Dialog in der Mitte Europas über Menschen am Rande

Foto: Martina Schneibergová

„Menschen am Rande“ – das war das Thema des 23. Brünner Symposiums, das am vergangenen Wochenende in der südmährischen Metropole stattfand. Veranstalter der internationalen Konferenz waren die Ackermann-Gemeinde und die Bernard-Bolzano-Gesellschaft.

Foto: Martina Schneibergová
Rund 250 Vertreterinnen und Vertreter aus Deutschland, Österreich, Polen, Ungarn und Tschechien trafen am Wochenende in Brno / Brünn zusammen, um einen „Dialog in der Mitte Europas“ zu führen. Unter den Referenten und Teilnehmern der Rundtischdebatten waren Europaabgeordnete, Minister sowie Kommunalpolitiker. Diskutiert wurde über den Umgang mit anderen Kulturen, der eine Art Prüfstein für die Demokratie in unseren Ländern ist. In den Vorträgen der Referenten spielten dabei die Minderheiten und deren Stellung in der Gesellschaft eine große Rolle. Dazu bemerkt der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek:

Erhard Busek  (Foto: Martina Schneibergová)
„Im europäischen Kontext muss man sagen, dass wir eigentlich alle Minderheiten in diesem Europa sind. Wir haben immer noch dieses nationale oder national-staatliche Mehrheitsdenken und leiten daraus Ansprüche ab, die nicht richtig sind. Ich glaube, eine wesentliche Aufgabe der Bildung ist es, uns daran zu erinnern. Die heutige Migration und die Durchmischung der Gesellschaften werden uns in dieser Richtung helfen. Nur müssen wir sie auch zur Kenntnis nehmen.“

Mehrere der tschechischen Diskussionsteilnehmer sind auf die Situation der Roma im Land eingegangen. Einen für die Minderheit großen Nachteil sahen sie vor allem im beschränkten Zugang der Roma zur Bildung. Fehlen den tschechischen Roma Vorbilder? Dazu der Grünen-Vorsitzende, Ondřej Liška:



Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Ich glaube, dass man in Tschechien allzu viel über Minderheiten anstelle mit den Minderheiten spricht. Wir sollen uns vom Konzept der Politik für die Roma verabschieden, denn wir brauchen eine Politik mit den Roma. Wir brauchen Kinder und Jugendliche, die gebildet sind, um sich auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Wir brauchen junge Roma-Bürgerrinnen und Bürger, die an der Dynamik der gesellschaftlichen Prozesse teilnehmen. Es gibt solche Leute unter der jungen Generation. Aber ein Durchschnittstscheche – auch wenn ich diesen Begriff ungern benutze – ist darüber nicht informiert. Dies ist nicht nur ein Fehler der Medien, sondern es ist eine Schwäche von uns allen, die sich für Politik interessieren und um eine bessere Politik in diesem Bereich bemühen. Ich kenne Roma, die Ärzte, Krankenschwestern, Juristen oder Tänzer sind. Aber von ihnen hört man nichts. Darum bin ich der Meinung, dass es sehr wichtig ist, insbesondere mit der jungen Generation der Minderheiten zu reden und ihnen zu sagen: Es ist auch eure Sache. Solange ihr euch nicht engagiert und aktiv am Leben teilnehmt, wird es kaum besser werden.“

Brünner Museum für Roma-Kultur  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums aber haben nicht nur am Tisch diskutiert. Sie hatten am Samstagnachmittag unter anderem die Gelegenheit, an einer Führung durch das Brünner Museum für Roma-Kultur teilzunehmen oder den Caritasverband Brünn zu besuchen. Beim Verband konnten sie mehr über die Arbeit der Caritas-Leute mit den Menschen am Rande der Gesellschaft erfahren. Für Interessenten wurde zudem das Aussiger Museumsprojekt zur „Geschichte der Deutschen in Böhmen“ vorgestellt. Fotograf Lukáš Houdek erzählte über seine Kunstprojekte, die er für eine Brücke zwischen den Menschen hält.

Martin Kastler ist CSU-Politiker und Mitglied des Europäischen Parlaments. Er ist gleichzeitig Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde, die diesen „Dialog in der Mitte Europas“ schon im Jahr 1991 initiierte.



Martin Kastler  (Foto: Martina Schneibergová)
„Ich glaube, dass es von der Bolzano-Gesellschaft und der Ackermann-Gemeinde schon etwas mutig war, mit diesem Thema beim 23. Brünner Symposium in die Diskussion zu steigen. Denn viele unserer Mitglieder aus Deutschland wie auch aus Tschechien wollen über die Geschichte, die Gegenwart oder die Zukunft in Europa reden. Aber das man so ein Thema nimmt, das - genauso wie die ´Menschen am Rande´ - in der politischen Diskussion in Deutschland wie auch in Tschechien fast außen vor steht, war schon richtig. Wir haben es bei den Reaktionen gemerkt. Es gab mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die wegen dieses Themas auf uns aufmerksam geworden sind. Als Europa-Politiker kann ich nur sagen: Die Frage nach dem Umgang mit den Minderheiten, mit den Menschen am Rande, ist eine Frage, die uns sehr umtreibt. Da braucht man nur an die Roma-Strategie der EU-Länder zu denken und auch an die Menschen, denen es in der EU nicht unbedingt gut geht und deren Probleme tabuisiert werden. Dies ist etwas, was wir als Ackermann-Gemeinde zusammen mit der Bolzano-Gesellschaft aber thematisieren wollen.“