Die große Ärztewanderung - Tschechen gehen, Slowaken kommen.

Fast die Hälfte der tschechischen Ärzte erwägt, ins Ausland zu gehen. Das hat eine Studie ergeben, die das "Forschungsinstitut für Arbeit und Soziales" herausgegeben hat. Gleichzeitig meldete am Mittwoch die Tageszeitung Hospodarske Noviny einen enormen Zustrom slowakischer Ärzte nach Tschechien.

Ausländische Ärzte, die in Tschechien heilen wollen, kommen vor allem aus der Sklowakei. Rund 300 sind es jährlich. Ungefähr 400 tschechische Ärzte wiederum wandern jedes Jahr ins Ausland ab. Damit sind die Gefahren für das Gesundheitswesen auch schon angedeutet. Die meisten tschechischen Ärzte mit Auswanderungsplänen haben Großbritannien oder Deutschland im Visier. Es ist die bessere Bezahlung, die sie dorthin zieht. Die praktische Ärztin Alexandra Horakova schildert das Problem aus ihrer Sicht:

"Die Gehälter der jungen Ärzte, aber auch die der Krankenhausärzte allgemein sind in der Tat niedrig. Ich wundere mich nicht, dass viele ins Ausland gehen wollen. Die Gehälter der Krankenhausärzte sind so niedrig, dass viele Probleme haben, eine Familie zu gründen und zu versorgen - mit allem, was dazu gehört. Dadurch wiederum haben sie kaum die Möglichkeit die permanent erforderliche Weiterbildung zu bewerkstelligen. Um das alles finanziell zu stemmen, versuchen die Ärzte im Krankenhaus so viele Überstunden zu machen wie möglich."

Die Tageszeitung "Pravo" meldete am Mittwoch, dass tschechische Ärzte zweimal mehr verdienen als der Durchschnitt. Alexandra Horakova schüttelt ärgerlich den Kopf:

"Das stört mich besonders an der Presse: Die Journalisten geben die Gehälter der Ärzte immer inklusive der Sonderzahlungen für Überstunden, Nacht- und Wochenenddienste an. So entsteht dann das Bild und die Bewertung unserer Arbeit in der Öffentlichkeit."

Im Extremfall hat Alexandra Horakova während ihrer Zeit als Krankenhausärztin das ganze Wochenende in der Klinik verbracht.

"Ich bin am Samstagmorgen ins Krankenhaus gekommen und erst am Montagnachmittag wieder gegangen. Ein Arzt arbeitet also nicht 170 bis 180 Stunden monatlich, sondern bis zu 300 Stunden. Und das ist dann die Grundlage für die Gehaltsangaben in den Medien."

Was für den einen schlecht ist, muss es für den anderen noch lange nicht sein. 1300 slowakische Ärzte sind in tschechischen Krankenhäusern tätig. Wenn sie in die Slowakei zurückgingen, so der Präsident der tschechischen Ärztekammer, Milan Kubek, könnten in einer Reihe von Krankenhäusern einige Abteilungen komplett dicht machen.

Deutsche Ärzte klagen oft über ähnliche Probleme wie ihre tschechischen Kollegen und wandern zum Beispiel nach Skandinavien aus. Die große Völkerwanderung der Götter in Weiß scheint in vollem Gange: Deutsche nach Skandinavien, Tschechen nach Deutschland und Slowaken nach Tschechien. Bald werden wohl bulgarische, rumänische oder auch ukrainische Ärzte ihre sieben OP-Sachen packen, um die slowakischen Ärzte zu ersetzen. Denn die sind ja in Tschechien.