Die gestohlenen Bibeln aus Olmütz – in Deutschland gefunden und nun ausgestellt
Fast ein Vierteljahrhundert lang galten sie als gestohlen: sieben Bände einer wertvollen Bibel aus dem 17. Jahrhundert von der Wissenschaftlichen Bibliothek im mährischen Olomouc / Olmütz. Doch ein Historiker entdeckte sie zufällig in einem Katalog eines Antiquariats aus Deutschland. Und nun sind die seltenen Stücke zurück und in einer Kurzausstellung zu sehen.
Im Jahr 1996 wurde die Wissenschaftliche Bibliothek in Olmütz restauriert. Einer der Arbeiter, so viel weiß man, stahl dabei sieben Bände der sogenannten Pariser Polyglotte, einer mehrsprachigen Bibel-Ausgabe aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Bis zum Frühling dieses Jahres galten die Bücher als verschollen. Dann machte der Historiker der Wissenschaftlichen Bibliothek, Jiří Glonek, im Internet einen interessanten Fund:
„Die Bände habe ich zufällig auf der Website eines deutschen Antiquariats entdeckt. Es handelt sich um eines der größten und renommiertesten Antiquariate in Deutschland oder überhaupt in den deutschsprachigen Ländern. Mir fiel auf, dass die Bücher Ähnlichkeiten haben mit denen aus Olmütz. Auffällig war dies beim Einband, dessen Gestaltung ich von den Prämonstratensern aus Hradec Králové kannte. Vor allem aber befand sich auf einem der Buchrücken ein Etikett der alten Signatur, die nicht entfernt worden war. Dies führte mich zu dem Gedanken, dass die Bücher etwas mit Olmütz zu tun haben könnten.“
Auf Webseiten wiederentdeckt
Glonek meldete seine Entdeckung umgehend an die zuständigen Stellen in seinem Haus. Miloš Korhoň verwaltet dort die entsprechenden Bestände:
„Wir haben darauf das deutsche Antiquariat kontaktiert, das die Bände verkaufen wollte. Wir schrieben den dortigen Mitarbeitern, dass dies wahrscheinlich gestohlene Bücher seien und wir sie gerne zurückerhalten würden. Sie reagierten relativ schnell und sicherten zu, die Bücher aus der Auktion herauszunehmen.“
Dabei half die Coronavirus-Pandemie…
„Eigentlich sollte die Auktion schon am folgenden Tag stattfinden. Wegen der Coronakrise wurde sie aber um eine Woche verschoben“, schildert Glonek.
Letztlich kaufte die Bibliothek die gestohlenen Bände für 1300 Euro zurück. Dabei hatte der Ausrufpreis der Versteigerung bei 4000 Euro gelegen. Historiker Glonek meint, dass es deutliches Interesse gegeben habe in Deutschland am Kauf der wertvollen Bücher:
„Der Antiquar Rais, ein Fachmann auf dem Gebiet, meinte, dass sich die Bücher ohne Probleme zu einem weit höheren Preis als dem ausgerufenen verkauft hätten. Die Bände sind nicht so sehr für ein breites Publikum interessant, sondern eher für Spezialisten, die zum Beispiel Ausgaben der Bibel oder besonders großformatige Bände sammeln.“
Die Bücher sind etwa einen halben Meter hoch und wiegen jeweils sieben Kilogramm. Mit der Rückkehr der sieben gestohlenen Stücke ist die Pariser Polyglotte wieder komplett. Sie besteht aus insgesamt zehn Bänden, die zwischen 1629 und 1645 verfasst wurden. Insgesamt war diese Polyglotte das dritte Unternehmen, eine vielsprachige Bibel herauszubringen. Die Vorläufer sind die Complutensische Polyglotte und die „Antwerpener Bibel“.
Die wissenschaftliche Leitung bei der Pariser Polyglotte hatte damals der Oratorianer Jean Morinus. Er stützte sich im Wesentlichen auf die Antwerpener Bibel mit hebräischen, chaldäischen, griechischen und lateinischen Texten. Ergänzend fügte er aber noch den samaritanischen Pentateuch, eine syrische Übersetzung des Alten Testaments (Peschitta) sowie eine arabische Version hinzu. Damit ist die Pariser Polyglotte in sieben Sprachen verfasst. Da jedoch dieser Druck viele Fehler aufweist und keine textkritischen Anmerkungen besitzt, wird er etwas weniger geschätzt als die anderen Polyglotten.
