Deutsche Bücher in tschechischen Kinderzimmern
Anlässlich des Feiertages in der Tschechischen Republik sendet Radio Prag eine Sondersendung. Daher widmen wir uns heute einer Leidenschaft, der viele Menschen an freien Tagen nachgehen - dem Lesen. In vielen tschechischen Kindernzimmern stehen Bücher von deutschen Autoren. Im Prager Goethe Institut fanden zum deutsch-tschechischen Kulturfrühling Lesungen von deutschen Autoren für ihre - bis dahin unbekannten - tschechischen Leser statt.
Begleitet von einer elektrischen Gitarre liest die tschechische Schaupielerin Gabriela Filippi aus dem Buch "Die Wellenläufer" vom deutschen Autor Kai Meyer. Die rund 100 Zuhörer lauschen gebannt der Erzählung - die sie mal fast flüsternd, dann wieder laut in tschechischer Sprache vorträgt. Das erste Kapitel der Wellenläufer hatte der anwesende Schriftsteller Kai Meyer selbst in deutscher Sprache gelesen, bevor er in eine neue Rolle schlüpfte - die des Zuhörers.
"Das war intersessant. Ich wusste so ungefähr, aus welchem Kapitel sie lesen würde und habe dann immer mal bestimmte Namen und Begriffe verstanden. Sie hat es sehr gut vorgetragen, also sehr betont vorgelesen, deshalb konnte ich es schon nachvollziehen. Ich habe aber viel mehr auf das Publikum geachtet und geguckt: Wie reagieren die? Und das ist natürlich schwierig, wenn man nicht genau weiß, an welcher Stelle sie gerade ist. Aber sie waren ja insgesamt sehr ruhig, was bei Kindern ja nicht immer selbstverständlich ist, also ich glaube es ist gut angekommen."
Möglich wurde diese Begnung zwischen dem Autor und seinen bis dahin unbekannten Lesern durch das Engagement des Deutsch-Tschechischen Kulturforums in Heidelberg. Aus einer Studenten-Dozenten-Intitiative entstand das Forum im Jahr 1998. Zentrales Anliegen des Vereins ist es, Sprache, Kultur und Geschichte beider Ländern zu vermitteln und damit zur gegenseitigen Verständigung beizutragen und Vorurteile abzubauen. Die Vereinsvorsitzende Ivana Beil ist selbst Dozentin in Heidelberg:
"Als wir vom deutsch-tschechischen Kulturfrühling gehört haben und dass diese Aktion von der deutschen Botschaft gestartet wurde, haben wir gesagt, wir wollen nicht nur Erwachsene zusammen bringen oder Studenten. Uns ging es um wirklich um diese Asymetrie: Da ist ein deutscher Schriftsteller, der schreibt für tschechische Kinder und kennt sie gar nicht."
Drei Klassen aus Prager Gymnasien waren zu der Lesung im Goethe-Institut gekommen. Obwohl Lesungen seit den Erfolgen seiner Bücher in Deutschland zu Kai Meyers Alltag gehören, ist dieses Mal etwas ganz besonderes."Ich bin das erste Mal zu einer Lesung in Prag. Das habe ich hier in Tschechien noch nie gemacht. Das ist natürlich sehr spannend und interessant, mal tschechische Leser kennen zu lernen und ich war sehr überrascht, wie viele deutschsprachige tschechische Leser es hier gibt, das ist wirklich ganz erstaunlich."
Von seinen 48 Büchern wurden schon sieben ins Tschechische übersetzt, für andere sind die Rechte bereits verkauft. Seine Geschichten werden von den Anwesenden im gleichen Atemzug mit den klassischen Werken der deutschen Kinder und Jugendliteratur genannt. Bei einer kleinen Umfragen wurde Kai Meyers "Das Wolkenvolk" und "Fießende Königin", neben Preußlers "Das kleine Gespenst" und "Die kleine Hexe"genannt.
Gerade Schüler, die Deutsch lernen haben ein besonders Interesse an deutschen Geschichten und deren Autoren - wie auch an Kai Meyer. Adam geht in die achte Klasse und ist einer von den Schülern, die Meyers Bücher schon kannten und sie auf Deutsch gelesen haben. Für ihn war die Lesung daher doppelt spannend.
