Deutsch-Tschechisches Gesprächsforum lud zur Jahreskonferenz nach Passau

Foto: Ondřej Staněk

Die Bayrische Drei-Flüsse-Stadt Passau war am Wochenende Schauplatz der Jahrestagung des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums. Organisiert wurde das Treffen von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Knapp 150 Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Journalismus diskutierten zum Thema „Identitäten und Bürgerschaften in Europa“. Gleichzeitig wurde hinter den Kulissen bereits der Jubiläumsjahrgang 2012 vorbereitet: Nächstes Jahr nämlich feiert das Gesprächsforum seinen fünfzehnten Geburtstag.

Deutsch-Tschechisches Gesprächsforum  (Foto: Ondřej Staněk)
Tschechen und Deutsche sind EU-Bürger. Doch was bedeutet die Unionsbürgerschaft aus staatsrechtlicher Sicht eigentlich konkret? Und wie funktionieren moderne Nationsbildung und kollektive Identitäten in Europa? Das sind nur einige der Fragen, die auf der Jahreskonferenz des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums in Passau diskutiert wurden. Auch für die meisten Konferenzteilnehmer ist die Frage nach der eigenen Identität recht vielschichtig. Zum Beispiel für Vojtěch Belling, den tschechischen Staatssekretär für europäische Angelegenheiten:

„Ich stamme aus einer Familie mit deutschen, jüdischen, ungarischen und slowakischen Wurzeln. Schon von daher bin ich ein typischer Mitteleuropäer. Andererseits fühle ich mich stark mit Böhmen und mit Tschechien verbunden und fühle in diesem Sinne eine tschechische oder eher böhmische Identität – gleichzeitig aber wie gesagt eine mitteleuropäische, und auch eine gesamteuropäische“, so Belling gegenüber Radio Prag.

Vojtěch Belling  (Mitte)
Das Deutsch-Tschechische Gesprächsforum wurde 1997 auf Grundlage der Deutsch-Tschechischen Erklärung gegründet. Die bisherige Bilanz des Forums sieht Staatssekretär Belling positiv:

„Das Forum hat zur Entwicklung der deutsch-tschechischen Beziehungen vor allem auf der Ebene der Mediengesellschaft, der breiteren akademischen Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft enorm viel beigetragen. Themen, die sonst auf der Straße oder irgendwo in den Boulevardmedien besprochen werden, können hier auf intelligente und kultivierte Weise diskutiert werden. Das trägt seit der Entstehung dieses Forums hundertprozentig zur Verständigung zwischen beiden Völkern bei.“

Leonie Liemich
In die Diskussionen eingebunden sind nicht nur führende Vertreter der staatlichen Verwaltung oder Repräsentanten politischer und wissenschaftlicher Organisationen. Auch die jüngere Generation kommt zu Wort. Leonie Liemich ist die ehemalige Sprecherin des Deutsch-Tschechischen Jugendforums. Heute sitzt sie im Beirat des Gesprächsforums und entscheidet bereits mit über Themen und Inhalte:

„Ich denke, das ist für uns junge Leute, die sich für die deutsch-tschechischen Beziehungen interessieren, eine tolle Möglichkeit, um einen Einblick zu bekommen und zu sehen, wie diese deutsch-tschechische Verständigung auf einer höheren Ebene zwischen Politik, Gesellschaft und Wirtschaft stattfindet.“

Tomáš Jelínek
Die bilateralen Beziehungen befinden sich heute auf einer ganz anderen Ebene als noch vor 15 Jahren, sagt Tomáš Jelínek, Co-Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds:

„Das Gesprächsforum muss nicht mehr zur Austragung historischer Konflikte dienen. Ich sehe aber die Aufgabe des Gesprächsforums auch heute noch darin, verschiedene, auch konfliktgeladene Themen zu diskutieren, Menschen aus beiden Gesellschaften, Politiker aus beiden Ländern zusammenzubringen und dann Raum zum Austausch zu geben - und im Idealfall am Ende auch Empfehlungen und Impulse zu geben, sowohl für die Gesellschaft, als auch für die Politiker.“

Eine Gelegenheit dazu gibt es schon bald: Thema der Jahreskonferenz 2012 wird die Energiesicherheit sein. Ein Feld, auf dem die Vorstellungen beider Staaten vor allem bei der Kernkraft derzeit gehörig auseinanderdriften.

Fotos: Ondřej Staněk