Dokumentationen auf dem Filmfestival in Karlovy Vary

Filmfestival in Karlovy Vary

Das 39. internationale Filmfestival in Karlovy Vary (Karlsbad) bringt seinen Zuschauern vor allem Spielfilme. Eine spezifische Kategorie in seinem Programm bildet traditionell der Wettbewerb der Dokumentarfilme. Man wollte diesen vor einigen Jahren auflösen, auf Druck der Öffentlichkeit wurde jedoch der Doku-Wettbewerb wieder eingeführt. Markéta Maurová hat sich in Karlsbad in der ersten Juli Woche mit zwei Filmregisseuren getroffen.

Filmfestival in Karlovy Vary
Am Mikrophon ist zunächst der österreichische Filmregisseur iranischer Herkunft, Arash T. Riahi. Er präsentierte in Karlsbad seinen Dokumentar-Debütlangfilm "Die Souvenirs des Herrn X".

Sie haben Ihrem Film über Filmamateure den Rahmen einer Krimigeschichte, einer Suche nach einem unbekannten Autor, gegeben. Wie sind Sie eigentlich auf diese Idee gekommen? Haben Sie wirklich unbekannte Materialien gefunden, oder wollten Sie einen Film über Filmamateure machen?

"Eigentlich ist alles genauso wie im Film. Ich habe die Filme auf dem Flohmarkt gefunden, habe sie mir angesehen und habe sie bewundert, weil so viel Mühe dahinter steckt, obwohl sie keine großen Kunstwerke sind. Ich habe mir gedacht, ja, wer so viel Zeit aufgewendet hat und stundenlang solche Filme gemacht hat, geschnitten hat, vertont hat, der muss das Kino oder Filme an sich lieben und den würde ich gerne finden."

Haben Sie den Mann wirklich erst am Ende gefunden, wie es im Film der Fall ist?

"Ich habe ihn in der Mitte gefunden. Aber ich habe es mir überlegt, es ist besser wenn er im Film etwas weiter hinten gefunden wird, weil das die Spannung natürlich mehr aufhält."

Waren sie enttäuscht, dass er mit Ihnen nicht kommunizieren will?

"Ja, am Anfang war ich sehr enttäuscht. Ich habe mir gedacht, ich bemühe mich da jahrelang und versuche ihn zu finden, und ihm ist das Ganze völlig egal. Aber je mehr ich darüber nachgedacht habe, desto mehr bin ich darauf gekommen, dass es für meinen Film eigentlich gut war. Ich habe auf der einen Seite diese Suche, die aber langsam verschwindet und in andere Personen übergeht, die so sind, wie ich mir gedacht habe, dass dieser Herr X ist. Also Leute, die besessen sind vom Filmemachen. Und es war wichtig für den Film, dass Herr X nichts mit dem Film zu tun haben will, weil er ein Symbol der Filmemacher ist, die nur für die Erinnerung filmen, die nicht vom großen Kino träumen, wie viele Amateurfilmemacher. Aber auf der anderen Seite habe ich auch diesen Herrn Spindler und die Leute im Klub gefunden, die wirklich so waren, wie ich es mir gedacht habe, dass sie sind, und die wirklich bis zum Ende filmen werden."

Sie sind ein Filmprofi. Was hat Ihnen das Treffen mit den Filmamateuren gebracht. War es für Sie inspirierend, brachte es etwas Neues, Interessantes für Sie?

"Es war interessant für mich, was ein Filmamateur als wertvoll erachtet, gefilmt zu werden. Das ist auch das Schöne, dass Filmamateure alles filmen. Jede Bewegung im Filmen ist wert, gefilmt zu werden. Das ist das Schöne daran, das der Film und das Leben miteinander verfließen. Es gibt keine Grenzen mehr."

Ich dachte ursprünglich, der Film bewegt sich an der Grenze zwischen Fiktion und Dokumentation. Sie sagen jetzt, dass das wirklich so war...

"Ja, also der Film bewegt sich trotzdem an der Grenze zur Fiktion - oder nicht Fiktion - sondern zwischen geplanten und zufälligen Dingen. Wie das bei einer Doku oft passiert. Also, dass es ein Drehbuch gibt, aber Dinge passieren, die man nicht vorhersehen kann."

Glauben Sie, dass Dokumentarfilme in ein solches Festival wie das in Karlovy Vary gehören?

