Die nächste Generation ans Ruder lassen: Drei Jahre Fridays for Future in Tschechien
Am Dienstag war es genau drei Jahre her, dass in Tschechien der erste Schülerstreik für das Klima stattfand. Mit ihm trat Anfang 2019 auch der hiesige Ableger der Bewegung Fridays for Future (FFF) in Erscheinung. Ihre Aktivitäten, die nicht zuletzt aus Demonstrationen und Happenings im öffentlichen Raum bestehen, wurden durch die Corona-Pandemie und Kontakteinschränkungen jäh unterbrochen. Die Zeit sei aber zur Konsolidierung der inneren Strukturen genutzt worden, sagt Petr Doubravský im Gespräch mit Radio Prag International. Er ist einer der Mitbegründer der tschechischen Fridays for Future. Und obwohl er sein Erbe bereits an eine jüngere Generation abzugeben gedenkt, berichtete er uns noch von den Plänen der Bewegung in diesem Jahr.
Am 15. März 2019 nahmen auch Schüler und Studenten in Tschechien am ersten globalen Klimastreik teil. 2000 junge Menschen versammelten sich allein auf dem Prager Altstädter Ring. Petr Doubravský erinnert sich an diese Anfangszeiten:
„Als wir Fridays for Future 2019 gegründet haben, hatten wir wenig Ahnung von allem. Wir waren eine Bande von ein paar Dutzend Schülern, und die meisten traten damit zum ersten Mal in Aktion. Seitdem haben wir uns aber weiterentwickelt. Heute sind viel mehr Leute eingebunden, und wir sind erfahrene und gute Aktivistinnen und Aktivisten.“
Fridays for Future geht zurück auf eine Initiative der schwedischen Gymnasiastin Greta Thunberg. Mit ihren Schulstreiks machte sie auf den Klimawandel aufmerksam und setzt sich seitdem für die politische Lösung von dessen Folgen ein. Die Forderung, die Erderwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, wird inzwischen von einer globalen Bewegung vertreten.
Für den tschechischen Ableger von Fridays for Future habe man sich aus den umliegenden europäischen Ländern inspirieren lassen, sagt Doubravský. Die Erfahrungen aus dem Ausland hätten sich aber hierzulande nicht einfach so kopieren lassen:
„Denn Tschechien ist als Land des ehemaligen Ostblocks schon speziell. Dies zeigt sich in der Haltung der Menschen – auch der jüngeren – gegenüber gesellschaftlichem Engagement. In den letzten Jahren findet hier zwar eine langsame Veränderung statt, wir sind aber in der Öffentlichkeit auf viel größeren Widerstand gestoßen als etwa die deutsche Bewegung.“
Tschechisches Spezifikum: Fridays for Future ist eine Schülerbewegung
Es sei offensichtlich, dass die Bevölkerung in Tschechien viel weniger Erfahrungen mit aktivistischen Bewegungen hat als die in Deutschland, fährt Doubravský fort:
„Dort ist es üblich, dass sich Leute schon mit etwa 15 Jahren verschiedenen Gruppen anschließen, seien dies die Jugendorganisationen von politischen Parteien oder auch von gemeinnützigen Initiativen. In Tschechien haben wir keine solche Kultur. Obwohl Deutschland für Fridays for Future eine gewisse Inspiration war, mussten wir unsere Bewegung doch nach den tschechischen Bedingungen aufbauen und dem hiesigen Kontext anpassen.“
Für tschechische Verhältnisse ist Petr Doubravský, der sich als ehemaliges Mitglied der Jungen Grünen frühzeitig politisierte, selbst eher eine Ausnahme. 2001 geboren, gehört er bei Fridays for Future im Prinzip schon zum alten Eisen. Am Zug seien nun jüngere Mitstreiter, meint er:
„Im Unterschied zu den Bewegungen in anderen Ländern haben wir uns von Anfang an als Schülerorganisation definiert und auch so genannt. Bei uns engagieren sich Leute bis zu einem Alter von etwa 18, maximal 20 Jahren. Darum befinden wir uns aktuell in einem Prozess, in dem die erste Generation – zu der ich selbst gehöre – die Organisation schon verlässt und die Dinge an die jüngere Generation weitergibt.“
Entsprechend waren die Demonstrationen, die Fridays for Future in Tschechien bisher durchgeführt hat, von Teilnehmern im Teenager-Alter geprägt. Unterstützung gibt es aber auch aus der Erwachsenenwelt. Schon anlässlich des ersten Klimastreiks 2019 hatten rund 100 tschechische Wissenschaftler eine Erklärung unterschrieben, in der die Forderungen der jungen Leute unterstützt wurden.
