Dirigent Miloš Krejčí: 20 Jahre im deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck
Seit zwanzig Jahren ist sein Berufsleben mit dem deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländereck und mit der sächsischen Stadt Görlitz eng verknüpft. Der tschechische Dirigent Miloš Krejčí war von 1992 bis zum August vergangenen Jahres am dortigen Musiktheater engagiert. Daneben arbeitet er seit 2004 als künstlerischer Leiter des Projekts Europera, das dort vor zwanzig Jahren vom damaligen Intendanten des Musiktheaters, Dieter Ludwig, ins Leben gerufen wurde. Im Frühling hat das Jugendorchester Europera unter der Leitung von Miloš Krejčí in Prag sein Können präsentiert.
Sie sind seit zwanzig Jahren als Dirigent in Deutschland tätig. Wie führte Ihr Weg eigentlich dorthin?
„Man kann sagen, dass es schon ein bisschen Zufall gewesen ist. Ich habe damals mit einer Theatertruppe aus der Tschechischen Republik die Oper Troubadoure in Deutschland aufgeführt. Dabei hat mich Professor Ludwig gesehen und wir haben uns ein bisschen unterhalten. Danach sollte ich in einem Theater in Südböhmen als Chefdirigent antreten. Ich habe noch in Liberec Don Giovanni zur Premiere gebracht. Bei der Generalprobe saß Professor Ludwig wieder da und sagte mir, er sei auf dem Weg nach Brno, er wolle dort im Museum etwas über Janáček klären. Später rief er mit plötzlich an, er organisiere ein Projekt, ob es für mich nicht interessant wäre, an dieser Arbeit teilzunehmen. Ich habe gesagt, das klinge sehr interessant. Darauf hat er gefragt: ´Na ja, wann können Sie beginnen? Könnten Sie schon morgen?´ Ja gut, ok, habe ich geantwortet. Ich musste zunächst meine Pflichten hierzulande abbrechen. Alles konnte geklärt werden und am nächsten Tag war ich in Görlitz. Dort wurde damals ´Die verkaufte Braut´ einstudiert. Er sagte: ´Miloš, wer sollte das dirigieren, wenn nicht Sie?´ Es war am Anfang sehr interessant. Das Projekt Europera war ziemlich groß angelegt, viele wussten davon und Schirmherren waren der polnische Präsident und Václav Havel. Es gibt Briefe vom tschechischen Kulturminister, die ich noch irgendwo im Archiv habe, das war schön. Wissen Sie, wie das halt so im Leben ist: wenn das private Interesse über das allgemeine geht, gehen viele Sachen auch kaputt. Die Gefahr ist immer präsent und es ist halt auch bei Europera passiert. Nur dieses Europera Jugendorchester hat überlebt. Und ich hoffe, dass es auch weiter lebt, denn die jungen Leute haben die Kraft und das Temperament, es weiter zu führen.“
Können Sie das Orchester kurz vorstellen?
Das Orchester existiert seit 1992, die nächste Spielzeit ist also die 20. Jubiläumssaison. Im Jahr 1992 wurde ein Projekt namens Europera von Professor Dieter Ludwig, dem damaligen Intendanten des Musiktheaters in Görlitz, gegründet. Es war ein großes Projekt. Mit einem großen professionellen Orchester, einer Studentenphilharmonie und einem Jugendorchester beziehungsweise Musikschulorchester. Darin musizieren zusammen Kinder aus drei Ländern, aus Polen, Deutschland und der Tschechischen Republik. Das Orchester spielt jedes Jahr ein Programm. Es wird im Herbst, meistens während der Herbstferien, innerhalb von zehn Tagen eingeübt und dann gespielt. Weil es sich um eine regionale Angelegenheit handelt, spielen wir die ersten Konzerte meistens einmal in Deutschland, einmal in Polen und einmal in Tschechien, um das Repertoire vorzustellen. Dann treffen wir uns im Februar während der Ferien und wiederholen das Programm. Danach spielen wir nach Wunsch verschiedener Veranstalter, die Konzerte organisieren. Und im Sommer machen wir eine gemeinsame Sommerreise. Früher gingen diese Sommerreisen zu verschiedenen Festivals in Frankreich, Italien, England, wo wir mit Orchestern aus ganz Europa konfrontiert wurden. Zehn Tage lang haben wir zusammen musiziert. Alle Musiker, in Frankreich waren es zum Beispiel 650 Musiker, wurden in einen Sack geworfen und man hat aus ihnen vier Orchester zusammengestellt. Es wurde eine Woche lang geübt: ein Pole, ein Deutscher, ein Spanier, also verschiedene Nationen