Doku: Miloš Forman im Interview über sich selbst

Miloš Forman (Foto: Zff2012, CC BY-SA 3.0)

Das deutschsprachige Filmfest läuft derzeit in Brno / Brünn. Zu sehen sind einige jener Streifen, die vor einer Woche bereits in Prag gezeigt worden. Dazu gehört auch die Doku „Life As It Is: Miloš Forman“. Das Besondere daran ist: Es tritt nur eine Person auf, nämlich der im April gestorbene Oscar-Regisseur Forman selbst. Robert Fischer hat dafür ein vierstündiges Interview mit dem tschechisch-amerikanischen Filmemacher bearbeitet. Das war im Jahr 2000 entstanden. Beim Publikum kam der Zusammenschnitt des Gesprächs sehr gut an. Im Folgenden ein Interview mit Regisseur Fischer nach der Vorstellung im Prager Kino Atlas.

Robert Fischer  (Foto: Kalligraf,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
Herr Fischer, Sie haben vor 18 Jahren dieses Interview mit Miloš Forman gemacht. Wie ist es damals dazu gekommen?

„Ich war genau am 1. Mai 2000 in New York. Dort habe ich vier Stunden lang mit Miloš Forman im Büro seines Agenten gesprochen. Das war eigentlich nur möglich, weil er sechs Wochen später beim Filmfest München mit einer kompletten Retrospektive geehrt wurde und einen Preis für sein Lebenswerk erhielt. Deswegen hat er mir solches Vertrauen geschenkt und mir so bereitwillig und so ausführlich über sein Leben und sein Werk erzählt.“

Was fasziniert Sie denn an Forman?

„Vieles natürlich, das ist schwer in ein paar Worte zu fassen. Vor allem ist da diese Leidenschaft, mit der er seine Filme gemacht hat. Das spürt man in jedem seiner Streifen. Und das spürt man auch, wenn er über sein Werk erzählt. Er ist ein großer Humanist gewesen, was man an seinen Figuren sieht und an der Art, wie er seine Geschichten erzählt. Sein Interesse galt nicht den Superstars, sondern den kleinen Leuten auf der Straße. Das kann man sagen, auch wenn Forman in der späten Phase seines Werkes einige biographische Filme über mehr oder weniger bekannte Persönlichkeiten gedreht hat. Diese Phase beginnt bei Mozart, wobei ihn da mehr Salieri interessiert. Einen Film über Mozart hätte er sicher nicht gemacht, aber eben einen aus den Augen Salieris schon. Oder aber Larry Flynt, der Herausgeber des Hustler-Magazins. Wahrscheinlich wäre niemand so schnell auf die Idee gekommen, gerade über ihn einen Film zu machen. Forman selbst hätte auch fast abgesagt. Doch er hat dann den Menschen dahinter und unsere eigenen Vorurteile gegenüber jemandem wie Larry Flynt in den Mittelpunkt gestellt. Ein weiteres Beispiel ist Andy Kaufman, den nicht viele Menschen kennen. Dass dieser amerikanische Komiker gerade eben kein Superstar war, hat ihn dabei interessiert.

„Seine Leidenschaft spürt man auch, wenn er über sein Werk erzählt.“

Und die frühen Filme von Forman?

„Anfangen muss man natürlich mit den tschechischen Filmen, seiner inoffiziellen Trilogie ‚Schwarzer Peter‘, ‚Liebe einer Blondine‘ und ‚Feuerwehrball‘, sowie den mittelkurzen Filme, die er davor gemacht hat – das ist Miloš Forman in Reinform. Mich fasziniert auch heute noch, dass er mit seinen frühen Filmen die tschechische Neue Welle mitgeprägt hat. Und wenn ich diese Streifen heute wieder sehe, stelle ich fest, dass sie nichts verloren haben von ihrer Menschlichkeit und ihrem Humanismus.“

Wie war denn Miloš Forman damals in der persönlichen Begegnung?