Für die Bewegung habe die Altersbegrenzung aber gewisse Vorteile, erläutert Doubravský:
„Zum einen entstehen keine Hierarchien aufgrund des Alters. Und ebenso wenig dadurch, dass Hochschulstudenten oft mehr Erfahrungen und auch Zeit haben, sich für etwas zu engagieren. Zum anderen gibt Fridays for Future jungen Leuten die Möglichkeit, aus Anfangsfehlern zu lernen. Sie haben hier den Raum, diese Fehler machen zu können.“
Nach nur einem Jahr des ersten Ausprobierens und einer zunehmenden öffentlichen Präsenz durch wiederholte Klimastreiks wurden die jungen Aktivisten von der Corona-Epidemie abrupt ausgebremst. Doubravský resümiert, dass die tschechische Bewegung zwar die Zeit der Lockdowns besser überstanden habe, als die Verbündeten in anderen Ländern. Dennoch seien die Folgen immer noch zu spüren. Und man gehe in den einzelnen Gruppen sehr sensibel mit der Pandemiesituation um, so der einstige Mitbegründer:
„Alles Schlechte hat auch sein Gutes. Wir konnten zwar auf einmal keine Veranstaltungen mehr organisieren. Aber gleichzeitig hatten wir sowieso schon einen Punkt erreicht, an dem viele interne Fragen geklärt werden mussten. Nach der Theorie der sozialen Bewegung folgt nach dem Anfangsmoment bald eine Etappe, in der man sich der inneren Organisationsstruktur widmen muss. In diesem Hinblick hat uns die Pandemie etwas Zeit zum Nachdenken geschenkt.“
Aktiv in Flüchtlingshilfe
Inzwischen sei die innere Aufstellung klarer und effektiver. Zudem wurde die Corona-Zeit zur Weiterbildung und Teilnahme an Workshops genutzt, ergänzt der Aktivist. Ansonsten mache die zunehmende Online-Kommunikation der jungen Generation erwartungsgemäß wenig Probleme und habe unter den Mitgliedern der Bewegung eher als Antrieb gewirkt, meint Doubravský.
Tatsächlich spielt sich die Kontaktaufnahme mit neuen Mitstreitern weiterhin über Videotelefonate ab. Auf der Facebook-Seite von Fridays for Future wird regelmäßig dazu aufgerufen, sich an den Online-Treffen zu beteiligen, die zwei- bis dreimal im Monat stattfinden. Momentan gebe es etwa 400 Personen, die sich aktiv informieren oder an Aktionen teilnehmen, berichtet Doubravský. Und dies auch zu Pandemiebedingungen:
„Wir haben natürlich in den letzten zwei Jahren auch nach Wegen gesucht, in der Zeit der Einschränkungen trotzdem Aktionen durchzuführen. Als etwa die Kohlekommission getagt hat, haben wir drei Wochen lang in der Kälte vor dem Umweltministerium gecampt.“
Weitere Aktivitäten galten im vergangenen Jahr den Aktionstagen gegen eine Versicherung der Kohleindustrie oder einer Zeugnisübergabe für die im Parlament vertretenen Parteien zum Ende des Schuljahres. Mitten im Wahlkampf zu den Abgeordnetenhauswahlen Anfang Oktober organisierte Fridays for Future außerdem einen erneuten Klimastreik sowie eine Diskussionsrunde mit verschiedenen Parteivorsitzenden.
Aktuell sind Mitglieder der Organisation auch in der Flüchtlingshilfe aktiv. Gleich nach Beginn des Krieges in der Ukraine schloss sich die Klimabewegung dem Aufruf „Stojíme za Ukrajinou“ (Wir stehen hinter der Ukraine) an und stellte eine Rednerin auf der großen Demonstration am 27. Februar auf dem Prager Wenzelsplatz.
Dauerthema Kohle
Nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen soll in den kommenden Wochen nun der innere Zusammenhalt wiederhergestellt werden, sagt Doubravský:
„Im Frühjahr werden wir die einzelnen Regionen Tschechiens besuchen. Viele Beziehungen auf lokaler Ebene sind in Folge der Pandemie eingeschlafen, weil sich die Menschen eben nicht treffen konnten. Wir wollen jetzt alle Kreisstädte abfahren und dort mit den Leuten über die Zukunft der Klimabewegung diskutieren. Denn auch die Mitglieder der älteren Generation, die nun langsam aufhören wollen, stellen sich die Frage, wohin ihr Weg führen kann.“
Das Dauerthema für Fridays for Future in Tschechien wird dabei die Kohle bleiben. Aktuelle Entwicklungen hat die Bewegung auch in den vergangenen Monaten kommentiert. Der kürzlich abgeschlossene tschechisch-polnische Vertrag zum Braunkohletagebau Turów wird auf der Facebook-Seite etwa als unzulänglich und veraltet kritisiert.
Noch hat die Regierung von Premier Petr Fiala (Bürgerdemokraten) kein konkretes Klimakonzept vorgelegt, das dem europäischen Green Deal und der Strategie „Fit for 55“ entsprechen würde. Darum warte man auch bei Fridays for Future noch ab, wie sich die politische Führung zu diesen Fragen positionieren wird, bemerkt Petr Doubravský:
„Das Kabinett hat bereits eine Reihe von Themen auf den Tisch gebracht. Dazu gehört etwa die Aufhebung der Preisermäßigungen für Fahrkarten, der wir kritisch gegenüberstehen. Laut Regierungsprogramm soll es zudem in den kommenden zwei Jahren eine Überprüfung des staatlichen Energiekonzepts geben, die für die Klimathemen sehr wichtig sein wird. Es gibt für uns also viele Herausforderungen.“