Der Westen, das Regime in Tunis und: Wer ernennt eigentlich den Polizeipräsidenten?

Blutige Proteste in Tunesien (Foto: ČTK)

In den tschechischen Tageszeitungen schauen die Kommentatoren diesmal über den Tellerrand, Stichwort: Unruhen in Tunesien. Aber auch das Auswahlverfahren für den neuen Polizeipräsidenten wurde aufgegriffen.

Blutige Proteste in Tunesien  (Foto: ČTK)
Ein Vierteljahrhundert lang hatte Präsident Ben Ali in Tunesien mit harter Hand regiert, in der vergangenen Woche ist er indes nach blutigen Protesten junger Menschen in seinem Land nach Saudi-Arabien geflüchtet. Milan Vodička verweist in der Mladá fronta Dnes auf das Dilemma des Westens gegenüber Regimen wie dem von Ben Ali. Die Frage laute: Sollen wir im Interesse der Stabilität auch eine autokratische Staatführung unterstützen? Bisher haben der Westen, und auch die Tschechische Republik zum Beispiel in Form eines Besuchs von Staatspräsident Klaus in Tunis im Jahr 2009, noch immer genau dies gemacht, so Vodička:

Präsident Ben Ali  (Foto: ČTK)
„Der Tunesier Ben Ali war ein gutes Beispiel: Er trug Anzug und Krawatte, aber keinen Turban oder den Bart eines Fundamentalisten. Nur hätten wir nicht so tun sollen, als ob wir ihn gern hätten, weil er etwa das leuchtende Beispiel für einen arabischen Staatsmann gewesen wäre. Wir hatten ihn doch nur gern, weil er keine Probleme bereitet hat. Die Gebetsräume waren ruhig, weil die Radikalen hinter Gittern saßen. Wir konnten also Tunesien von unserer Liste streichen. Da wir die Araber aber mit hochtrabenden Worten von Demokratie versorgt haben, haben wir uns diskreditiert. Und unser heuchlerischer Pragmatismus bereitet uns ein doppeltes Problem: Zum einen machen wir uns am Schluss immer die Hände schmutzig, zum anderen legitimieren wir damit genau das, was uns an der arabischen Welt nicht gefällt. Diese ist gefährlich, weil sie mittelalterlich ist, aber manchmal von modernen Staatsmännern in Krawatten gelenkt wird. Wir helfen dabei, dieses System zu festigen.“


Radek John  (Foto: ČTK)
Wir kommen zur Innenpolitik. Seit Dienstag tagt die parteiübergreifende Kommission zur Auswahl eines neuen Polizeipräsidenten. Besonders die größte Regierungspartei, die demokratische Bürgerpartei (ODS), und die oppositionellen Sozialdemokraten haben die Kommission und das Auswahlverfahren kritisiert. In der vergangenen Woche hatte sogar Premier Nečas bei Innenminister John interveniert. Zuvor war auch schon über den Rücktritt des vorherigen Polizeipräsidenten ein Streit in der Regierungskoalition entbrannt. Petr Uhl weist in der Tageszeitung Právo indes darauf hin, dass dem Gesetz nach eigentlich allein der Innenminister den Polizeipräsidenten ernennt:

„Die Ernennung und die Auswahl des Polizeipräsidenten sollte durch das Gesetz über die tschechische Polizei geregelt sein. Im neuen Gesetz aus dem Jahr 2008 steht aber nicht mehr, dass der Innenminister den Polizeipräsidenten in Abstimmung mit der Regierung ernennt, wie es im alten Polizeigesetz aus dem Jahr 1991 war. Und wenn es keine andere Gesetzesregelung dazu gibt, dann folgt daraus, dass der Polizeipräsident vom Minister ernannt wird, auch ohne Zustimmung der Regierung oder des Regierungschefs. Innenminister John hat aber zugestimmt, wie im Koalitionsvertrag steht, dass der Premier die Auswahl des Ministers zurückweisen kann. Seine Zustimmung zu diesem außergesetzlichen – wenn auch nicht ungesetzlichen – Vorgehen war nicht sehr vorausschauend.“