Doku „Zwei Brüder – zwei Nationalitäten“ bei Grenzland-Filmtagen in Selb
Am 8. April werden in der bayerischen Grenzstadt Selb die 44. Grenzland-Filmtage eröffnet. Gezeigt werden dabei knapp 100 Filme, neben Spielfilmen auch zahlreiche Kurz- und Dokumentarfilme. Im folgenden Kultursalon hören Sie ein Gespräch mit Holger Kamecke, der für die Pressearbeit beim Festival zuständig ist.
Herr Kamecke, am Donnerstag, den 8. April, beginnen in Selb die Grenzland-Filmtage. Wegen der Corona-Pandemie findet das Festival nur online statt. Die Filme dürfen jedoch aus rechtlichen Gründen nur in Deutschland abgerufen werden. Aber es gibt doch eine Ausnahme – eine Sonderveranstaltung, die sich auf die deutsch-tschechische Geschichte bezieht. Worum geht es dabei?
„Der Film ,Zwei Brüder – zwei Nationalitäten‘ ist weltweit abrufbar. Die Doku entstand mit der Unterstützung vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Auf die anderen Filme bezieht sich leider das Geoblocking. Die Lizenzgebühren dafür, dass man sie alles weltweit anschauen könnte, können wir als ein kleiner Verein leider nicht tragen.“
Können Sie den Film über die zwei Brüder näher vorstellen?
„Der Dokumentarfilm spielt in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs. Es geht um zwei Brüder, die in Brünn aufwachsen. Der eine entschied sich, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, der andere behielt die tschechoslowakische. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der ältere Bruder vertrieben. Das Schicksal der beiden Brüder steht exemplarisch für die Auswirkungen auf den einzelnen Menschen sowie auf ganze Generationen in den geschichtlichen Abläufen, zu denen es in der Tschechoslowakei und in Deutschland kam.“
Gibt es einen Themenschwerpunkt für die Filmtage?
„Ja, wir haben schon immer einen Blick nach Osteuropa gehabt. Seit 1978, als das Festival entstand, gab es den Schwerpunkt osteuropäischer Film. Das liegt darin begründet, dass es in Selb auch in der Zeit des Eisernen Vorhangs an der innerdeutschen Grenze die Möglichkeit gab, auch Filme aus dem Osten zu sehen – aus der ehemaligen DDR, der Tschechoslowakei und auch aus Russland. Diese wurden teilweise abenteuerlich in Lastwagen versteckt über die Grenze geschmuggelt. Denn es war auch hinter dem Eisernen Vorhang verboten, bestimmte Filme in Westeuropa zu zeigen. So hat sich das Festival entwickelt. Wir haben ein Partnerfestival in Polen und eines in Ungarn sowie eine Partnerschaft zur Stadt Aš (Asch, Anm. d. Red.), die nur zehn Kilometer von Selb entfernt ist. Der Schwerpunkt Osteuropa wird beibehalten. Wir arbeiten alle ehrenamtlich und haben den Verein zur Förderung grenzüberschreitender Film- und Kinokultur gegründet, der das Festival trägt.“
Wie wird das Programm der Filmtage zusammengestellt? Handelt es sich vorwiegend um Produktionen junger Filmemacher?
„Ja, wir zeigen sehr viele Abschlussfilme von Hochschulabsolventen. Wir sichten die Filmer selber. Mitte November haben wir eine Plattform eröffnet, wo man die Filme einreichen konnte. Da treffen im Schnitt 700 bis 800 Filme ein. Über eine Plattform werden sie von den verschiedenen Teammitgliedern angeschaut und bewertet. Wir treffen uns immer Anfang Januar und planen dann das Programm. Parallel suchen wir als Teammitglieder auch bei anderen Festivals nach Filmen, die in unser Programm passen. Dann wird demokratisch abgestimmt, und wir stellen das ganze Programm zusammen.“
Welche Rolle spielt die Grenze als Thema bei den Grenzland-Filmtagen?
„Wir widmen uns speziell den Grenzthemen. Aber nicht nur territorialen Grenzen, sondern auch Grenzen, die zwischen Menschen entstehen, die im Kopf bestehen sowie auch Grenzen im menschlichen Verhalten. Es gibt im Leben so viele Grenzen, die auch in Filmen thematisiert werden. Wir präsentieren auch Tabu-Themen wie Missbrauch in der Familie oder Suizid bei Jugendlichen.“
Gibt es auch grenzüberschreitende Produktionen, die in der Koproduktion mehrerer Länder entstanden sind?
„Ja schon. Wir hatten bereits eine armenisch-französisch-schweizerische Koproduktion. Die Filmemacher treffen sich auch während des Festivals. Während der Pandemie ist dies natürlich nicht möglich. Es ist unsere Stärke, dass wir ein kleines, familiäres Festival sind, zu dem die Filmemacher gern kommen, um sich in der Kneipe bei einem Bier mit anderen Kollegen zu unterhalten und auszutauschen.“
Ich kann mir vorstellen, dass die Filmtage das Kulturleben in der westböhmischen Grenzstadt Aš / Asch bereichern. Wird sie auch diesmal ins Festival miteinbezogen, wenn die Grenzen geschlossen sind?
„Seit 2017 führen wir das Programm in den beiden Städten auf. Das Festival findet jedes Jahr in der Woche nach dem Osterfest von Donnerstag bis Samstag statt. An den ersten beiden Tagen zeigen wir Filme direkt in Tschechien, dank der Zusammenarbeit mit dem zweiten Bürgermeister von Asch, Pavel Klepáček, und dem Kulturzentrum LaRitma. In diesem und im letzten Jahr war dies wegen der Corona-Pandemie leider nicht möglich. Bei den Filmtagen in Asch besuchen normalerweise immer auch Schulklassen die Festivalfilme. Es gibt komplette Programmblöcke speziell für Schulklassen. 2018 wurde von einem Fernsehteam ein Kurzfilm mit den Kindern produziert. Der hätte letztes Jahr gezeigt werden sollen. Jetzt müssen wir die Aufführung leider verschieben.“
Zum Dokumentarfilm „Zwei Brüder – zwei Nationalitäten“ soll auch ein Zoom-Gespräch stattfinden. Können daran Interessenten aus beiden Ländern teilnehmen?
„Ja, am 14. April gibt es online ein Filmgespräch. Zuschauen kann man über unsere Webseite. Ein Link führt zur Online-Plattform, auf der das Filmgespräch gezeigt wird. Auch die Regisseurin wird teilnehmen. Die Filmgespräche sind abrufbar, sie unterliegen keinem Geoblocking.“
Der Film „Zwei Brüder – zwei Nationalitäten“ der Regisseurin Petra Dombrowski wird als Sonderprogramm im Rahmen der Grenzland-Filmtage in Selb zu sehen sein. Das Zoom-Gespräch zum Film findet am 14. April um 17.30 Uhr statt. Die Filmtage beginnen am 8. April. Mehr erfahren Sie unter www.grenzlandfilmtage-selb.de.