vlček zeigte, wirken ein paar Aufmacher in den Tageszeitungen oder im Fernsehen stärker als 50 Großplakate im Wahlkampf.“

Die Großplakate, in Tschechien „Billboards“ genannt, sind schon angesprochen worden. Wie ist es zu erklären, dass sie in Zeiten des zunehmenden Einsatzes von elektronischer Kommunikation immer noch so wichtig zu sein scheinen?

„Ein Großplakat ist ein Medium, das wirklich alle und in allen Situationen erreichen kann – egal, ob man gerade zu Fuß, oder in einem Verkehrsmittel unterwegs ist. Wenn man spezifische Wählergruppen erreichen will, zum Beispiel Rentner oder Senioren, die gewöhnlich keine Zeitungen lesen, aber eine elektronische Werbebotschaft im Fernsehen zur besten Sendezeit - aus welchen Gründen auch immer - nicht möglich ist, dann ist eine solche Werbung am effizientesten und ideal.“

Wie schon vor vier Jahren, wurden auch diesmal große Mengen Geld in so genannte Negativkampagnen gesteckt. Vor allem die großen Parteien, die rechtsliberalen Bürgerdemokraten und die Sozialdemokraten, versuchen sich auf diese Weise gegenseitig anzuschwärzen. Davon ganz besonders stark betroffen ist heuer Sozialdemokratenchef Jiří Paroubek, dem in einer Plakatserie die absurdesten Aussagen in den Mund gelegt werden – etwa, dass er das Wochenende um fünf Tage verlängern will und so weiter.

Wie verhält es sich mit den Negativkampagnen? Können diese wirklich zusätzliche Stimmen bringen? Jakub Horák ist in seiner Einschätzung eher vorsichtig:

„Die Frage ist, ob eine solche Kampagne nicht schon die Überzeugten überzeugen will. Jemand, der ohnehin für Paroubek nichts übrig hat, kann sich vielleicht amüsieren, für die Anderen muss das auch kein Argument sein, warum sie den kritisierten Politiker nicht wählen würden. Ich habe aber auch schon Meinungen vernommen, wonach die Leute die dort verbreiteten Botschaften nicht begriffen haben.“

Kann aber eine solche Antikampagne letzten Endes nicht dem Kritisierten helfen und zusätzliche Stimmen bringen? Auf diese Frage antwortete ein weiterer Marketingexperte, Bohumír Štědroň von der Wirtschaftsuniversität wie folgt:

„Ja, das ist sehr wahrscheinlich, denn der gewöhnliche Wähler empfindet nicht den Inhalt, sondern die Intensität. Da kann es passieren, dass ein Politiker, der immer wieder negativ dargestellt wird, auf der Beliebtheitsskala nach oben steigt. Schauen wir auf die USA – dort war Präsident Bill Clinton nie beliebter, als auf dem Höhepunkt der so genannten Lewinski-Affäre, weil er immer wieder in den Medien auftauchte.“

Bohumír Štědroň bringt im Gespräch mit dem Tschechische Rundfunk noch einen weiteren interessanten Aspekt ins Spiel, nämlich, wie es in Kampagnen gelingen kann, Parteien als eigenständige Marken zu positionieren und was das gegebenenfalls kostet:

„Im politischen Marketing verfügen wir über eine Reihe von Modellen, die uns sagen können, wie weit entfernt wir von der Etablierung einer politischen Weltmarke sind. In Bezug auf die einzelnen Parteifamilien gehören zum Beispiel die Sozialdemokraten oder die Grünen zu solchen Weltmarken, weil diese Parteien in einer Reihe von Ländern etabliert sind. Je näher man beim Wahlkampf an eine solche Marke herankommen will, um bei den Wählern eine Identifizierung mit der Weltmarke herzustellen, desto größere Mittel müssen für das Erlangen eines Prozentpunktes an Wählerunterstützung aufgebracht werden. Diese Kosten können bis zu drei bis vier Millionen Kronen pro Prozentpunkt betragen. Wenn man aber eine völlig neue Partei gründet, die nichts mit den bestehenden Weltmarken zu tun hat, können die Kosten zehnmal niedriger sein. Das mag zwar paradox klingen, hängt aber mit einem bekannten Marketingprinzip zusammen, wonach man einfach nicht eine zweite Coca-Cola gründen kann – das ist nicht möglich, weil es nur eine gibt.“

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Ein Auslandsbezug lässt sich auch in einem weiteren Punkt herstellen. Schon seit geraumer Zeit arbeiten die großen tschechischen Parteien mit ausländischen Beratern, vornehmlich aus den Vereinigten Staaten, zusammen. Kann allerdings ein solches Engagement einen Mehrwert bringen, wenn diese Berater nicht Vorwissen über die Spezifika in Tschechiens Politik mitbringen? Dazu noch einmal der Marketingexperte Bohumír Štědroň:

„Was die ausländischen, vornehmlich amerikanischen Wahlkampfberater angeht, sind sie eher der Ausdruck eines gewissen erreichten politischen Status der betreffenden Partei und dass sie es mit den Parteien im Ausland aufnehmen kann. Aber etwas wirklich Maßgeschneidertes kann man da nicht erwarten. Ein Beispiel: Vor Jahren haben amerikanische Wahlberater die Erfahrung gemacht, dass die Farbe Orange bei lokalen Wahlbewegungen in den USA sehr gut ankommt. Wenig später gab es die Orangene Revolution in der Ukraine und auch viele andere Parteien haben diese Farbe für sich entdeckt – in Ungarn zum Beispiel der rechtskonservative Fidesz oder in Tschechien die Sozialdemokraten. Die ausländischen Berater versuchen oft die Erfahrungen aus einem Land ins andere zu übernehmen und sie sind eher das Symbol einer gewissen Weltgewandtheit.“