Die tschechische Industrie im Aufwind

Die tschechische Industrie befindet sich nach magereren Jahren in letzter Zeit wieder im Aufwind. Zeitungsmeldungen sprechen von höherem Export, besserer Arbeitsproduktivität und gesteigerter Konkurrenzfähigkeit. Anteil an dieser Entwicklung hat natürlich das Zugpferd der tschechischen Industrie, die Automobilfabrik Skoda Mlada Boleslav, aber auch Unternehmen, die noch vor nicht allzu langer Zeit negative Schlagzeilen machten, verzeichnen positive Entwicklungen.

Um 5.1 % ist die tschechische Industrieproduktion im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr gewachsen, ein gutes Zeichen, wenn man bedenkt, dass der Wachstumsindikator der Industrieproduktion immer ein Vorbote der allgemeinen Wachstumszahlen ist. Hauptmotor des Industriewachstums war der Export, doch auch bei der Inlandnachfrage konnte anziehende Tendenz festgestellt werden. Zieht man in Betracht, dass das Jahr 2000 gegenüber 1999 gar zwei Arbeitstage weniger hatte, so erreichte das Industriewachstum, um diesen Faktor bereinigt, gar 5.8%. Auch das ist allerdings noch wenig gemessen am Ziel Tschechiens, mittelfristig wirtschaftlich mit der westlichen Welt gleichzuziehen. Denn auch die Eurozone wächst - in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres um 4.4 %.

Nach Branchen aufgegliedert war im vergangenen Jahr die Produktion von Verkehrsmitteln am erfolgreichsten mit einer Zuwachsrate von 17.1 %. Man ist schon gewohnt, dass Erfolgsmeldungen in diesem Bereich meist auf das Konto des grössten und exportstärktsten Industriebetriebs des Landes gehen, den Automobilhersteller Skoda Mlada Boleslav. Dieser vermochte seine Verkäufe im Jahr 2000 um volle 13 % zu steigern, und zwar auf 435400 Einheiten, was das beste Ergebnis in der Firmengeschichte darstellt. Nach einer Pressemitteilung von Skoda Mlada Boleslav wurde auf den anspruchsvollen Automärkten Westeuropas eine Verkaufssteigerung von 19.2 % erzielt, womit die Stagnation oder gar der Rückgang des Absatzes in Zentral- und Osteuropa aufgefangen werden konnte. In Westeuropa fand mehr als die Hälfte der Skoda-jahresproduktion ihren Abnehmer, nämlich knapp 230 000 Einheiten. In Zentral- und Osteuropa waren es, der tschechische Inlandmarkt ausgenommen, rund 100 000 Einheiten, in Tschechien schliesslich 80800 Autos. Damit ist Skoda hierzulande weiterhin unbestrittener Marktführer mit einem Anteil von 52.7 %, was gegenüber 1999 einen Zuwachs um fast 3 % bedeutet.

Nur noch wenig hinter dem tschechischen Markt liegt allerdings nach Stückzahlen Deutschland, wo 65 000 Autos der marke Skoda abgesetzt werden konnten. Der Produzent aus Mlada Boleslav konnte in Deutschland seinen Marktanteil von 1.5 auf 1.9 % steigern. Nach Grossbritannien fanden 30 000 Skodas den Weg; dort entspricht dies gegenüber dem Vorjahr einem Verkaufszuwachs um volle 32 %. Italien, Österreich, Spanien und Frankreich liegen volumenmässig zwischen 23000 und 13000 Einheiten, und in Mitteleuropa ist - von Tschechien abgesehen - Polen der wichtigste Markt, und zwar mit fast 40 000 abgesetzten Einheiten. Eines noch höheren Marktanteils als in Tschechien erfreut sich Skoda in der Slowakei, mit 32 000 verkauften Einheiten dominiert der Hersteller aus Mlada Boleslav dort mit 57 %.

