Die Rolle der tschechischen Medien während der jüngsten Regierungskrise
In dieser Sendung werden wir noch einmal auf das wichtigste innenpolitische Thema der vergangenen Monate, nämlich die Krise der tschechischen Regierungskoalition eingehen, die - wie Sie vielleicht bereits der einen oder anderen Sendung von Radio Prag entnommen haben - zu Wochenbeginn beendet wurde.
Doch nun aber zu den versprochenen Kommentaren.
Das, was sich in der tschechischen Politik zu Beginn der abgelaufenen Wochen abgespielt hat, kann - ohne große Übertreibung - in mehrfacher Hinsicht als eine kleine Revolution bezeichnet werden. Ministerpräsident Stanislav Gross, der seit Wochen wegen einer Reihe von Affären unter Beschuss der Medien stand, ist zurückgetreten und hat somit den Weg für die Beendigung der lang dauernden politischen Krise frei gemacht. Auch für Gross persönlich war das sicherlich eine wichtige Zäsur, da er seit mehr als zehn Jahren ununterbrochen in der hohen Politik tätig war und nun, da er schon vor einiger Zeit sein Abgeordnetenmandat niederlegte, ohne ein wichtiges politisches Amt dasteht. Formell ist zwar Gross nach wie vor Chef der Sozialdemokraten und wird höchstwahrscheinlich versuchen, weiterhin hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen, aber es ist noch unklar, in wie weit sich sein Nachfolger im Amt des Regierungschefs, Jirí Paroubek, reinreden lassen wird.Die Regierungsmannschaft, die gleichzeitig mit Paroubek ernannt wurde, hat jedenfalls bei den tschechischen Kommentatoren wenig Beifall ausgelöst. Dazu fanden wir in der auflagestarken tschechischen Tageszeigung Mlada fronta Dnes einen Meinungsartikel von Jana Bendova. Zitat:
"Zur neuen Regierung fällt einem der Witz über die gute und die schlechte Nachricht ein. Die gute: Stanislav Gross ist zurückgetreten. Die schlechte: Jirí Paroubek kommt. In den kommenden 14 Monaten bis zu den Wahlen darf man von dessen Mannschaft keine Überraschungen erwarten. Der neue Regierungschef hat bereits angedeutet, er wolle in erster Linie populäre Entscheidungen treffen, wie etwa eine Herabsetzung der Einkommenssteuer durchsetzen, von notwendigen Einsparungen, oder der Reform der Rentensysteme redet er jedoch nicht. Dadurch setzt das neue Kabinett die Tradition der Vorgängerregierungen fort und erweckt somit den Eindruck lediglich einen wieder aufgewärmten Brei verkaufen zu wollen."Der neue tschechische Premier Jiri Paroubek wird aber auch noch auf einem anderen Feld gleich zu Beginn gefordert sein. Einige Mitglieder seiner sozialdemokratischen Parlamentsfraktion scheinen im zunehmenden Maße ein Eigenleben zu entwickeln und wollen bei der Vertrauensabstimmung im Parlament der Regierung die Gefolgschaft verweigern. Angeführt wird diese ungefähr fünf Mitglieder zählende Gruppe von Ex-Außenminister Jan Kavan und dem Chef des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, Vladimir Lastuvka. Beide fordern einen größeren Einfluss ihrer Partei auf die Außenpolitik des Landes.
Der Kommentator Pavel Masa bezeichnete in der Lidove noviny die beiden rebellierenden Abgeordneten als einen Wächterrat, der gemäß dem iranischen Vorbild über die Reinheit der sozialdemokratischen Außenpolitik wacht und sich somit eine Rolle anmaßt, die ihnen - so der Kommentator - nicht zustehen würde. Im Weiteren schreibt dann der Autor:"Normalerweise halten sich die beiden Politiker eher zurück. Doch sie melden sich regelmäßig immer in Krisenzeiten zu Wort. Sie fallen dann ihrem Regierungschef in den Rücken, nehmen ihn als Geisel, um die eigene Position zu stärken. Vordergründig wird da immer Kritik am angeblich zu Amerika freundlichen Kurs des jetzigen Außenministers geäußert, was im heutigen Europa durchaus keinen Einzelfall darstellt. Was aber das tschechische Duo zu Extremisten macht, ist deren Missachtung für die üblichen politischen und verfassungstechnischen Mechanismen. Somit sind die beiden nicht nur zu Erpressern der eigenen Parteiführer geworden, sondern zu regelrechten Putschisten. Das Schlimme an dem Ganzen ist eigentlich, dass der neue Premier Paroubek auf die Forderungen Kavans und Lastuvkas eingegangen ist und sich somit erpressbar zeigte."
