Wenn Lola in Tschechien rennt – Deutsches Sommerkino in Prag, Brünn und Liberec

Impressionen vom Letní kino Kinská

Freiluftkino in Prag, Brno / Brünn und Liberec / Reichenberg, bei dem deutschsprachige Filme gezeigt werden: Das ist das Sommerkino. Dieses Jahr findet der Ableger vom Filmfest zum neunten Mal statt.

Karolína Bukovská | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Bjarne Mädel und Lars Eidinger, aber auch Jella Haase und Franka Potente gehören zu den bekanntesten Persönlichkeiten der Filmlandschaft, jedenfalls im deutschsprachigen Raum. In Tschechien sind sie dagegen nur selten metergroß auf Leinwänden zu sehen. Denn deutschsprachige Filme fristen ein Nischendasein. Außer es läuft gerade das Filmfest, ein Kinofestival auf Deutsch – oder das Sommerkino, sozusagen die kleine Schwester des Filmfests. Zwischen Juli und September sieht und hört man in Prag, Brünn und Liberec Kino auf Deutsch. Karolína Bukovská vom Österreichischen Kulturforum ist eine der Organisatorinnen:

„Wir wollten dem Filmfest zum zehnten Geburtstag etwas schenken. Dieses Geschenk war das Sommerkino. Das Sommerkino findet – wie der Name schon sagt – im Sommer statt, und die meisten Filme werden im Freiluftkino gezeigt. Das Sommerkino zeigt Filme aus dem Filmfest des letzten Jahres, aber auch ältere Filme. Eigentlich ist es ein Rückblick auf die beliebtesten, besten und erfolgreichsten Filme des Filmfests.“

Impressionen vom Letní kino Kinská | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Organisiert wird das Sommerkino außer vom österreichischen Kulturforum auch vom deutschen Goethe-Institut und von der Botschaft der Schweiz. Die Vertreterinnen der drei Organisationen bilden eine Arbeitsgruppe, in der sie gemeinsam planen. Dennoch haben sie auch eigene Aufgaben.

„Wir arbeiten länderweise. Die Kollegin vom Goethe-Institut ist für die deutschen Filme zuständig, die von der Schweizer Botschaft für die schweizerischen und meine Kollegin und ich für die österreichischen. Der erste Schritt dabei ist, eine Vorauswahl zu treffen. Wir schauen, welche Filme wir zeigen könnten. Wir haben zwei oder drei österreichische Filme bereits ausgewählt, und die werden sicher gezeigt“, erzählt Karolína Bukovská.

Frischer Wind im Kino

Ethnographisches Museum | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Die diesjährigen Produktionen stammen hauptsächlich aus Deutschland, eher wenige sind aus Österreich und der Schweiz. Das Angebot umfasst aktuelle Kinoproduktionen, aber auch Dokus. Dazu kommen einige Klassiker wie „Lola rennt“ oder „Toni Erdmann“, aber auch weniger bekannte Autorenfilme, die meist von gesellschaftlichen Themen handeln. Klára Arpa vom Goethe-Institut war für die Streifen aus Deutschland zuständig:

„Für das Sommerkino suchen wir eher Klassiker oder Filme, die – einfach gesagt – zum Sommer passen, sowie Publikumsfilme, die immer gut ankommen. Das sind unsere Voraussetzungen. Das Ziel ist, dass die Filme gut zu der Kulisse der Freiluftkinos passen.“

Open-Air-Kinos sind selten. Arpa und ihre Kolleginnen haben dennoch welche gefunden. So können in Prag, Brünn und in Liberec die Filme an der frischen Luft und unter freiem Himmel gezeigt werden. In Prag ist es das Letní kino Kinská.

„Man verbindet den Kinobesuch auch mit einem Spaziergang, man sitzt bis spät in die Nacht noch im Petřin-Park, und das Letní kino Kinská ist ein wundervoller Ort dafür“, so Arpa.

