Drahtesel statt stinkende Blechkiste: Kampagne „Cycle to work“

Foto: Archiv von Auto*Mat

Frische Luft, Bewegung, kein langes Warten im Stau oder auf die Bahn, die mal wieder Verspätung hat. So lässt sich ein Arbeitstag doch gleich viel entspannter beginnen. Dies hat auch die Organisation „Auto-Mat“ erkannt. Seit mehreren Jahren setzt sie sich dafür ein, das Auto in der Garage stehen zu lassen und alltägliche Strecken mit dem Rad zurückzulegen.

„Mit dem Rad zur Arbeit“

Städte wie Kopenhagen, Berlin oder Wien beweisen es: Wer das Fahrrad dem Auto vorzieht, der hat eine deutlich höhere Lebensqualität. Nicht umsonst heißt es, dass das Strampeln auf dem Drahtesel eine der gesündesten Sportarten ist. Mit der Kampagne „Cycle to Work“ (Mit dem Rad zur Arbeit) will die Organisation Auto Mat diese Lebensqualität auch in tschechische Städte holen.

„Das Fahrrad ist nicht nur die ökologischste Variante. Das Rad ist auch auf Strecken bis zu fünf Kilometern die effektivste Variante. Es ist schneller als die öffentlichen Verkehrsmittel. Man kann praktisch überall stehenbleiben. Es ist umsonst. Wenn man das Rad hat, zahlt man keinen Groschen dafür“, so Jan Krčmář, PR-Beauftragter von Auto Mat.

Nach den Wochenend-Ausflügen in die Natur verstauen die Tschechen das Rad gerne wieder in der Garage. Auto Mat möchte dazu animieren, das Rad gleich draußen zu lassen und dann stressfrei in den nächsten Arbeitstag zu starten. Jan Krčmář:

Jan Krčmář

„Es ist auch eine ökonomisch vorteilhafte Variante. Man lebt natürlich gesünder, wenn man jeden Tag 20 bis 30 Minuten auf dem Rad verbringt. Man erspart sich teure Fitnesscenter. Und auch aus Sicht der Firmen ist es intelligent, den Radverkehr zu fördern. Mehr Radfahrer in der Firma bedeuten weniger Kosten für den Fuhrpark, weniger Benzinkosten für Dienstautos, gesündere Angestellte. Das sind weniger Krankenstände. Das heißt, das Rad ist eine Variante, die für diese bestimmten Wege Sinn macht.“

Knapp zweieinhalbtausend Menschen hatten sich in vier verschiedenen Städten Tschechiens im Internet registriert. Ob Liberec / Reichenberg, Brno / Brünn, Pardubice oder Prag: Jede Firma konnte ein Team von mindestens zwei und maximal fünf Leuten anmelden. Für einen einmaligen Beitrag von 160 Kronen konnten sich die Teams auf der Homepage der Kampagne bis Ende April registrieren. Projektzeitraum war der gesamte Mai. Am Ende jeden Tages haben die Teilnehmer angegeben, wie viele Kilometer sie mit dem Rad zurückgelegt haben. Dafür gab es ein spezielles Formular auf der Webseite des Wettbewerbs. Die Auswertung Ende Mai ergab, dass alle Teilnehmer zusammen über 533.000 Kilometer auf dem Rad zurückgelegt hatten. Dazu beigetragen hat auch Eva Kubešová. Sie arbeitet für das Umweltministerium in Prag und legt gerne die täglichen vier Kilometer zur Arbeit mit dem Rad zurück:

Foto: Archiv von Auto*Mat

„Ich denke, das Projekt ist wirklich toll. Insbesondere für die Leute, die den letzten Push benötigen, um mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Das Projekt hat mir dabei geholfen. Es ist nicht wirklich schwierig für mich, von meinem Zuhause in Vyšehrad zur Arbeit zu fahren. Es ist auf jeden Fall machbar, und man gewöhnt sich an den Verkehr und die Autos.“

Obwohl Prag bisher für Radfahrer bisher keine wirklich einfache Stadt ist, waren auch ihre Kollegen sind von dem Projekt begeistert. So war die Resonanz in diesem Jahr deutlich höher als zuvor:

Foto: Archiv von Auto*Mat

„Wir haben drei Teams im Umweltministerium. Das ist eine Steigerung im Vergleich zum vergangenen Jahr, als nur ein oder zwei Teams beim Wettbewerb mitgemacht haben. Die allmorgendliche Radfahrt bietet guten Gesprächsstoff. Manche sind schon vor dem Wettbewerb mit dem Rad zur Arbeit gefahren, manche eben nicht, so wie ich auch. Es ist nett, ein Gesprächsthema während des Mittagsessen zu haben und die Kollegen nicht nur wegen der Arbeit zu treffen, sondern eben auch aus anderen Gründen. Das ist ein Gewinn.“