"Ich habe 'fließende Königin' und den ersten Teil vom 'Wolkenvolk' gelesen. 'Das Wolkenvolk' war echt super, muss ich sagen. Es war einfach in sich logisch und das ist bei Fantasy-Büchern oft nicht so."Neben Kai Meyers Büchern hat er auch schon andere Geschichten gelesen:
"'Das kleine Gespenst', ja so klassische Bücher, wie auch 'Die kleine Hexe'. Das ist alles. Ich lerne noch nicht so lange Deutsch."
Und auch die Schüler, die "Die Wellenläufer" und Kai Meyer bisher nicht kannten, wollen nach der Lesung mehr. Mehr spannende und interessante Geschichten. Doch Motivation allein bringt die Bücher noch nicht in die Schulen. Das Heidelberger Forum hatte für mehrere Schulen und Kindergärten rund 1000 deutsche Bücher im Gepäck - Spenden der Verlage. Die Vorsitzende Ivana Beil:
"Sie sind über die Spenden sehr froh. Die Lehrerinnen haben schon gesagt, dass die Kinder jetzt "Die Wellenläufer" auch im Unterricht lesen wollen. Normalerweise haben tschechiche Schulen kaum einen Zugang zu den deutschen Novitäten. Die Bücher sind zu teuer und sie haben nicht das Budget sie zu bestellen. Meistens arbeiten sie mit Kopien der Texte."
Trotz dieser Schwierigkeiten sind viele Geschichten aus der deutschen Kinder- und Jundgendliteratur in Tschechien bekannt. Bücher von 'Momo' bis 'Emil und die Dedektive' wurden auch von hiesigen Kindern verschlungen. Der Zugang zu dieser Literatur war jedoch nicht immer selbstverständlich. Die Lektorin Midlana Matejovicova weiß noch, wie es zu Zeiten des sozialistischen Regimes war:
"Die Begrenzung für die Übersetzung der deutschsprachigen Kinder- und Jugendliteratur war nich nur ideologisch, sondern auch finanziell. Damals musste man die Autorenrechte mit Devisen bezahlen. Jetzt ist die Situation natürlich viel, viel besser. Man kann das nicht vergleichen."
An den Klassikern mangelt es nicht, doch die neue deutsche Literatur hat es schwer, sich auf dem Markt zu etablieren. Heute fehlt es nicht an den Möglichkeiten - heute fehlt es an etwas ganz Anderem so die Lektorin Midlana Matejovicova:
"Der wichtigste Grund, warum die deutschen und auch die Weltautoren der Kinder- und Jugendliteratur bei uns nicht bekannt sind, ist, dass es in Tschechien praktisch keine Rezensionen der Kinder- und Jugendliteratur gibt. Und woher soll eine Lehrerin aus 'Holnydolny' erfahren, welches ein interessanter Autor ist. Das gilt natürlich auch für die Eltern."
Mit weiteren Lesungen deutscher Autoren und Besuchen in Prager Schulen bemüht sich das Deutsch-Tschechische Kulturforum gemeinsam mit einigen Verlagen, die deutsche Literatur auf diesem Weg bekannt zu machen. Gerade Bücher seien ein wesentlicher Bestandteil des Wissenserwerbes und für das Begreifen der eigenen Umwelt wichtig. Beim Erwerb einer Sprache, betonte Ivana Beil, vermitteln sie diese nicht nur, sondern thematisierten auch aktuelle Probleme der Jugendlichen wie Gewalt, Drogen oder die erste Liebe. Die meisten Geschichten aus Deutschland könnten ohne weiteres auch in Tschechien spielen.
Und wenn deutschen Bücher, wie "Die Wellenreiter" erstmal den Sprung auf den tschechischen Markt geschafft haben, wie werden sie denn dann von den jungen Lesern aufgenommen? Die Vorsitzende des Deutsch-Tschechischen Kulturforums in Heidelberg, Ivana Beil:
"Eigentlich super. Die Bücher sind alle in mehrern Auflagen erschienen und ich bin davon überzeugt, dass auch die Bücher von Kai Meyer genauso erfolgreich sein werden, wie das Interesse von den Kinder heute auch gezeigt hat."