Polyglotte in sieben Sprachen
Für diese Zusammenhänge begann man sich nach der Entdeckung der verschwundenen sieben Bände auch wieder in Olmütz zu interessieren.
„Als wir mehr Informationen über die Bibel suchten, stießen wir darauf, dass es noch weitere Polyglotte gibt. So etwa die ältere Antwerpener Bibel, die eine große Rarität ist, auch weil ein Teil der Auflage in den Fluten des Atlantiks verschwand, als sie vom Ort des Druckes in den Niederlanden nach Spanien verschifft wurde. Gerade auf der Iberischen Halbinsel bestand die größte Nachfrage nach dieser Bibel. Es gibt aber auch eine Ausgabe, die auf die Pariser Polyglotte folgte – nämlich die Londoner Polyglotte. An ihrer Ausschmückung hat sich unter anderem der böhmische Zeichner Václav Hollar beteiligt“, sagt Jiří Glonek.
Die jetzige Ausstellung wurde am vergangenen Sonntag unter den Augen von Kulturminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) eröffnet. Die Schau dauert allerdings nur bis zum kommenden Sonntag. Zu sehen sind die zehn Bände der kompletten Polyglotte im Heimatkundlichen Museum von Olmütz.
Daneben wird noch ein weiterer wertvoller Druck ausgestellt: Es ist ein Plan von der Belagerung der Stadt durch die preußische Armee. Der Originaltitel lautet, Zitat: „Entwurff der Stadt Olmütz. Wie solche Anno 1758 von Friederico den II. König in Preussen gewaltsam bombartiret und dennoch nicht erobert worden“. Den Plan hat das Museum erst in diesem Jahr erworben. Filip Hradil hat die Ausstellung kuratiert:
„Bisher war keine der entsprechenden Institutionen in Olmütz im Besitz eines solchen Plans. Zudem haben wir herausgefunden, dass nur die naturwissenschaftliche Fakultät der Prager Karlsuniversität ein ähnliches Exemplar in ihren Sammlungen hat. Damit ist es wohl das zweite Exemplar auf tschechischem Boden. Interessant an dem Plan ist, dass er die Art und Weise der Belagerung von 1758 zeigt. Dies tun zwar auch weitere Pläne, aber er ist besonders schön gefertigt und koloriert. Er stammt aus dem Atelier des Prager Kupferstechers Ignaz Salzer.“
Das Heimatkundliche Museum in Olmütz konnte den Plan von einem amerikanischen Anbieter erstehen, wie der Fachmann für europäische Geschichte der frühen Neuzeit weiter ausführt:
„Im vergangenen Herbst wurden wir vom Bohemisten Jiří Fiala kontaktiert, der diesen Plan im Angebot eines US-amerikanischen Antiquariats gefunden hatte. Er sagte uns, dass dies eine interessante Sache sei, und fragte, ob wir den Plan nicht kaufen wollten. Wir haben gleich nachgeprüft und herausgefunden, dass wir Ähnliches noch nicht in unseren Sammlungen haben. Wir mussten dann relativ schnell den Anbieter kontaktieren. Es war keine Versteigerung, sondern ein Online-Verkauf. Wir haben dann abgesprochen, wie der Erwerb und die Übergabe ablaufen sollen, weil wir den Kauf nicht so schnell per Internet tätigen konnten.“
Im Übrigen war die Belagerung durch die preußischen Truppen vor gut 250 Jahren für Olmütz ein durchaus bemerkenswertes Ereignis. Wie schon aus dem Originaltitel hervorgeht, konnte die Stadt damals den Ansturm abwehren…
„Die Festung hielt letztlich stand. Dabei fehlte nicht viel, und sie wäre wohl doch noch gefallen. Wie auch immer, dies war ein großer Erfolg, der dann auch in der gesamten Habsburger Monarchie gefeiert wurde. Selbst der Kaiserhof erinnerte in unterschiedlichen Formen daran, etwa durch die Prägung spezieller Münzen“, so Hradil, der auch Fachmann für Numismatik ist.