„Die Dorfkomtesse“: Musikakademie Theresienstadt führt Operette einer vergessenen Komponistin auf

Ensemble mit Leiter Kai Müller

Das tschechisch-deutsche Projekt Musica non grata möchte jenen Komponisten eine Stimme geben, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden. Die Musikakademie Theresienstadt befasst sich genauer mit all jenen Musikern, die eine Verbindung mit dem Konzentrationslager haben. Bei den Aufführungen der Akademie stand diesmal die jüdische Komponistin Rachel Danzinger van Embden im Fokus. Über sie haben wir bereits berichtet. Am vergangenen Donnerstag fand ein Konzert in der deutschen Botschaft in Prag statt.

Kai Hinrich Müller | Foto: Musica non grata

„Die Dorfkomtesse“ feierte ihre Premiere 1910, wurde dann aber von den Nazis verboten, denn die Komponistin Rachel Danzinger van Embden war Jüdin. Obwohl sie verfolgt wurde, konnte sie aber vermutlich fliehen. Darauf deuten Recherchen von Musica non grata hin. Kai Hinrich Müller leitet die Musikakademie Theresienstadt und hat sich mit Danzinger und ihrer Operette intensiv beschäftigt:

„Ich bin der Überzeugung, dass, wenn man ein Musikstück wirklich verstehen will, man sich mit der Person hinter der Musik befassen muss. Um den Inhalt richtig zu interpretieren, muss man die Person und den zeitlichen Kontext kennen. Dazu gehören auch Anspielungen im Text, die in den Genres Oper und Operette sehr bedeutsam sein können. Die Musik kann man aufführen, ohne zu wissen, wer Rachel Danzinger war und dass sie ein Opfer des Holocausts wurde. Dennoch finde ich, dass der Kontext immer zur Musik gehört und andersherum.“

Der Kuppelsaal der deutschen Botschaft | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Vom Nationalsozialismus verfolgte Musiker und Musikerinnen sind das zentrale Thema des Projekts Musica non grata. Dabei geht es um jene tschechisch-deutschen Künstler, die in der Zeit zwischen den Weltkriegen lebten und aus unterschiedlichen Gründen von Nationalsozialisten verfolgt wurden. In Rachel Danzingers Fall war es ihre jüdische Herkunft. Sie wuchs in Amsterdam in einer Kaufmannsfamilie auf. Nach ihrer Hochzeit zog sie mit ihrem Mann nach Berlin, wo sie Operetten und Opern sowie Filmmusik komponierte. Kai Müller darüber, was seine Recherchen weiter ergeben haben:

„Dann wurde ihre gesamte Familie Opfer des Holocausts. Zwei ihrer Töchter wurden nach Theresienstadt deportiert, eine weiter nach Auschwitz, wo diese dann auch starb. Eine weitere Tochter kam ins Vernichtungslager Sobibor. Unsere Recherchen lassen vermuten, dass ihr zusammen mit einer vierten, deutlich jüngeren Tochter die Flucht nach Großbritannien gelang.“

Zu ihrer aktiven Zeit soll Danzinger eine bekannte Komponistin, besonders für Operetten gewesen sein. „Die Dorfkomtesse“ war ihre erste Operette und laut Andreas Künne, dem deutschen Botschafter in Prag, war sie im Jahr 1910 die erste Operette einer weiblichen Komponistin überhaupt. Thematisch ist das zweistündige Stück unbeschwert und handelt von der Liebe sowie viel romantischem Durcheinander. Die Hauptperson ist ein Erbprinz, der möglichst schnell eine Prinzessin heiraten muss, weil er ansonsten nicht König werden kann. Auf der Suche nach einer Prinzessin sucht er unter anderem in einem kleinen Dorf.

Andreas Künne - deutscher Botschafter | Foto: Deutsche Botschaft Prag

„Und dort ist eine Prinzessin. Jedoch weiß niemand, dass sie eine Prinzessin ist, denn sie gibt sich als Dorfkomtesse aus. All das tut sie, um den Prinzen zu testen, ob er es auch wirklich ernst meint oder sie nur wegen ihres Standes heiraten will. Dann gibt es noch einige andere Figuren, die alle kleinere Affären miteinander haben. Am Ende kommen dann der Prinz und die Prinzessin zusammen und die anderen Paare auch – ein echtes Happy End“, erzählt Müller.

Die Musikakademie Theresienstadt hat die Operette am 17.08. in einer auf 45 Minuten gekürzten Version in der Deutschen Botschaft in Prag aufgeführt. Statt einer ursprünglichen Orchesterbegleitung, war hier nur ein Klavier dabei. Der Gesangsstudent Bálint Németh spielt und singt die Hauptperson des Prinzen und schwärmt von dem Kuppelsaal der Botschaft:

„Die Räume sind wahnsinnig schön, besonders der Saal, in dem der Auftritt stattfindet. Dort steht zudem ein sehr gutes Klavier. Diese Umgebung zu haben, bringt uns Künstlern wirklich viel, und wenn dann noch ein gutes Publikum dabei ist, dann ist das etwas ganz Besonderes.“

Kai Müller möchte sich noch etwas mehr mit der fast vergessenen Komponistin Rachel Danzinger beschäftigen. Der Leiter der Musikakademie Theresienstadt wünscht sich zudem, dass Danzingers Werke mehr Aufmerksamkeit bekommen. Er wäre froh, wenn seine Recherche und Aufführungen wie diese in der Deutschen Botschaft auch Opernhäuser dazu bringen, Danzingers Werke kennenzulernen und aufzuführen.

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