Deutsche Minderheit: Jugend in Tschechien im Kontakt

Georg Pirker (Foto: Daniel Satra)

Die Jugendkontakt-Organisation - kurz "Jukon" - will junge Menschen zusammenbringen. Vor allem Tschechen und Deutsche. Denn ein Teil der 140 Mitglieder gehört zur deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik. Nicht große Ideologie, sondern kleines alltägliches Engagement und motivierte Mitarbeit sind bei der "Jukon" gefragt. In der Sendereihe "Forum Gesellschaft" hören Sie nun ein Interview mit Georg Pirker, dem deutschen Ansprechpartner für die "Jukon" in Prag.

Georg Pirker  (Foto: Daniel Satra)
Mitmachen kann bei der Jugendkontakt-Organisation "Jukon" jeder, so steht es im Werbefaltblatt. "Neue Ideen sind jederzeit willkommen" heißt es weiter. Was aber macht die "Jukon", an welchen Projekten können sich Interessierte beteiligen?

"Es gibt zum einen die großen landesweiten Projekte in Tschechien. Zum Beispiel findet das erste Mal ein von der 'Jukon' getragenes Kinderferienlager statt - das 'Sommer-Action-Camp'. Dort werden sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch Themen junger Menschen besprochen, es geht zum Beispiel Outdoor-Projekte, Natur und Ökologie, Sprachprojekte, Europa, Tschechien und seine Nachbarn, Tschechen und Deutsche. Dann gibt es noch die kleineren Projekte, wie zum Beispiel in Pardubice. Ein- oder zweiwöchig treffen sich 'Jukon'-Mitglieder und Proben Theateraufführungen - zum Beispiel wurde Faust immer wieder gespielt. Dann gibt es Rezitationswettbewerbe für Gedichte oder Musik, aber auch Diskussionsrunden."

Die deutsche Minderheit in Tschechien ist in der Landesversammlung und im Kulturverband organisiert. Meist ältere Menschen treffen sich in Begegnungszentren der Landesversammlung um deutsche Kultur in Tschechien zu pflegen. Im Jahr 2000 wurde die "Jukon" gegründet. Welche Position nimmt diese Jugendorganisation seitdem ein?

"Die 'Jukon' ist Mitglied in der Landesversammlung. Und diese ist ein föderales Organ mit 24 organisierten deutschen Vereinen als Mitglieder. Diese Vereine befinden sich in mehreren Regionen in Tschechien. In ihren Begegnungszentren treffen sich die Mitglieder, dort finden Kulturprogramme statt. Die 'Jukon' hingegen hat kein Begegnungszentrum, sondern ist landesweit organisiert. Ihre Mitglieder sind oft in Regionalgruppen dabei, in Schlesien gibt es zwei Gruppen sowie eine in Pardubice."

Die "Jukon" ist eine Kontaktorganisation - also eine Organisation, die verbinden will, insbesondere Jugendliche und junge Erwachsene der deutschen Minderheit in Tschechien mit jungen Tschechen. Tschechen, die sich für deutsche Sprache und deutsche Kultur interessieren. Geht es jedoch um tschechisch-deutsche Beziehungsfragen, mischt auf bilateraler Ebene fast immer auch die Sudentendeutsche Landsmannschaft mit, meist laut und meist aus Bayern. Wo sieht sich die "Jukon" in diesem Beziehungsgeflecht deutscher und tschechischer Interessen?

"Die Diskussion geht dahin, dass man sagt: Wenn wir überhaupt in Tschechien positiv wahrgenommen werden wollen und uns fruchtbar zu einer allgemein akzeptierten Jugendorganisation weiter entwickeln wollen, dann müssen wir eine ganz klare Distanz zur Sudetendeutschen Landsmannschaft halten. Denn diese vertritt überhaupt nicht unsere Interessen. Das ist meiner Meinung nach der Knackpunkt, über den sich die 'Jukon' auch mittelfristig definieren muss. Ausgehend von den Fragen: Wie stehen wir zu der Sudetendeutschen Landsmannschaft und wie wollen wir in Tschechien wahrgenommen werden?".