zusammen. Und zum Schluss gab es ein Konzert, jedes Orchester hat präsentiert, was es innerhalb einer Woche eingeübt hat. Natürlich haben wir auch unser Programm gespielt und es war eine phantastische Atmosphäre. Jetzt ist das mit den Fördergeldern ein bisschen anders und wir müssen aufpassen, weil meistens Sachen unterstützt werden, die in der Förderregion bleiben. Wenn wir über die Grenze fahren, so wie zum Beispiel jetzt nach Prag, müssen wir andere Möglichkeiten suchen, wie sich das finanzieren lässt. Für die Zukunft wäre zu überlegen, wie sich eine solche Sache weiter unterstützt lässt. Wir machen die Proben und die Arbeit in der Region, wir wollen etwas gestaltet, aber das wollen wir nicht nur in der Region zeigen. Wir sind stolz, dass das Orchester gut spielt und die Leistung bringt und natürlich wollen wir sie in Prag, Breslau oder Berlin präsentieren.“
Was ist für Sie als Dirigent an der Arbeit mit einem solchen Orchester das Besondere? Worin unterscheidet sich diese Arbeit von der Arbeit mit einem Profiorchester?„Es gibt natürlich Unterschiede. Zunächst ist sehr motivierend. Die jungen Leute wollen etwas schaffen. Wir haben natürlich Registerproben, zu denen Dozenten kommen, die mit den Kindern die Sachen technisch klären und vorbereiten. Das sind meistens Konzertmeister von der Neuen Lausitzer Philharmonie in Görlitz, wie Wasilij Tarabuko, der ehemalige Solobratscher der Tschechischen Philharmonie, Prof. Špelina oder der Trompeter aus der Tschechischen Philharmonie Miroslav Kejmar. Also das sind Spitzenmusiker, die wir ansprechen und die kommen. Für die Kinder ist es natürlichinteressant, jemanden, den sie aus den besten Orchestern kennen, zu sehen und mit ihm zu musizieren. Nach zwei drei Tagen beginnen wir die Arbeit, die gemeinsamen Proben. Natürlich ist der Unterschied auch, dass wir um 9 Uhr beginnen und bis 13 Uhr proben, natürlich mit kleinen Pausen. Dann ist Mittagspause und nachmittags geht es weiter bis um 19 Uhr. Professionelle Orchester haben Gewerkschaften, die so etwas nicht erlauben würden. Das ist auch ein Unterschied.“
Wie alt sind die Musiker, die in diesem Orchester spielen? Und wir werden sie ausgewählt.
„Das ist sehr unterschiedlich. Es gibt ganz kleine Kinder, die sehr begabt sind. Wir hatten auch einen zehnjährigen Musiker. Zehn, elf, zwölf Jahre sind keine Ausnahme. Bei Blasinstrumenten sind sie natürlich etwas älter, weil man etwas mehr Zeit braucht, auch physisch. Hornisten zum Beispiel sind meistens ein bisschen älter. Natürlich wollen die Kinder, wenn es ihnen gefällt, mehrere Jahre im Orchester bleiben, aber jedes Mitglied muss sich jedes Jahr erneut bewerben. Wenn man es gegen die Konkurrenz nicht schafft dann hat man halt Pech. Die Kinder wissen das, deswegen ist es eine große Motivation für sie, sich der Sache intensiv zu widmen. Es macht Sinn für sie, weil sie die Chance haben, in einem großen Symphonieorchester Werke zu spielen, die in den Musikschulorchestern nicht gespielt werden, weil die Schulen nicht die entsprechende Besetzung haben. In dem Sinne haben wir begonnen, den Kindern die Möglichkeit zu bieten, ein Repertoire anzugehen, das von einem großen Symphonieorchester gespielt wird. Das ist eine Chance für sie. Ich gebe mal ein Beispiel. Ich habe gerade in Zielona Góra / Grünberg in Polen gastiert und ein Konzert zu Beginn des Festivals Musik an der Oder dirigiert. Ich kam zur Probe und nach der ersten Stunde kamen in der Pause vier Musiker aus diesem Orchester zu mir und sagten: ´Herr Krejčí, ich habe als Fünfzehnjähriger im Europera Orchester gespielt, das war mein erstes Orchester. Ich habe Oboe gespielt.´ Und nun ist er ein Profi. Oder eine Geigerin und ein Waldhornist, die sagten: ´Herr Krejčí, wir kennen Sie, wir haben als Kinder mit Europera zusammen musiziert.´ Wenn so etwas gelingt, ist es doch ein Erfolg. Natürlich werden nicht alle Profimusiker, aber diejenigen, die das ausprobiert haben sind auch unser Konzertpublikum. Weil sie Ahnung haben, was das ist kommen sie auch ins Konzert. Ich finde es gut, dass es so etwas existiert.“