Der „weiche Stil“ – Kunst zu Zeiten Wenzels IV.

Wenzels Reitsattel (Foto: Markéta Kachlíková)

Die Kunst der Gotik erlebte und dem böhmischen und römischen König Wenzel IV. eine Blüte. Dies zeigt eine Ausstellung in der Kaiserlichen Reithalle der Prager Burg. Dort sind Werke der bildenden Kunst, des Buchdrucks und des Kunsthandwerks, aber auch Architektur des 14. und 15. Jahrhunderts zu sehen. Die Prager Burg begeht damit den 600. Todestag von Wenzel von Luxemburg.

Foto: Markéta Kachlíková

Foto: Markéta Kachlíková
Die Prager Burg war einst die Residenz der böhmischen Herrscher. Auch Wenzel der IV. hat den größten Teil seines Lebens eben dort verbracht. Deswegen sei die Burg als Veranstaltungsort gut geeignet, sagt Chefkurator Jaroslav Sojka:

„Im Königlichen Palast befinden sich schöne Wenzel-Säle. Diese herrlich gewölbten Räume wurden im sogenannten weichen Stil gebaut, der ein Teil der internationalen Gotik war. Um das Jahr 1400 kam es zum Wandel von der Hoch- zur Spätgotik. In der Ausstellung haben wir uns vor allem auf das Schöne jener Zeit konzentriert. Die schwierigen Themen wie das Abendländische Schisma und die zwei Inhaftierungen des Herrschers haben wir umgangen. Ohnehin ging es den Künstlern jener Zeit vor allem um ein Schönheitsideal.“

Variante der internationalen Gotik

Manuskripte  (Foto: Markéta Kachlíková)
Die Kunst zur Regierungszeit Wenzels IV. habe auf höchstem europäischem Niveau gelegen, betont der Kunsthistoriker Jan Royt von der Prager Karlsuniversität. Er ist Ko-Kurator der Ausstellung:

„Unter Karl IV. erlebte die gotische Kunst ihren ersten Höhepunkt, unter Wenzel IV. folgte dann der zweite. Davon zeugen Persönlichkeiten europäischen Rangs wie der Meister von Wittingau und der Meister der Krumauer Madonna. Hierzulande entwickelte sich eine böhmische Variante des weichen Stils. Dies gilt auch für die Goldschmiedekunst und die Manuskripte, die hier ausgestellt werden.“

Am Eingang zur Ausstellung stößt der Besucher auf die Kronjuwelen der böhmischen Könige. Nachfolgend werden König Wenzel von Luxemburg und seiner Gattinnen vorgestellt. Es folgen Beispiele für das Kunsthandwerk und die Baukunst in der Zeit um 1400. Diese Themenbereiche wurden vom Kunsthistoriker Jiří Kuthan bearbeitet:

Sammlung von Monstranzen  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Der Bau nicht nur des Prager Veitsdoms, sondern auch der Moldau-Steinbrücke und vieler weiteren Projekte wurde noch unter Karl IV. aufgenommen. Als der Herrscher 1378 starb, waren die Arbeiten aber noch längst nicht beendet. Als Karl IV. im Dom beigesetzt wurde, hatte zum Beispiel der hohe Chorraum noch kein Gewölbe. Die Überwölbung stammt erst aus der Zeit Wenzels IV. Unter seiner Herrschaft entstand auch der große Turm des Veitsdoms. Erst 1419 wurde der Bau durch die hussitische Revolution unterbrochen. Prag war unter Wenzel IV. genauso wie unter Karl IV. eine große Baustelle.“

Baustelle Prag

Die Bautätigkeit wird anhand von Fragmenten aus dem Veitsdom präsentiert. Dazu gehören Kopien der Reliefs aus dem Triforium sowie eine Konsole mit dem Motiv von Adam und Eva aus dem Raum hinter dem Hauptaltar.

Trinkhorn  (Foto: Markéta Kachlíková)
Auf die Architektur folgt das Kunstgewerbe. Eine Vitrine zeigt eine Sammlung von Monstranzen und weiteren kirchlichen Gegenständen. Jiří Kuthan:

„Das vielleicht bedeutendste Werk ist die Monstranz aus dem Zisterzienserkloster in Sedlec. Bei ihrer Gestaltung wurden Formen der Architektur verwendet, die aus Kathedralen bekannt sind. Ich bin davon überzeugt, dass die Entwürfe für Goldschmiedewerke dieser Art aus der Hütte von Peter Parler kamen.“

Aber auch das weltliche Kunsthandwerk wird gezeigt. Dazu wurde zum Beispiel ein Trinkhorn aus dem Grünen Gewölbe in Dresden geliehen sowie Wenzels Reitsattel, der aus dem Metropolitan Museum in New York stammt.

