Deutsche Kliniken locken tschechische Ärzte mit Vierfachem des Gehalts
Normalerweise wird zum Jahresausklang immer etwas gefeiert. In diesem Jahr aber mit Sicherheit nicht im tschechischen Gesundheitswesen, wo sich die Situation immer mehr zuspitzt. Es zeigt sich nämlich, dass die Kampagne der Ärztegewerkschafter „Danke, wir gehen“ keine leere Phrase ist. Im Gegenteil: Bis zum Mittwochmorgen hatten bereits 3650 der 16.000 tschechischen Krankenhausärzte ihre Kündigung dem Arbeitgeber zugestellt. Eine Tatsache, die auch Gesundheitsminister Leoš Heger zunehmend nervöser werden lässt.
„Wenn das schlimmste Szenario eintritt, das einer Katastrophe gleichkommt, dann muss in der Tat eine Maßnahme getroffen werden ähnlich wie bei einem Notstand nach einem großen Massenunglück.“
Heger meint damit die Ausrufung des so genannten Gefahrenstandes. Dies würde bedeuten, dass den Ärzten vorgeschrieben werden kann, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Der Gefahrenstand kann jedoch nur maximal 30 Tage aufrecht erhalten werden und müsste zudem von den Kreishauptmännern ausgerufen werden. Die Kreishauptmänner zeigen sich aber bisher eher zurückhaltend. Wohl auch deshalb, weil nicht in allen Kreisen die Lage gleichermaßen prekär sein wird, wenn die Ärzte nach der zweimonatigen Kündigungsfrist zum 1. März 2011 die Krankenhäuser verlassen werden. Aus heutiger Sicht dürften die größten Lücken in Mähren und Mährisch-Schlesien auftreten, denn im Unfallkrankenhaus Brno / Brünn haben fast zwei Drittel der Ärzte die Kündigung eingeeicht, in Opava / Troppau und Třinec sind es 60 Prozent.
Die Entscheidung, ihren Job zu Hause aufzugeben und woanders neu anzufangen, wird den Ärzten jetzt zudem noch erleichtert. Aus Österreich und Deutschland wurden nämlich Stimmen laut, die besagen, dass die gut ausgebildeten Ärzte aus Tschechien mit offenen Armen empfangen würden. Oberösterreichs Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser, der laut ORF den Zulauf der tschechischen Ärzte begrüßen würde, gibt andererseits aber auch zu bedenken, dass die Arbeitsbedingungen in seinem Bundesland ähnlich schlecht seien wie in Tschechien. Zu viele Überstunden und bürokratische Hemmnisse sorgen auch in Österreichs Krankenhäusern für viel Verdruss. Niedermoser glaubt daher, dass tschechische Ärzte eher in Deutschland nach Arbeit suchen werden. Eine Aussage, die durch den tschechischen Arzt Milan Lexa, der in einer Klinik im sächsischen Radeburg arbeitet, bestätigt wird:„Momentan herrscht in Deutschland ein erheblicher Mangel an Ärzten. Deshalb werden Ärzte sowohl zu kurzfristigen als auch längerfristigen Engagements gesucht. Und die Krankenhäuser, in denen die Not wegen der Unterbesetzung am größten ist, sind bereit, bis zum Vierfachen des normalen Arztgehalts zu zahlen. Das sind 120.000 bis 150.000 Kronen monatlich.“Also knapp 5000 bis 6000 Euro. Zum Vergleich: In Tschechien verdienen die Ärzte zurzeit im Schnitt 2000 Euro, und das mit Schichtdienst und Überstunden. Das könnte für viele tschechische Ärzte also ein wirklicher Anreiz sein, ihre Zelte im neuen Jahr in Deutschland aufzuschlagen. Diese Tendenz wird auch noch begünstigt durch die Tatsache, dass ohnehin zum 1. Mai 2011 die Begrenzung der Arbeitnehmerfreizügigkeit für alle Tschechen auch in Deutschland und Österreich aufgehoben wird.