Deutschsprachige Literatur im Protektorat – bisher kaum erforscht

Peter Becher: „Literatur unter dem Hakenkreuz

„Literatur unter dem Hakenkreuz“ lautet der Titel einer Veranstaltungsreihe des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren. Der Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Peter Becher hat 2005 einen Sammelband herausgegeben, der ebenfalls diesen Titel trägt. Am Donnerstag war Becher im Literaturhaus zu Gast.

Manche Wissenschaftler sprechen von weißen Flecken, andere von einer Grauzone, wenn es um die deutschsprachigen Autoren im Protektorat Böhmen und Mähren geht. Was von ihnen zwischen 1939 und 1945 veröffentlicht wurde, das wurde bisher kaum erforscht, darin sind sich tschechische und deutsche Germanisten einig. Deshalb habe man die Veranstaltungsreihe „Literatur unter dem Hakenkreuz“ auf das Programm gesetzt, erläutert Lucie Černohousová, Leiterin des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren.

„Wenn man sich mit der deutschsprachige Literatur aus den böhmischen Ländern – oder speziell mit der deutschsprachigen Prager Literatur – beschäftigt, spricht man meistens nur über die positiven Beispiele. Dass es aber auch eine andere Seite gegeben hat, wurde bisher eher verschwiegen.“

Peter Becher: „Literatur unter dem Hakenkreuz“
Peter Becher hat sich ausführlich mit dem Thema befasst. Er ist Literaturhistoriker, Schriftsteller und Geschäftsführer des Münchner Adalbert-Stifter-Vereins. Den Sammelband „Literatur unter dem Hakenkreuz“ hat er mit herausgegeben. Becher weiß, wie schwierig das Thema zu erforschen ist, denn von der „Literatur unter dem Hakenkreuz“ kann eigentlich nicht gesprochen werden:

„Ein solcher Titel ist immer eine schlagwortartige Zusammenfassung, die natürlich - wenn man genauer hinsieht - nicht standhält, sondern versucht etwas prägnant auf den Punkt zu bringen. In der Forschung wird man aber sehr stark differenzieren und auf ganz unterschiedliche Gruppen von Autoren stoßen. Es gab zum Beispiel diejenigen, die 150-prozentige Nazis waren und in ihren Büchern auch so geschrieben haben. Es gab andere, die eher Unterhaltungsliteratur veröffentlicht haben, sich aber trotzdem zum Nationalsozialismus bekannt haben. Und schließlich gab es auch Autoren, die verstummt sind, die wirklich nur für die Schreibtischschublade geschrieben haben und erst nach 1945 publiziert wurden.“

Peter Becher
Wie einzelne Autoren auf das Aufkommen des Nationalsozialismus reagiert haben, erläutert Becher am Beispiel von Hans Watzlik. Der Schriftsteller wurde 1879 in Südböhmen geboren. Schon in der Ersten Tschechoslowakischen Republik war er erfolgreich.

„Watzlik ist einer der Autoren, die noch in der Ersten Republik sogar einen Staatspreis bekommen haben, sich dann aber im Zuge der 30er Jahre immer stärker zum Nationalsozialismus hin orientierten. Er ist auch Parteimitglied geworden und war einer derer, die im Protektorat am meisten publiziert und die meisten Auszeichnungen bekommen haben. Er ist also ganz stark in dieses Fahrwasser hineingeraten und hat davon ganz stark profitiert.“

Hans Watzlik
Ob sich die deutschsprachigen Autoren wie Watzlik mit dem System arrangierten oder einen anderen Weg einschlugen – die entscheidenden Weichen dafür wurden in der so genannten Phase des Übergangs gestellt. Zwischen dem Münchner Abkommen im September 1938 und der Errichtung des Protektorats im März 1939 wanderten viele deutschsprachige Autoren aus. Andere rückten so von der zweiten in die erste Reihe auf. Und wie geht das Prager Literaturhaus mit den Werken dieser Schriftsteller um?

„Die Mehrzahl der Autoren, die in unserer Bibliothek vertreten sind, sind eher jüdischer Abstammung und links, humanistisch, liberal orientiert. Aber man findet hier auch Werke von Autoren wie Bruno Brehm, Hans Watzlik und Josef Pleyer, die im Rahmen dieser Veranstaltung präsentiert wurden.“


Die nächste Veranstaltung in der Reihe „Literatur unter dem Hakenkreuz“ findet am 15. März statt. Volker Mohn wird über Mechanismen der Literaturpolitik während des Protektorats sprechen.

Autor: Corinna Anton
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