Nun kommen wir aber zum angekündigten zweiten Teil unserer Sendung. Die tschechischen Medien haben im Zusammenhang mit der Regierungskrise in den vergangenen Wochen eine sehr wichtige Rolle gespielt. Dabei ist nicht uninteressant, dass einige Politiker auf die starke medial Aufbereitung der Affären des früheren Regierungschefs äußerst scharf reagiert hatten und einmal eine Verschärfung des Pressegesetzes, ein anderes Mal wiederum einen stärkeren gesetzlichen Schutz für Mandatare und Regierungsmitglieder vor Enthüllungen der Medien forderten.
Sind also die heimischen Medien ihrem Anspruch "Wachhunde der Demokratie" sein zu wollen gerecht geworden? Darüber unterhielten wir uns im Folgenden mit Filip Rozanek vom Medienserver CeskaMedia.cz"Das ist eigentlich immer so, wenn Politiker Journalisten angreifen, die über sie irgendetwas Diskreditierendes herausgefunden haben. Ich würde sagen, dass die jüngste Regierungskrise, wenn ich das jetzt auf die Medien beziehen soll, vor allem das Verhältnis des Hauptakteurs der Krise, Stanislav Gross, gegenüber den Medien offenbart hat. Gross war zunächst ihr Liebling, über den sie unkritisch berichteten. Dadurch ist Gross vielleicht irgendwann zur trügerischen Ansicht gelangt, er hätte die Medien stets auf seiner Seite. Er glaubte eben, es würde reichen zu sagen, dass es nur seine persönliche Angelegenheit wäre, wie er zu dem Geld für seine Privatwohnung gekommen ist und meinte, die Medien würden sich damit zufrieden geben. In dem die Medien aber nicht locker ließen, glaube ich sagen zu können, dass sie in den vergangenen Wochen eine gute Figur machten. Dass das letztlich zu einer Regierungskrise und zum Rücktritt von Gross führte, war dann eine Folgeentwicklung. Die Journalisten haben eigentlich nichts anderes getan, als öffentlich immer wieder die gleichen Fragen gestellt und nach den unbekannten Fakten im Zusammenhang mit diesem Fall fragten."
Lässt sich als Folge der Affären von Stanislav Gross in naher Zukunft erwarten, dass die Medien in naher Zukunft eine weitaus größere Distanz zu den Politikern an den Tag legen werden, insbesondere zu denjenigen, die momentan auf der Beliebtheitsskala ganz oben rangieren? Dazu meint abschließend der Medienexperte Filip Rozanek:"Die Zeitungen, wie die Medien im allgemeinen, finden relativ regelmäßig jemanden, den sie zur politischen Ikone hoch stilisieren. Die Leser und Zuschauer bekommen dann über diese Persönlichkeiten fast alles serviert. In der Vergangenheit war das zum Beispiel der Fall des Reiseunternehmers und zeitweiligen Senators Vaclav Fischer, der unkritisch dargestellt wurde. Die Ernüchterung folgte dann, als Fischers Unternehmen Pleite ging und die Gerichtsvollzieher wegen dessen Schulden, das Eigentum pfänden sollten. Es gehört also zu den Gesetzmäßigkeiten der Massenmedien, die sich immer wieder auf der Suche nach solchen makellosen Persönlichkeiten befinden. Es ist ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis - die Medien brauchen die Politiker, die Politiker wiederum die Medien."