Wiedererstarkt dank VW: der Autohersteller Škoda

Aus der Kleinstadt Mladá Boleslav / Jungbunzlau in Mittelböhmen werden die Autos des Herstellers in die ganze Welt exportiert. Die Rede ist von Škoda. Aber natürlich fertigt der Hersteller längst nicht mehr nur im Stammwerk oder in Tschechien, sondern auch an weiteren Standorten weltweit. Es handelt sich dem Umsatz nach um die größte tschechische Firma. Hervorgegangen ist sie aus einem kleinen Betrieb zur Herstellung von Fahrrädern.

Škoda Auto ist heute eine Weltmarke. Als Teil des Volkswagenkonzerns konnte der tschechische Hersteller ins 20. und 21. Jahrhundert transformiert werden. Das Stammwerk im mittelböhmischen Mladá Boleslav ist hoch technisiert. In den beiden dortigen Fabrikhallen verlassen täglich rund 3500 Fahrzeuge die Bänder. Marek Jancák leitet die Autofertigung bei Škoda:

Foto: Škoda Auto

„Die Fließbandproduktion bedeutet heutzutage Montagelinien. Diese Linien bewegen sich zusammen mit den Monteuren. Dadurch können sich die Angestellten auf einen bestimmten Arbeitsschritt spezialisieren. Das heißt, wir müssen das Personal nicht für die Fertigung des ganzen Autos ausbilden, es reicht, wenn sie einen Teil davon beherrschen. Und der Wagen kommt bei ihnen dafür auf dem Fließband an.“

Bedeutet das etwa, dass die Arbeiter wie in Charlie Chaplins Filmklassiker „Moderne Zeiten“ nur einige wenige Handgriffe beherrschen müssen?

„Theoretisch ja, aber in der Praxis machen wir das anders. Wir achten darauf, dass die Arbeit vielfältig ist – in Rücksicht auf die Gesundheit der Beschäftigten und abhängig von ihrer Erfahrung“, so Jancák.

Illustrationsfoto: Alexander Lesnitsky,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Im vergangenen Jahr hat Škoda auf diese Weise über 800.000 Autos produziert. Von seiner Wirtschaftskraft her ist der Autohersteller die wichtigste Firma in Tschechien und auch der größte Exporteur des Landes. Deswegen war es immens wichtig, dass ziemlich bald nach der politischen Wende der Volkswagen-Konzern einstieg. Damals ächzte das tschechische Traditionsunternehmen unter seiner Schuldenlast. Durch den Deal mit den Wolfsburgern von 1991 wurde eine neue Ära eingeläutet. Vor allem aber konnten der Firmenname und das Logo erhalten werden. Der zweite Interessent – Renault aus Frankreich – wollte genau dies nämlich nicht. Auch das habe für den deutschen Autobauer gesprochen, erinnerte sich Petr Pithart, der damalige tschechische Regierungsvorsitzende, im vergangenen Jahr:

Illustrationsfoto: Cesar Salazar,  Unsplash,  CC0 1.0 DEED

„Die Verhandlungen waren ziemlich dramatisch, auch wenn die Öffentlichkeit davon nichts erfahren hat. Zeitweilig drohten die Gespräche sogar zu scheitern. Wir bestanden darauf, dass in Mladá Boleslav nicht nur eine neue Montagehalle gebaut wird. Wir haben daher ausgehandelt, dass hierzulande auch das Herzstück der Autoherstellung, das Motorenwerk, entsteht. Denn mit dem Motorenwerk sind auch Entwicklung und Forschung verknüpft. Das bedeutete Beschäftigungsmöglichkeiten für mehrere Hundert oder sogar eintausend Menschen auf hohem Niveau. Das haben wir erreicht. Und es ist die einzige Garantie dafür, dass die Fabrik nicht eines Tages an einen Ort mit billigeren Arbeitskräften abwandert. Die Gespräche darüber waren aber sehr zäh.“

Unter den Flügeln des VW-Konzerns wurde die Entwicklung von Škoda zu einer Erfolgsgeschichte. Dabei hatte der Autohersteller auch schon früher einen klangvollen Namen – und das sowohl vor dem Zweiten Weltkrieg als auch danach.

Start der Massenproduktion

Bereits 1895 wurde in Mladá Boleslav der Vorläufer des späteren Autowerks gegründet. Es waren der Buchhändler Václav Klement und der Schlosser Václav Laurin, die den Betrieb ins Leben riefen. Zunächst montierte man Fahrräder, ab 1899 auch Motorräder, bevor man 1905 das erste Auto zusammenbaute. Ein Exemplar des ersten Wagentyps lässt sich etwa im Museum von Škoda bewundern. Es ist eine zweisitzige sogenannte Voiturette – also ein Modell, das noch an eine Kutsche erinnert. Michal Velebný leitet in dem Museum den Bereich Restaurierung und erläutert:

Foto: Archiv von Škoda Auto

„Dies war das erste serienmäßig gefertigte Auto aus Mladá Boleslav. Die ersten beiden Exemplare wurden 1905 hergestellt, ein Jahr später gingen sie dann in Serie. Wie der Name Voiturette sagt, handelte es sich zwar um einen sportlichen Kleinwagen, doch war er nicht so ergonomisch. Stattdessen hatte man einen guten Blick auf die Verkehrslage und eventuelle Hunde oder Kinder, die einem in den Weg laufen konnten.“

Emil Škoda  (Foto: Public Domain)

Im Ersten Weltkrieg geriet das Unternehmen von Klement und Laurin jedoch ins Strudeln. Als einzige Rettung sahen die beiden Gründer den Start der Massenproduktion. Dazu brauchten sie jedoch einen starken Partner, deswegen verkauften sie 1925 ihre Firma an den Maschinenbaukonzern Škoda. So entstand die neue Marke. Deren Name geht auf den Ingenieur Emil Ritter von Škoda aus Plzeň / Pilsen zurück. Dieser hatte 1869 eine bereits bestehende Fabrik in der westböhmischen Stadt übernommen und schrittweise zu einem großen Rüstungsbetrieb aufgebaut. Nach dem Ersten Weltkrieg wandten sich die Škoda-Werke stärker der zivilen Industrieproduktion zu.

