Deutsche Firmen in Tschechien sehen Zukunft wieder optimistischer

Hannes Lachmann (Foto: Archiv DTIHK)

Zu Beginn jedes Jahres führt die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer (DTIHK) in Prag eine Konjunkturumfrage unter ihren Mitgliedern durch. Gefragt wird nach den Vor- und Nachteilen des Standorts Tschechien, wichtigste Bezugspunkte dabei sie die Wirtschaftslage und die Investitionsbedingungen im Land. Zu den Ergebnissen der diesjährigen Umfrage, die vor einer Woche veröffentlicht wurden, nun mehr im Interview mit dem Leiter der Abteilung Unternehmenskommunikation bei der DTIHK, Hannes Lachmann.

Hannes Lachmann  (Foto: Archiv DTIHK)
Herr Lachmann, wir schreiben das Jahr 2014, das sind fünf Jahre nach Beginn der Krise, und es scheint, dass sich auch die tschechische Wirtschaft von der Krise erholt hat und wieder im Aufschwung ist. Das macht sich unter anderem in der Konjunkturumfrage bemerkbar, die Ihre Kammer unter den vor allem deutschen Firmen durchgeführt hat. Wie ist diese Umfrage diesmal zu bewerten?

„Grundsätzlich sehr positiv. Eigentlich schlagen sich die positiven Prognosen der einschlägig bekannten Prognoseinstitute auch sehr deutlich in den Ergebnissen unserer Konjunkturumfrage nieder, insbesondere mit Blick auf die aktuelle Wirtschaftslage. Diese wird von 65 Prozent der Befragten als befriedigend, und von 16 Prozent sogar als positiv angesehen. Das ist deutlich besser, als es die Bewertungen in den Jahren 2012 und 2013 waren. Wenn wir jetzt in die Zukunft blicken, also auf das laufende Geschäftsjahr, dann bewerten die von uns befragten hauptsächlich deutschen Firmen die Aussichten für die tschechische Wirtschaft insgesamt im Jahr 2014 ebenfalls positiv. Fast die Hälfte der Befragten geht von einer stabilen Entwicklung aus, nicht weniger als 41 Prozent erwartet sogar eine Verbesserung. Nur 11 Prozent der Firmen rechnen mit einer weiteren Verschlechterung. Dieser Pessimismus ist angesichts der Erfahrungen der letzten beiden Jahre sicher nicht ganz von der Hand zu weisen, doch die knapp 90 Prozent, die optimistisch denken, sprechen eindeutig für sich.“

Foto: Europäische Kommission
Die knapp 90 Prozent der befragten Firmen würden jederzeit auch wieder in Tschechien investieren, sie sind also zufrieden. Gemeinsam mit der Slowakei liegt Tschechien folglich auch auf dem ersten Platz im Standort-Ranking. Was sind die größten Vorteile des Standorts Tschechien nach wie vor?

„Schon seit Jahren ist es in erster Linie die EU-Mitgliedschaft, die am allerbesten bewertet wird. Natürlich spielen bei der Standortwahl viele weitere Faktoren eine entscheidende Rolle wie zum Beispiel die Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer, die in Tschechien sehr günstig ist. Das Gleiche gilt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die insgesamt positiv bewertet werden. Geschätzt werden zum einem die Leistungsbereitschaft und Produktivität der Arbeitskräfte hierzulande, aber auch die akademische Ausbildung hat überdurchschnittliche Werte einfahren können. Ebenfalls noch überdurchschnittlich ist die Qualifikation der Arbeitnehmer insgesamt, allerdings gilt hier die Einschränkung, dass sie mittlerweile auf Platz fünf der 21 Bewertungskriterien abgerutscht ist. Vor einigen Jahren lag die Qualifikation der Arbeitnehmer noch auf Platz zwei, man erkennt hier also schon einen leichten Abstieg.“

Illustrationsfoto: Barbora Němcová,  Radio Prague International
Sie haben bereits einen Punkt angeschnitten, den man kritischer sehen muss als früher. Daher die Frage: Was sind denn die Punkte, bei denen man den Finger in die Wunde legen muss, bei denen man in Tschechien nachbessern müsste?

„Da muss man zunächst den drohenden Fachkräftemangel nennen, der einerseits demografisch bedingt ist, andererseits aber auch mit der Ausbildungssituation hierzulande etwas zu tun hat. In diesem Punkt muss aus Sicht der deutschen Unternehmer, die in Tschechien geschäftstätig sind, unbedingt etwas getan werden. Hierbei muss auch die Politik Verantwortung tragen, insbesondere mit Blick auf die Berufsausbildung, die praxisorientierter aufgezogen werden muss. Denn der Industrie, die das Rückgrat der hiesigen Wirtschaft ist, müssen auf direktem Wege entsprechend qualifizierte Leute stetig zugeführt werden. Weitere altbekannte Probleme sind Korruption und Wirtschaftskriminalität, und hier insbesondere die Intransparenz bei öffentlichen Ausschreibungen. Ein Punkt, der in den letzten Jahren ebenso oft zur Sprache gekommen ist, ist die politische Diskontinuität, denn mit vielen Regierungswechseln wie auch Ministerwechseln innerhalb dieser Regierungen ist eine kontinuierliche Wirtschaftspolitik nur schwer möglich. Die wäre aber erforderlich, um die Attraktivität des tschechischen Standorts weiter zu erhalten. Das Gleiche gilt für die Effizienz der öffentlichen Verwaltung – hier wäre ebenfalls eine personelle Kontinuität unser Rat. Und wir haben das Thema Rechtssicherheit, bei dem besonders auffällt, dass die Dauer der Prozesse einfach zu lang ist. Zudem sind die Entscheidungen oft nicht absehbar, weil es zu häufigen Gesetzesänderungen kommt. Auch danach haben wir in unserer Umfrage gefragt. Die genannten fünf Punkte sind derzeit am kritischsten zu sehen.“

Foto: Martin Karlík,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Ihre Kammer ist ständig darum bemüht, für deren Mitglieder die bestmöglichen Bedingungen im Land schaffen zu lassen. Deswegen verweist die Kammer auch auf sechs Schwerpunkt-Themen, in denen es einiges zu verbessern gilt. Über diese sechs Punkte soll nun auch mit der neuen Regierung verhandelt werden. Welche dieser Punkte sehen Sie für die allernächste Zeit als die wichtigsten an? Welche Probleme sollten zuerst gelöst werden?

„Als einen der wichtigsten Punkte sehe ich tatsächlich die Lösung der Fachkräftefrage an. Das heißt mit anderen Worten: Die gewerblich-technische Ausbildung muss vorangebracht werden, denn hier gibt es für uns einen sehr großen Nachholbedarf. Auf diesem Gebiet sind wir auch schon aktiv mit dem Projekt Pospolu, das erste Wirkungen zeigt. Aber da sollte auch auf politischer Ebene noch viel umfassender etwas getan werden, aus unserer Sicht gerne in Richtung eines kooperativen oder auch dualen Ausbildungssystems. Ein weiterer wichtiger Punkt ist nach wie vor die Intransparenz bei öffentlichen Ausschreibungen. Hinzu kommt die Flexibilisierung des Arbeitsrechts mit dem Stichwort Kurzarbeit. In Deutschland hat die Kurzarbeit unter anderem zu einer deutlich geringeren Entlassungswelle im Zuge der Krise beigetragen. Aber auch die genannten Themen Rechtssicherheit und Bürokratieüberhang sind unbedingt zu lösende Problembereiche.“