Wenzels Reitsattel  (Foto: Markéta Kachlíková)

Buchsammlung

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
Der Herrscher selbst hatte eine Vorliebe für Bücher. Er legte eine Sammlung von reich illustrierten Folianten an. Jan Royt:

„Heute sind nur noch etwa zwölf Manuskripte erhalten. Unter ihnen ragt die Wenzelsbibel hervor. In der Ausstellung ist ein Faksimile von ihr zu sehen. Sie besteht heute aus 1200 Pergamentblättern. Diese enthalten eine unvollendete Übersetzung des Alten Testaments ins Deutsche. Das ganze Werk sollte 2500 Folien umfassen, sein Wert war vergleichbar mit dem mehrerer Städte. Des Weiteren besaß Wenzel Handschriften zur Astronomie, weil er sich für Astrologie interessierte. Zu seiner Sammlung gehörten auch Romane und Kriegsbücher. Interessant sind zudem die Stadtbücher. Seine Buchsammlung war einzigartig. Sie wurde auf der Wenzelsburg bei Kunratice aufbewahrt. Nach seinem Tod sind fast alle diese Werke leider vernichtet worden.“

Die erhaltenen Handschriften sind meist als Faksimile ausgestellt. Dahingegen ist etwa Wenzels Gebetsbuch ein Original, das aus England ausgeliehen wurde.

Schöne Madonnen

Madonnen  (Foto: Markéta Kachlíková)
Nach den Buchbänden folgen in der Ausstellung einzigartige Werke der bildenden Kunst. Sie sind im „Weichen Stil“ entstanden, einer Stilrichtung der spätgotischen Malerei und Plastik um 1400. Stehende Marienbildnisse, die auch „schöne Madonnen“ genannt werden, sind typische Beispiele für diese Kunstrichtung. Dabei ist die Figur in S-Form gebogen, ihr Gesichtsausdruck ist zart und verträumt, und das Gewand ist faltenreich. Trotz der Verluste durch die Hussitenkriege habe sich ein großer Bestand der weichen Madonnen erhalten, sagt Jan Royt. Gezeigt werden Werke des Meisters von Wittingau, des Meisters der Krumauer Madonna und weiterer Künstler. Hauptkurator Jaroslav Sojka betont aber noch eine Sache:

„Wenn wir Denkmäler besuchen wollen, die mit Wenzel IV. verbunden sind, dürfen wir nicht nur auf der Prager Burg bleiben. Man muss unter anderem auch die Burgen Točník, Žebrák (Bettlern, Anm. d. Red.), Křivoklát (Pürglitz, Anm. d. Red.) und Nový Hrádek (Wenzelsburg, Anm. d. Red.) besuchen.“

Neue Burgen

Die Ausstellung mit dem Titel „Der böhmische und römische König Wenzel IV. Die Kunst des weichen Stils der Gotik um 1400“ ist in der Kaiserlichen Reithalle der Prager Burg zu sehen, und zwar bis 3. November. Geöffnet ist sie täglich von 10 bis 18 Uhr.

Jiří Kuthan hat Wenzels Burgen und weitere Baudenkmäler schwarz-weiß fotografiert. Seine Bilder werden in der Ausstellung gezeigt. Jiří Kuthan:

„Auf einem Foto sieht man vorne den Turm der Burg Žebrák. Wenzel hielt sich dort oft auf und ließ die Burg stark erweitern. Vor allem ließ er aber auf einem Hügel über Žebrák die Burg Točník erbauen, die fast komplett erhalten ist. Sie beherbergt einen faszinierenden Königspalast mit großen Sälen. Einige der Säle sind gewölbt und erinnern eher an Fürstensitze der Neuzeit als an eine mittelalterliche Burg. Wenzel verbrachte viel Zeit auf Burg Točník. Von ihm ist bekannt, dass er sich nur ungern seinen herrschaftlichen Pflichten widmete und in seine Burgen flüchtete. Letztlich ließ er auch einen neuen Sitz erbauen, die Wenzelsburg bei Kunratice. Eben dort starb er am 16. August 1419.“