Die Bombardierung Prags am 14. Februar 1945
Dieser Tage wird des 60. Jahrestages der Bombardierung und Zerstörung Dresdens gedacht. Damals, im Februar 1945, war auch Prag Ziel eines alliierten Bombenangriffes. Von diesem wird im heutigen Geschichtskapitel die Rede sein, zu dem Sie nun Katrin Bock erwartet.
"Ich rannte nach den ersten Einschlägen zum Schutzbunker. Hinter mir waren noch Leute, die die Anweisungen der Ordnungshüter missachteten. Ich erwähne diese jetzt nur, weil ich einige von ihnen später sah - als sie im Staub lagen, verletzt durch Splitter und Steine. Und danach - das war das schlimmste: die brennende Straße, Verletzte, Tote, verzweifelte Bürger, weinende Kinder. Und dort brannte das Emaus-Kloster. Ich ging näher, um das Ausmaß des Schadens zu betrachten. In dem Moment stürzte das Kirchendach ein, die Kirchturmuhr zeigte die Zeit des Treffers: 12 Uhr 32 Minuten."
So beschrieb der Rundfunkreporter Alfred Technik am folgenden Tag in einer Rundfunksendung seine Erlebnisse während der Bombardierung Prags. Ebenso wie Technik war die gesamte Bevölkerung Prags schockiert. Niemand hatte mit einem Bombenangriff gerechnet. Deshalb gingen viele an jenem 14. Februar 1945 auch nicht in die Luftschutzbunker.
Im Großen und Ganzen war das Protektorat Böhmen und Mähren von direkten Kriegseinwirkungen bis Anfang 1945 verschont geblieben. Die Böhmischen Länder waren zwar schon seit März 1939 von den Deutschen besetzt, doch die Okkupation war ohne Kämpfe und fast ohne Blutvergießen erfolgt. Die Auswirkungen des Krieges und der deutschen Besatzungspolitik spürte man aber auch in den Böhmischen Ländern. Die Angst vor der Gestapo war allgegenwärtig, Hinrichtungen standen auch im Protektorat auf dem Tagesprogramm. Im Herbst 1941 hatten die ersten Transporte tschechischer Juden das Protektorat Richtung Osten verlassen. 1942 begannen die Massendeportationen in das Ghetto Theresienstadt und Konzentrationslager.Im Gegensatz zu Berlin und anderen Großstädten im Deutschen Reich ging es den Bewohnern von Prag und dem Protektorat, was die materielle Seite betrifft, relativ gut. Die Versorgungslage war um einiges besser als im Deutschen Reich, die Front war weit weg und es gab keine Bombenangriffe.
Am 15. November 1944 fielen die ersten Bomben auf Prag. Damals wurde ein Elektrizitätswerk im Prager Stadtteil Holesovice getroffen. Vier Menschen starben bei dem Angriff eines amerikanischen Bombers. Immer wieder heulten nun die Sirenen in Prag. Stets handelte es sich um einen Fehlalarm, nicht aber am 14. Februar 1945.
In der Nacht zuvor war Dresden dem Erdboden gleich gemacht worden. Von den Erhebungen Prags soll der rote Schein der brennenden Stadt im Norden zu sehen gewesen sein. Einige Stunden später wurde Prag selbst Ziel eines amerikanischen Bombenangriffs.
Bis heute sind sich Historiker nicht einig, warum an jenem 14. Februar 1945 reine Wohnviertel der Protektoratshauptstadt bombardiert wurden. Einige gehen davon aus, dass amerikanische Bomber sich im schlechten Wetter verirrt haben und anstelle der sächsischen Metropole Prag bombardierten. Andere Historiker vertreten die Theorie, dass die Wind- und Wetterbedingungen zu einer Änderung des ursprünglichen Ziels Dresden geführt haben. Einige wenige Historiker sind aber auch der Auffassung, dass Prag bewusst bombardiert worden ist, um den Widerstand gegen die deutschen Okkupanten an der Moldau zu wecken. Laut Zeitzeugen gab man nicht den Amerikanern die Schuld an den Toten und der Zerstörung der Stadt, sondern den deutschen Besatzern. Der Bombenangriff soll somit einigen Widerstand gegen die deutschen Okkupanten geweckt haben. Am wahrscheinlichsten scheint heute jedoch die Theorie, dass sich die amerikanischen Bomber im schlechten Wetter verirrten und wegen der Lage der Stadt Prag mit Dresden verwechselten.