Miloš Forman  (Foto: Zff2012,  CC BY-SA 3.0)
„Ich habe ihn als sehr warmherzig empfunden. So etwas kann man ja auch nicht an- und abstellen. Entweder begegnet man den Menschen mit einer warmherzigen Art oder nicht. Ich habe ihn als sehr sympathischen Menschen kennengelernt, aber auch als sehr professionellen. Er war sich klar, dass seine Aufgabe bei dem Interview lautet, möglichst ausführlich und unterhaltsam seine Geschichte und die seiner Filme zu erzählen. Und als Profi hat er das hervorragend vor meiner Kamera und meinem Mikrophon gemacht. Dafür bin ich ihm 18 Jahre später immer noch dankbar.“

Sie haben aus dem Interview einen Film gemacht, der fast zwei Stunden lang ist. In diesem tritt eben nur Miloš Forman auf, abgesehen von kurzen Sequenzen aus seinem Werk und alten Fotos. Ist das nicht ein großes Risiko gewesen?

Doku „Life As It Is: Miloš Forman“
„Doch, das habe ich auch so empfunden. Ich habe das Interview aber nicht hervorgeholt und neu geschnitten, um es im Kino vor einem Publikum zu zeigen. Ich wollte es eigentlich für mich selbst machen. Das ist immer mein Antrieb, wenn ich Dokumentarfilme mache: Es muss mich erst einmal selbst interessieren. Ich setze dann darauf, dass sich diese Neugier und Leidenschaft auch auf ein Publikum übertragen lässt. Aber es war hier in der Tat ein besonderes Risiko. Denn bei allen meinen abendfüllenden Dokumentarfilmen, in denen es jeweils nur um die Entstehung eines einzigen Films geht, versuche ich, so viele Zeitzeugen wie möglich zu interviewen. Die Intention ist, daraus dann eine abwechslungsreiche Doku zu machen. Hier ging es im Gegenteil nicht um einen Film, sondern um ein ganzes Werk. Und es waren nicht sechs, sieben oder acht Leute vor der Kamera, sondern nur eine Person. Und das habe ich als Risiko empfunden.“

Wie waren die Reaktionen?

„Ich habe noch nie eine solch positive Resonanz und regelrechte Begeisterung bekommen. Das hat mich verblüfft.“

„Der Film ist beim Münchner Filmfest in diesem Jahr zum ersten Mal vor Publikum vorgeführt worden. Ich war entsprechend aufgeregt, weil ich nicht wusste, ob es funktioniert. Letztlich war ich sehr überrascht, wie gut es ankam. Ich habe noch nie für einen meiner anderen Dokumentarfilme, die ich am selben Ort schon vorgeführt habe, eine solch positive Resonanz und regelrechte Begeisterung bekommen. Das liegt natürlich an Miloš Forman und seinem unglaublichen erzählerischen Talent. Ich habe die Zuschauer hinterher gefragt, ob es nicht zu lang gewesen sei. Übereinstimmend kam: ‚Nein, es hätte noch zwei Stunden länger gehen können. Das war mit das Spannendste, was wir seit langem gesehen haben.‘ Da war ich selbst völlig verblüfft.“

Hier bei dem Festival wird der Film dreimal gezeigt. Gibt es denn eine Möglichkeit, ihn vielleicht in nächster Zeit in Deutschland, Österreich oder der Schweiz auch in einem Kino zu sehen?

„Ich würde mich natürlich sehr freuen, wenn es zu einer Kino-Auswertung oder zu einem Fernseh-Ankauf käme. Allerdings müsste ich dann noch einmal richtig ran, weil ich sehr viele Filmausschnitte verarbeitet habe. Das geht bei Filmfestivals. Fürs Kino müsste ich aber jeden einzelnen Ausschnitt noch einmal überprüfen, ob er den Vorgaben für ein filmisches Zitat entspricht. Wenn man sich an eine große Öffentlichkeit wendet, entweder über einen Verleih, einen Kino-Start oder eine Fernseh-Ausstrahlung, muss natürlich alles 100 Prozent abgesichert sein. Das wäre noch einmal viel Arbeit. Aber vielleicht wäre, wenn sich ein Fernsehsender dafür interessieren würde, auch das nötige Geld dafür vorhanden. Freuen würde es mich in jedem Fall sehr.“

Autor: Till Janzer
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