Auf Distanz zur Sudentendeutschen Landsmannschaft zu gehen, um ein eigenes Profil herauszuarbeiten. Doch wie kam es überhaupt zur Gründung der "Jukon" vor vier Jahren, mit welchem Ziel war sie angetreten, wen wollte sie vertreten?

"Dass es die 'Jukon' gibt, ist ein Zeichen dafür, dass es junge Menschen gibt, die sich mit der deutschen Minderheit irgendwie identifizieren oder auseinandersetzen. Die sich aber zugleich in den klassischen Verbänden nicht repräsentiert sahen und deswegen etwas Eigenes gründen wollte, eine eigene Sache beginnen wollten."

Der Altersdurchschnitt in den Vereinen der Landesversammlung ist hoch, in den Begegnungszentren treffen sich Menschen, die oft ihr Berufsleben bereits hinter sich haben. Die "Jukon" ist für junge Menschen. Bringt sie sonst noch Unterschiede mit?

Georg Pirker  (Foto: Daniel Satra)
"Es gibt auch ein Definitionsproblem: Was ist deutsch? Ist deutsch, wenn man Musik hört, oder ist das europäisch oder tschechisch? Oder ist deutsche Kulturpflege nur, wenn man Trachten anzieht und Brauchtum pflegt? Geht es also nur darum das kulturelle Erbe der Deutschen in Tschechien zu pflegen? Oder - und das eher der Ansatz von der 'Jukon' - ist es nicht auch die Aufgabe, dies in der jüngeren Generation weiter zu entwickeln? Und sich selbst die Frage zu stellen: Was ist in meinem Alltag, in meiner Umgebung etwas, wo ich sagen würde, hier bringe ich etwas spezifisch Deutsches mit ein?"

Auch die 'Jukon' wirft offenbar Fragen an die Geschichte auf. Eine Geschichte, die auf den Zweiten Weltkrieg, das Protektorat Böhmen-Mähren und auf die spätere Vertreibung Deutscher aus der Nachkriegs-Tschechoslowakei zurückblickt. Doch nicht in der Aufarbeitung der Geschichte sieht Georg Pirker die Aufgaben der Jugendorganisation - sondern?

"Das Leid der Vertreibung - das ist etwas, womit Jugendliche heute nichts mehr anfangen können. Das ist für sie kein Grund sich zu engagieren, die wollen Spaß haben, die wollen ihre Freizeit gestalten. Ich denke daher, dass die 'Jukon' ein ganz guter Weg um den Gedanken der europäischen Integration als etwas Positives zu erfahren."

Georg Pirker ist als so genannter Kulturassistent vom deutschen Institut für Auslandsbeziehungen (IFA) für zwei Jahre nach Prag geschickt worden. Mit welchem Auftrag hat ihn das IFA nach Tschechien entsandt? Was sind die Aufgaben des Kulturassistenten bei der "Jukon"?

"Mein Auftrag ist vor allem die begleitende Weiterentwicklung. Es geht darum mit den Mensche eine Zukunftsperspektive vor Ort zu entwickeln, und darunter fällt alles Mögliche: Bei der 'Jukon' liegt der Schwerpunkt auf interne Professionalisierung der Arbeit. Wir überlegen uns, wie wir an die Öffentlichkeit gehen wollen, mit welchen Strategien wir andere Zielgruppen erreichen. Eine wichtige Frage ist: Wie tritt man als eine Jugendorganisation, die vor dem Hintergrund der deutschen Minderheit arbeitet, aus diesem Schatten hervor. Dabei kann ich helfen, allerdings lege ich großen Wert darauf, dass auch selbständig Ideen entwickelt werden, und nicht ich vorgebe, wie es zu laufen hat. Die 'Jukon' muss selbst lernen, wozu sie mich als Assistenten einsetzen kann, wo ich konkret helfen kann. Es ist immer ein Angebot, nie eine Vorgabe."

Das war ein Gespräch mit Georg Pirker, dem deutschen Ansprechpartner der tschechisch-deutschen Jugendkontaktorganisation 'Jukon'.

Informationen und Ansprechpartner: www.jukon.net