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Das Sommerkino habe mittlerweile eine kleine, eingeschworene Fangemeinde, erzählt Arpa. Meist kommen etwa 60 bis 80 Zuschauer pro Vorstellung. Ausreißer nach oben seien aber auch drin. Durchschnittlich besuchen jedes Jahr etwa 1000 Menschen das Sommerkino. Grund dafür seien nicht nur die besonderen Locations, sondern auch die billigen Tickets, sagt die Projektleiterin vom Goethe-Institut:

Ethnographisches Museum | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

„Wir versuchen, den Eintritt so gering wie möglich zu halten. In Brünn kostet eine Karte nur einen symbolischen Preis von 50 Kronen. Ursprünglich war der Gedanke, dass die Filme im Sommerkino umsonst gezeigt werden sollen. Das ist aber nicht mehr finanzierbar. Auch die Veranstalter haben Kosten, die sie decken müssen. Deshalb wird mittlerweile Eintritt verlangt, aber ermäßigt.“

Das Ziel sei nicht, kommerziell erfolgreich zu sein. Vielmehr wollen die Veranstaltenden auf das Filmfest im Oktober aufmerksam machen und möglichst viele Zuschauer dann wiedersehen.

Persönliche Einblicke in die deutsche Gesellschaft

Film Kokon im Letní kino Kinská | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Beim Filmfest gehört es zum Konzept, dass auch Regisseure, Schauspieler und Produzenten vor Ort sind und ihre Filme vorstellen. Beim Sommerkino ist das nicht teil des Programms, aber sehr gern gesehen. Im Falle von „Kokon“ kam es so. Die Regisseurin Leonie Krippendorff konnte vor der Vorstellung kurz in ihren Coming-of-Age-Film einleiten:

„Ich bin gerade in Prag, weil mein Partner hier beruflich zu tun hat. Wir haben auch einen elf Monate alten Sohn, und ich bin meinem Partner nach Tschechien nachgereist. Wie der Zufall es so will, arbeitet er gerade mit dem Goethe-Institut zusammen. Dadurch haben wir die Information bekommen, dass ‚Kokon‘ im Sommerkino läuft und dass es schön wäre, wenn ich vorbeischauen würde. Das haben wir gemacht und diesen wunderschönen Ort gesehen.“

Leonie Krippendorff führt in Film Kokon ein | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Krippendorffs Drama „Kokon“ handelt von einer Beziehung zwischen zwei Schülerinnen in Berlin. Die Haupt-Location dafür ist das Kottbusser Tor. Ihren Kinofilm konnte die Regisseurin schon auf mehr als 70 internationalen Festivals zeigen.

„Die Leseweise der Figuren und des Orts international aus einer komplett anderen Sicht zu sehen, finde ich total spannend. Der Film wird ganz verschieden verstanden, gerade auch, weil es eine queere Liebesgeschichte ist und die nicht überall so aufgenommen wird wie im super offenen Berlin“, schildert Krippendorff.

Filme aus anderen Ländern zu sehen, sei immer ein Blick in eine andere Gesellschaft, sagt Karolína Bukovská vom Österreichischen Kulturforum:

„Die Filme, die nicht nur jetzt entstehen, sondern auch die, die schon etwas älter sind, spiegeln die alltäglichen Themen und Probleme der Gesellschaft wieder. Das kann dem tschechischen Publikum zeigen, was die deutsche, österreichische oder schweizerische Gesellschaft beschäftigt.“

Leonie Krippendorff führt in Film Kokon ein | Foto: Daniel Grabowski,  Radio Prague International

Ist die Regisseurin Leonie Krippendorff auch der Meinung, dass Filme gut geeignet sind für einen kulturellen Austausch?

„Ja, absolut, weil man die eigene Lebenssituation abgleicht mit dem Gesehenen und da Verbindungen schafft.“

Das trifft natürlich nicht nur auf Krippendorffs Film zu, sondern auf alle Produktionen, die beim Sommerkino gezeigt werden. Also nichts wie auf, Platz nehmen auf einem Klappstuhl unter dunkelblauem Abendhimmel! Am Mittwoch dieser Woche läuft um 21.30 Uhr der nächste Film im Letní kino Kinská in Prag. „Cleo“ ist eine Art modernes Märchen, das sich um die Geheimnisse der Stadt Berlin dreht.

Nach „Cleo“ kommen noch elf weitere Filme bis Mitte September in Prag, Liberec und Brünn.

Das Sommerkino hat sich im Übrigen etabliert und wird auch in den kommenden Jahren Filme auf Deutsch zeigen. Strukturell sieht Klára Arpa vom Goethe-Institut keine Notwendigkeit für echte Veränderungen. Weiterhin soll das Festival, wenn das Wetter es zulässt, unter freiem Himmel stattfinden und für möglichst viele Menschen erschwinglich bleiben.