"Ich glaube das auf jeden Fall. Ein Dokumentarfilm ist ein Film und er ist einfach genauso wichtig wie ein Fiction-Film. Weil er einen Blick in die Realität gibt, in die Welten, die man sonst nicht sieht. Ein Fiction-Film ist immer etwas Gestelltes. Ich finde, dass es das Schöne an Dokumentarfilmen ist, dass sie die Realität aus einer persönlichen Sicht zeigen, aus einer Sicht von jemandem, der in einer Welt ist, in die man sonst selber nicht eindringen kann. Deswegen ist das extrem wichtig, finde ich."


"Hans im Glück - drei Versuche, das Rauchen loszuwerden" heißt der Film, den der Schweizer Regisseur, Peter Liechti, nach Karlsbad brachte. Hauptfigur ist der Autor selbst: Er unternimmt drei Reisen in seine Geburtsregion in der Ostschweiz, um nach dreißig Jahren mit dem Rauchen aufzuhören...

Ihr Film hat eigentlich zwei Linien. Einerseits ist es eine Dokumentation, ein Reisebericht über ein Land, andererseits eine Geschichte, wie man versucht, das Rauchen loszuwerden. Was war primär?

"Also der Anlass, den Film zu machen, war am Anfang, dass ich wirklich aufhören wollte zu rauchen. Und deshalb bin ich einmal zu Fuß so losgelaufen, wie ich das im Film beschreibe, damals allerdings ohne Kamera. Und nach diesem Erlebnis habe ich mir gesagt, das war so crazy, was ich jetzt alles erlebt und gesehen habe, wegen dieses stumpfsinnigen Laufens in der Gegend, wo man sonst nur mit dem Auto fährt, dass es Schade war, dass ich keine Kamera dabei hatte. Und dann ist es passiert, dass ich rückfällig geworden bin, und dann habe ich gesagt, so jetzt habe ich meine Kamera mit, wenn ich jetzt das zweite Mal gehe. Und daraus ist so sukzessiv ein Projekt entstanden."

Sie sagen, wenn man aufhört zu rauchen, dann ist man in einem psychischen Zustand, in dem man alles schärfer sieht...

"Ja, also wenn man aufhört zu rauchen, ist man gereizt. Reiz ist ein sehr ambivalentes Wort. Man kann es negativ lesen, man ist aggressiv, man ist sehr leicht reizbar. Aber wenn man leicht reizbar ist, bedeutet das auch, dass man auf alles sehr schnell und sehr deutlich reagiert. Und das wiederum ist ein sehr interessanter Zustand, wenn man als Künstler unterwegs ist, man hat sämtliche Antennen draußen und reagiert sehr seismografisch auf jede Stimmungsveränderung, auf jeden Reiz, der sich einem aufdrängt. Das fand ich einen besonderen Zustand, den ich auch nutzbar machen wollte."

Gibt es einen Unterschied, ob man fremde Menschen, fremde Länder etwa in Afrika, oder im Gegenteil seine eigene Geburtsregion dokumentiert?

"Das ist ein Unterschied. Gleichzeitig würde ich sagen, je größer dieser Unterschied ist, desto näher kommt es sich am Schluss. Da, wo man zu Hause ist, da kennt man sich aus, da sieht man die Details, die sich verändern. Und zum Beispiel in Afrika, da staunt man nur, man ist nur beeindruckt, man sieht einfach nichts. Das heißt, man ist an beiden Orten schlussendlich auf sich selber zurückgestellt. Im eigenem Land, weil man jede Ecke kennt, und trotzdem als Fremder durch die Gegend läuft, und in Afrika, weil es keine Anhaltspunkte gibt, wo man sich wirklich orientieren kann. Also ich würde sagen, in den Extremen ist man sich am Nächsten."

Noch eine Frage zum Festival hier und zur Kategorie der Dokumentarfilme. Glauben Sie, dass Dokumentarfilme hierher gehören?

"Ich habe jetzt mit zwei meiner dokumentarischen Filmen, oder eher Essayfilmen eigentlich eine sehr große Festivalkarriere erlebten. Die Filme finden vor allem bei großen Festivals große Aufmerksamkeit. Ich denke, dass gute, spannende Dokumentarfilme im Kino absolute Zukunft haben."

Glauben Sie, dass sie spannender als Spielfilme sind?

"Nein, ich würde das nicht so werten. Es ist nur so, selbst wenn man einen mittelmäßigen Dokumentarfilm gesehen hat, hat man immer noch etwas gelernt, über irgendein Thema. Und wenn man einen mittelmäßigen Spielfilm gesehen hat, dann hat man einfach Zeit verloren."