Nicht nur Skoda vermochte allerdings im letzten Jahr positiv zu überraschen, sondern auch frühere Sorgenkinder der tschechischen Industrie wie Skoda Pilsen, die dem Autohersteller in Mlada Boleslav nur dem Namen nach verwandte Maschinenfabrik, sowie der traditionsreiche, in den letzten Jahren aber notleidende LKW-Hersteller Tatra Koprivnice. Skoda Pilsen gelang es, einen Auftrag von 250 Trolleybussen für die Stadt San Francisco zu erhalten, und die Mehrheit der Fahrzeuge ist schon ausgeliefert. Und bei Tatra Koprivnice zeigen die Verkaufszahlen nach mageren Jahren wieder vorsichtig nach oben. 1632 verkaufte Einheiten sind zwar nicht viel, aber immerhin doch um 510 mehr als noch im Jahr zuvor.

Neben Skoda Mlada Boleslav entwickelt sich zusehends der deutsche Siemens-Konzern zu einem der wichtigsten Spieler in der tschechischen Industrie. Auch hier zeigen die Zahlen deutlich nach oben. 1999 erzielte Siemens mit seinen tschechischen Betrieben einen Umsatz von 26 Milliarden Kronen und erwirtschaftete einen Gewinn von 388 Millionen. Im Jahr 2000 stieg der Umsatz auf 32 Milliarden, der Gewinn gar noch steiler auf 877 Millionen. Den grössten Anteil an dieser Entwicklung hat die Tätigkeit von Siemens, des fünftgrössten Unternehmens in Europa, an der Mobilkommunikation. Siemens installierte das Netz für den dritten Mobilfunkbetreiber in Tschechien, die Gesellschaft Cesky mobil. Von den insgesamt rund 14 Milliarden Kronen, die Cesky mobil in seine Investitionen steckte, landete rund die hälfte beim deutschen Konzern. Ausserdem war Siemens an der Netzerweiterung für einen weiteren tschechischen Mobilfunkbetreiber, die Gesellschaft RadioMobil, beteiligt, und weitete auch seine übrigen Bereiche der Telekommunikation aus.

Dieser Sektor verzeichnete ein Wachstum von 29 %, wie der Firmensprecher von Siemens für die Tschechische Republik, Milos Adamek, gegenüber der Tageszeitung Mlada fronta dnes erklärte. In ähnlicher Höhe, nämlich bei 27 %, bewegte sich der Zuwachs auch im Segment Kabel und Elektronik, wo Siemens in der Tschechischen Republik an den zwei Produktionsstandorten Stribro in Westböhmen sowie Frenstat pod Radhostem in Nordostmähren tätig ist. Ebenfalls ein Wachstum in dieser Grössenordnung verzeichnete auch die Industriedivision von Siemens, die sich namentlich mit der Produktion von Elektromotoren und elektrischen Einrichtungen beschäftigt. Im Gespräch war Siemens in den letzten Monaten allerdings vor allem in anderem Zusammenhang.

Der Konzern gilt als ernsthafter Anwärter auf eine Übernahme des notleidenden Schienenfahrzeugherstellers CKD dopravni systemy, der sich im Konkurs befindet. Mit dem Konkursverwalter führt Siemens Gespräche über die Übernahmebedingungen, wobei die Konzernführung aber offensichtlich staatliche Garantien für gewisse Aufträge verlangt. Siemens ging im vergangenen Jahr als Sieger aus einer Ausschreibung für die Übernahme der Aktiva des bankrotten Unternehmens CKD dopravni systemy hervor und bot dafür die Summe von 750 Millionen Kronen. Laut Angaben aus dem Umkreis von Siemens und CKD sollen die Verhandlungen über einen Vorkaufsvertrag bis etwa Ende März abgeschlossen werden können, zum eingentlichen Kauf soll es dann im Sommer kommen. Kommt die Übernahme tatsächlich zustande, stärkt Siemens seine Position als einer der bedeutendsten Arbeitgeber in Tschechien. Schon heute beschäftigt der Konzern an seinen diversen Produktionsstandorten insgesamt 11 000 Personen.