Die Firmen und ihre Teams hatten die Chance, sich stetig zu verbessern. Die Fleißigsten unter ihnen wurden sogar jede Woche belohnt. Jan Krčmář sagte im Mai:

„Wir haben mehrere Kategorien. Eine ist ‚die regelmäßige Radfahrt’. Preise dieser Kategorie waren in der letzten Woche Fahrradtaschen sowie Eintrittskarten ins Theater und ins Kino. Diese Woche gab es Designleuchten für das Rad. Es gibt immer Eintrittskarten für eine Kulturveranstaltung. Veranstaltungsorte sind die Kinos Světozor und Aero oder Theater wie das Archa.“

Apropos Fahrradleuchten. In Deutschland wird in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung das Thema Radausstattung sehr ernst genommen: Vorderbremse, Hinterbremse, Dynamo, Licht, Klingel, Reflektoren – all das muss vorhanden sein und natürlich auch funktionieren. Doch wie ist das in Tschechien?

„Es gibt schon sehr strikte Standards. Gerade erst am Montag hat die tschechische Polizei streng kontrolliert, ob Fahrer richtig mit dem Rad fahren und ob die Fahrräder richtig ausgestattet sind. Radfahrer, die sich nicht an die Verkehrsordnung halten oder deren Rad nicht richtig ausgestattet ist, erhalten Strafen. Das ist meiner Meinung nach vollkommen richtig. Ein Fahrrad, das nicht der Norm entspricht und gefährlich ist, hat im Straßenverkehr nichts zu suchen. Genauso wie ein Auto ohne Lichter oder ein Auto mit schlechten Bremsen - das würde man auch nicht dulden“, sagt Jan Krčmář.

Foto: Tomáš Cach,  Archiv von Auto*Mat

Im Rahmen einer weiteren Kategorie des Wettbewerbs konnten die Teilnehmer Vorschläge einreichen, um das Prager Fahrradnetz zu verbessern.

„Wir haben eine Kommission von Experten und auch Politkern des Prager Magistrat zusammengesetzt, die die Ideen bewerten werden. Das sind Ideen wie beispielsweise in einer Straße bessere Fahrradwege zu bauen, bestimmte Einbahnstraßen für Radfahrer in die Gegenrichtung zu öffnen oder an wichtigen Stellen Radständer aufzubauen. Die Jury wählt dann am Ende des Wettbewerbs den besten strukturellen Vorschlag aus.“

Foto: Martin Skalský,  Archiv von Auto*Mat

Doch wie lange wird es dauern, das Prager Verkehrsnetz fahrradfreundlicher zu machen?

„Es kommt vor allen Dingen drauf an, wie schnell Prag und die anderen Städte darauf reagieren. Die Kampagne ist nicht nur in Prag, sie läuft auch in Brünn, Liberec und Pardubice. In Pardubice gibt es beispielsweise viel mehr Radwege und viel mehr Infrastruktur. Dadurch ist die Zahl der Radfahrer auch höher. In Prag wächst, obwohl in den letzten Jahren die Investitionen in den Radverkehr gesunken sind, die Anzahl der Radfahrer enorm. Daraus lässt sich schließen, dass die Menschen das Rad nutzen wollen. In manchen Regionen müssen sie sogar auf das Rad ausweichen, weil sie sich aufgrund ökonomischer Krise oder Arbeitslosigkeit das Benzin nicht mehr leisten können. In unseren Augen liegt es in der Verantwortung der Städte, in den Radverkehr zu investieren und so den Menschen die Möglichkeit zu geben Rad zu fahren.“

Foto: Tomáš Cach,  Archiv von Auto*Mat

Und so sollen Kampagnen wie „Cycle to Work“ Anstoß geben, die Lage der Radfahrer zu verbessern. Das erhofft sich auch Eva Kubešová:

„Ich hoffe, dass das Projekt für den Radverkehr in Prag eine Wirkung hat. Nicht nur für uns Beteiligte, sondern auch für alle anderen. Es sollte auf mehr Straßen möglich sein zu radeln, ohne dass man an den Kreuzungen befürchten muss, über den Haufen gefahren zu werden und ohne dass die Autofahrer glauben, sie seien die Herren der Straße.“

Beim Wettbewerb haben die Firmen außerdem in einem Formular angegeben, wie fahrradfreundlich der Betrieb ist. „Fahrrad-Arbeitgeber 2012“ wurde die Firma Inset. Der Ingenieurbetrieb bietet seinen Angestellten unter anderem Firmen-Fahrräder für die Fahrten zu den Baustellen, im Gebäude selbst befinden sich Duschen und Umkleideräume. Wer mit dem Rad zur Arbeit kommt, kann zudem aus einem Sortiment an Radlerkleidung wählen. Dort gibt es zum Beispiel Regenjacken, warme Handschuhe oder Reflexstreifen.