Schon 1930 wurde die Autosparte jedoch ausgegliedert. So entstand die Automobilindustrie-Aktiengesellschaft Škoda.

Škoda Popular | Foto: Archiv von Škoda Auto

Der erste Wagen für die breite Masse wurde dann der Škoda Popular. Es war ein zweitüriger Kleinwagen, der in unterschiedlichen Versionen auf den Markt kam. Dieses Modell verhalf der Firma zum Aufstieg. Als dann im März 1939 die Deutschen in Böhmen und Mähren einmarschierten, warfen sie schon bald auch ein Auge auf den erfolgreichen Autohersteller. Im Zweiten Weltkrieg war das Unternehmen daher gezwungen, Kübel- und Geländewagen für die deutsche Wehrmacht zu fertigen.

Nur wenige Monate nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Škoda bereits verstaatlicht, also nicht erst nach der Machtübernahme durch die Kommunisten. Ab den 1950er Jahren liefen neue Modelle der Kompakt- und Mittelklasse vom Band.

Samtene Revolution und Kapitalismus

Škoda 1000 MB | Foto: Ralf Roletschek,  Wikimedia Commons,  CC BY 3.0

Eine wirkliche Neuheit wurden dann der Škoda MB 1000 beziehungsweise MB 1100. Denn diese waren die ersten Modelle mit Heckmotor und Heckantrieb. „MB“ stand dabei für das Stammwerk in Mladá Boleslav und die Zahl für die Hubraumgröße. Ab 1964 wurden Autos dieses Typs hergestellt und später als Škoda 100 oder 110 weitergeführt.

Škoda Favorit | Foto: Cherubino,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0 DEED

Erst aber in den 1980er Jahren machte sich die Führung des Staatsbetriebs daran, einen modernen Autotypen zu entwickeln: den Škoda Favorit. Er wurde 1987 auf der Automesse in Brno / Brünn vorgestellt. Es war ein kompakter Fünftürer mit Frontantrieb. Bei der Entwicklung halfen Hersteller aus anderen Teilen Europas und aus Japan. Allerdings verschlang dies viel Geld, und als der Konzern nach der politischen Wende auf Marktwirtschaft umgepolt werden musste, vertieften sich die wirtschaftlichen Probleme weiter. Wie erwähnt bedeutete der Einstieg von Volkswagen aber schon bald die Rettung.

Škoda Felicia | Foto: Pokrajac,  Wikimedia Commons,  public domain

Der erste Wagen in Zusammenarbeit mit VW wurde der Škoda Felicia. Sicher hatte auch er seine Schwächen, aber viele Menschen hierzulande haben dieses Modell immer noch sehr gern. So wie Michal Holeček, er ist Vorsitzender des sogenannten „Felicia Fun Clubs“ hierzulande.

„Das Auto war von Anfang an als günstiges Modell geplant, und die ganze Familie passte hinein. Zwar baute der Felicia auf dem Vorläufermodell Favorit auf, und die Karosserie beider ähnelte sich. Im Design machte man aber durch die Kooperation mit Volkswagen einen großen Satz nach vorne, genauso wie bei der Ausstattung und natürlich vor allem beim Motor“, sagte Holeček zum 20. Jubiläum des Felicia im Jahr 2016 in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Škoda Octavia | Foto: Škoda Auto

Mit dem Wagen jedenfalls konnte Škoda seine Krise überwinden. Das neue Modell wurde zum Exportschlager. Mitte der 1990er Jahre entstand jedoch eine neue Montagelinie am Stammwerk. Dort wurde mit dem Octavia das erste Modell gefertigt, das noch bis heute – wenn auch in modernisierter Form – hergestellt und weltweit verkauft wird. Der Octavia ist der bisher erfolgreichste Wagen aus Mladá Boleslav. Er lief schon weit über sieben Millionen Mal vom Band. Heute hat die mittlerweile 100-prozentige Volkswagen-Tochter insgesamt acht unterschiedliche Modelle im Angebot. Dazu gehören ebenso SUVs sowie ein Elektroauto.

Škoda Enyaq | Foto:  Škoda Auto

Außerdem ist das berühmte Logo des Herstellers – der Pfeil mit Flügeln – auch bei zahlreichen Sportveranstaltungen zu sehen. So sponsert Škoda die Eishockey-WM, seit 19 Jahren ist das Unternehmen zudem der Hauptpartner der Tour de France und stellt die offiziellen Etappenwagen. Damit ist die Firma auch zu ihren Anfängen zurückgekehrt, als man noch Fahrräder zusammenschraubte…

Škoda Enyaq iV als Regiewagen Auto bei der Tour de France | Foto: Škoda Auto
14
50.42440953431085
14.930156847506538
default
50.42440953431085
14.930156847506538
Škoda Auto Fabrik im Mladá Boleslav | Foto: Zdeněk Fiedler,  CC BY-SA 4.0 DEED
Autor: Till Janzer
schlüsselwörter:
abspielen

Verbunden