62 amerikanische Bomber näherten sich am 14. Februar 1945 gegen Mittag von Westen her der böhmischen Hauptstadt. Der Bombenregen begann über dem linken Moldauufer in Smichov, zog sich entlang der damaligen Mozart-Brücke zur Prager Neustadt und ging bis hin zum Stadtviertel Vinohrady über reine Wohnviertel nieder. Kein einziges militärisches Ziel wurde getroffen, keine einzige Fabrik. Auch die im Zentrum gelegenen Bahnhöfe blieben verschont. In Mitleidenschaft gezogen wurde insbesondere die Gegend um den Karlsplatz. Das sechshundertjährige Emaus-Kloster brannte aus, getroffen wurden einige Krankenhäuser, Schulen, das Theater in den Weinbergen, eine Synagoge, Kirchen und unzählige Wohnhäuser. Rund 700 Menschen starben damals, weitere 1400 wurden verletzt, 50 Häuser wurden völlig zerstört, hunderte weitere beschädigt.Die Zivilbevölkerung war schockiert. Bisher hatte man einen solchen Bombenangriff in Prag nicht erlebt und auch nicht erwartet. In einer Radioreportage von Josef Cincibus vom folgenden Tag ist dieser Schock spürbar.
"Gestern haben wir den Sinn des Wortes Terror, was tschechisch so viel wie hruza - Grauen-Entsetzen bedeutet, voll verstanden, wir haben verstanden und erlebt. Wir, die wir nie glauben wollten, dass solch ein Grauen und Unglück auch uns treffen könnte. In Prag sind noch nicht alle Brände gelöscht, noch steigt der Rauch aus Schulen, Kirchen, Häusern und Krankenhäusern, noch haben wir aus den Trümmern unsere Toten nicht geborgen, noch haben wir nicht verstanden warum. All das passierte in einigen wenigen Minuten - so viel Zerstörung und Leiden. Wir betrachten dies alles mit Unverständnis und fragen warum. Warum das alles?"
Die Prager Bevölkerung war nicht nur angesichts der menschlichen Opfer schockiert - die Zerstörung ihrer geliebten Stadt, von historischen Denkmälern und Kirchen löste einen ebensolchen Schock aus. Der Prager Oberbürgermeister Dr. Riha sprach auf einer offiziellen Trauerfeier für die tschechischen Opfer des Bombenangriffs nicht nur von menschlichen Verlusten:"Prag, die von Dichtern besungene Stadt, bewundert von Ausländern, auch von Amerikanern und Engländern, das königliche Prag, dessen tausendjährige Geschichte die gesamte Kulturwelt kennt, hüllt sein Angesicht in Trauer. Die Stadt, die von unzähligen Generationen erbaut wurde, die zu den schönsten Städten der Welt gehört, wurde schwer getroffen."
Bis Kriegsende erlebte Prag drei weitere Bombenangriffe. Nach zwei kleinen wurden am 25. März 1945 die Industrievororte Liben und Vysocany systematisch bombardiert. Hier befanden sich Fabriken, in denen Kriegsmaterial für die Deutschen hergestellt wurde. Über 350 Menschen starben bei jenem Luftangriff. Dutzende von Fabriken wurden getroffen.
Noch heute erkennt man an vielen Orten Prags die einstigen Bombenschäden. Am markantesten sind die beiden neuen, in den 60er Jahren errichteten Kirchtürme des Emaus-Klosters.