„Deutsch ist gar nicht so schwer“ – Botschafter Lingemann über die Kampagne Šprechtíme

Detlef Lingemann (Foto: Kristýna Maková)

Noch in den 90er Jahren galt Deutsch hierzulande als Nummer eins unter den Fremdsprachen. Mittlerweile hat das Englische ihm den Rang abgelaufen. Zudem lernen viele tschechische Kinder und Jugendliche nur noch eine Fremdsprache. Deutsche und österreichische Institutionen versuchen seit vergangenem Jahr, gegen den Trend anzuwirken. Dafür wurde die Kampagne Šprechtíme gestartet, treibende Kraft ist dabei auch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland. Im Folgenden ein Interview mit dem deutschen Botschafter in Prag, Detlef Lingemann, zum aktuellen Stand der Kampagne.

Detlef Lingemann  (Foto: Kristýna Maková)
Herr Botschafter, vergangenes Jahr haben die Deutsche und die Österreichische Botschaft zusammen mit den Kulturinstitutionen beider Ländern sowie der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer die Kampagne Šprechtíme ins Leben gerufen. Šprechtíme ist ein Slang-Ausdruck und heißt „Wir lernen Deutsch“. Über die Kampagne haben wir in unseren Sendungen bereits berichtet. Vielleicht könnten Sie aber noch einmal unseren Hörern kurz erläutern, worum es geht…

„Es geht zunächst darum, junge Menschen wieder zu motivieren, verstärkt Deutsch zu lernen. Die Zahl der Deutschlernenden in Tschechien ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Auf der anderen Seite hat gerade die deutsche Wirtschaft einen hohen Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften aus Tschechien, die auch der deutschen Sprache mächtig sind. Deutsche und auch österreichische Unternehmen beschäftigen hier über 120.000 Menschen und brauchen qualifiziertes Personal. Nun ist es heute aber Mode geworden, viel Englisch zu reden. Englisch zu sprechen ist gut, auch Deutsch zu sprechen ist besser.“

Gibt es vergleichbare Kampagnen für Deutsch als erste oder zweite Fremdsprache auch in anderen Teilen der Welt? Gab es also gewisse Vorbilder, die Sie nutzen konnten?

„Die Förderung der deutschen Sprache im Ausland ist ein Anliegen, dass die deutschen Botschaften und auch die Goethe-Institute intensiv verfolgen. Ein solches Projekt wie in Tschechien ist allerdings einmalig: dass wir zusammen mit der österreichischen Botschaft, der deutschen und der österreichischen Wirtschaft und den Kulturinstituten aus Deutschland und Österreich eine gemeinsame Kampagne führen. Diese Kampagne ist auch insofern etwas besonderes, weil sie unter der Schirmherrschaft des tschechischen Außenministers Karel Schwarzenberg steht. Sie wird zudem sehr prominent unterstützt, beispielsweise durch Karel Gott, der mehrere Beiträge für uns geleistet hat und sehr aktiv ist.“

Hauptmann Michal Hašek
Wie schätzen Sie bisher den Erfolg der Kampagne ein?

„Die Kampagne wurde ja erst im September vergangenen Jahres gestartet. Das Lernen einer Sprache kann man nicht in Monaten bemessen. Es geht darum, zunächst einmal die Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken und dafür zu sorgen, dass überhaupt wieder Interesse und nicht ein Automatismus entsteht: ‚Wir lernen Deutsch vielleicht als zweite Fremdsprache, und Englisch reicht aus’ - das ist eben heute in einer Welt, die sehr eng miteinander verknüpft ist, aus unserer Sicht nicht ausreichend. Wir haben ein positives Echo bei den Schulen. Wir haben auch ein positives Echo in den Regionen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass der österreichische Botschafter und ich gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Assoziationsrates der Regionen in der tschechischen Republik, Hauptmann Hašek, in diesem Jahr ein Memorandum zur Mehrsprachigkeit und zur Förderung der deutschen Sprache hier in Tschechien unterzeichnen konnten.“

Wer sind eigentlich die Hauptadressaten der Kampagne. Sind es Lehrer und Schulleiter, damit sie Deutsch als Fach in den Unterricht integrieren, oder die Eltern der Schulkinder?

„Sie haben im Grunde genommen alle angesprochen, die beim Erlernen einer Sprache eine Rolle spielen. Wir wenden uns zunächst an Eltern und Kinder. Das Ziel ist, zu zeigen, dass man mit Deutsch auch in Tschechien seine beruflichen Chancen verbessert. Da gibt es sehr viele praktische Beispiele. Diese tragen wir an die Eltern, an die Schüler und natürlich auch an die Lehrer heran. Wenn ich in Tschechien auf Reisen gehe, treffe ich mich in den Städten regelmäßig mit den Leitern der Schulen und stelle Ihnen unser Programm vor. Wir werden dabei durch das Goethe-Institut und durch Tandem unterstützt, die bei diesen Gelegenheiten dann Sprachanimationen durchführen. Mit den Animationen wollen sie zeigen, was man mit Sprache machen kann und wie sich junge Menschen motivieren lassen, die schwierige deutsche Sprache zu lernen. Wir wenden uns natürlich auch an die staatlichen Institutionen. Das Memorandum, das wir unterzeichnet haben, habe ich bereits erwähnt: Auch in den Kreisen muss natürlich die Bereitschaft bestehen, weiter dafür zu sorgen, dass in angemessener Form Deutschunterricht angeboten wird.“

Illustrationsfoto
Sie haben schon erwähnt, dass Sie sich mit Lehrern und Schulleitern treffen. Sie haben ebenfalls erwähnt, dass Kinder und Eltern mit Animationen für die deutsche Sprache begeistert werden sollen. Vielleicht können Sie ein bisschen beschreiben, was dort gemacht wird, wie also die Eltern und Kinder angesprochen werden…

„Wir haben da eine klare Arbeitsteilung. Ich wende mich als Botschafter zunächst an die Institutionen, an die staatlichen Stellen auf der tschechischen Seite. Zudem wende ich mich auch an die Lehrer. Die eigentliche Präsentation vor Ort übernehmen dann das Goethe-Institut und Tandem. Sie gehen zum Beispiel auf die Marktplätze und versuchen dort, mit Sprachanimationen und Spielen die Angst vor der Sprache zu nehmen. Denn Deutsch gilt ja als besonders schwer. Es dürfte ein sehr erfolgversprechender Ansatz sein, durch erste Erfolge zu zeigen, dass es so schwierig vielleicht gar nicht ist. Zumindest wird so Neugier geweckt.“

Foto: Archiv des Dr. Václav Šmejkal-Gymnasiums
Wie würden Sie versuchen, einem Ausländer die deutsche Sprache schmackhaft zu machen?

„Da gibt es natürlich jetzt sehr viele Ansätze. Man kann an deutsche Musik, an deutsche Literatur denken. Diese Kampagne richtet sich aber gezielt an junge Leute, die die Sprache lernen wollen, um damit ihre Berufsaussichten zu verbessern. Ich denke, in diesem Kontext spielt dann auch eine Rolle, dass Tschechien und Deutschland ganz enge Wirtschaftspartner sind und dass sich mit Deutschkenntnissen die Berufschancen für junge Menschen in Tschechien konkret verbessern.“