Drei tschechische Teams bei Fußballbegegnungsfest in Leipzig

Foto: pixel2013, Pixabay / CC0

Die Fußball-WM in Russland ist noch nicht zu Ende, doch gekickt wird ebenso überall auf der Welt. Bei den Großen wie den Kleinen. Ein nicht ganz alltägliches Nachwuchsturnier fand am vergangenen Wochenende in Leipzig statt: Das Internationale Fußballbegegnungsfest, an dem auch drei Mannschaften aus Tschechien teilnahmen.

Das Internationale Fußballbegegnungsfest ist ein Nachwuchsturnier für C-Junioren-Mannschaften, also Spielern, die zwischen 14 und 15 Jahre alt sind. Das Turnier selbst ist noch jünger, verrät sein Cheforganisator Christoph Schuhmacher:

„Wir richten das Turnier um den Max- und Leo-Bartfeld-Pokal seit 2015 aus. Wir erinnern damit an den ehemaligen jüdischen Fußballverein SK Bar Kochba Leipzig, das Schicksal und den Lebensweg seiner Mitglieder, die unter dem NS-Terrorregime ermordet worden sind. Und da erinnern wir stellvertretend an die zwei Brüder Max und Leo Bartfeld, die den Verein gegründet haben.“

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Als Leiter des Leipziger Bildungszentrums Georg weiß Schuhmacher zudem, wie wichtig gerade die soziale Komponente für Jugendliche im Vor-Erwachsenen-Alter ist:

„In diesem Altersbereich ist es besonders gut, das Rahmenprogramm aufzunehmen. Dies ist die soziale Prägephase. In der ist es uns besonders wichtig, dass wir dieses Programm dann auch mit den Kindern erleben können. Es ist sehr breit gefächert.“

Zu diesem Rahmenprogramm gehörte neben Vorträgen und Erkundungstouren zur jüdischen Sporthistorie diesmal auch die Aufführung des Theaterstücks „Juller“ über den deutschen Fußballnationalspieler jüdischer Herkunft Julius Hirsch. Das Hauptanliegen des Turniers aber ist natürlich die sportliche und persönliche Begegnung junger Menschen. Und daran nahmen in diesem Jahr gleich drei Mannschaften aus Tschechien teil: der SK Hakoah aus Prag, der FK Mongaguá aus Ústí nad Labem / Aussig sowie eine Mannschaft des staatlichen Jugendzentrums in Mähren, das DDM Blansko. Während die beiden letztgenannten Teams in Leipzig als Turnierneulinge anreisten, kam der SK Hakoah – ein Klub der jüdischen Minderheit einschließlich der Lauder-Schule in Prag – bereits zum dritten Male in die sächsische Messestadt. Schon bei ihrer Premiere im Jahr 2016 konnten die Jungen von der Moldau überzeugen, erinnert sich Schuhmacher:

Christoph Schuhmacher: „Uns verbindet inzwischen durch die zweimalige Teilnahme von Hakoah Prag eine sehr gute Freundschaft. Es sind neue Aspekte eingeflossen. Die Spieler von Hakoah haben gerade beim ersten Mal auch sportlich sehr überzeugt. Sie haben den dritten Platz geholt“

„Uns verbindet inzwischen durch die zweimalige Teilnahme von Hakoah Prag eine sehr gute Freundschaft. Es sind neue Aspekte eingeflossen. Die Spieler von Hakoah haben gerade beim ersten Mal auch sportlich sehr überzeugt. Sie haben den dritten Platz geholt. Das war damals sehr beachtlich. Es findet ein reger Austausch statt, also genau das, was uns wichtig ist.“

Und Schuhmacher erzählt auch eine nette Episode über die Hauptstädter:

„Beim ersten Mal war es so, dass es hieß, man könne nicht Fußball spielen, man wäre mit dem vorletzten Platz zufrieden. Wenn man dann den dritten Platz holt und gegen deutsche Regionalligisten nur knapp verliert, dann zeigt das, man hat sich wirklich unterschätzt. Die Jungs konnten wirklich gut kicken.“

Für eine gute Vorbereitung des Turniers einschließlich einer wohligen Atmosphäre ist Cheforganisator Schuhmacher kein Weg zu weit. Zwei Tage vor Beginn des Turniers am Freitag war er mit einem Betreuerstab extra nach Prag gekommen, um das Team des Vorjahressiegers, den NC Pardes Hana-Karkur, direkt vom Flughafen abzuholen. Doch nicht nur auf die jungen Israelis freute sich der emsige Bildungskoordinator, sondern ebenso auf eine Mannschaft junger Roma aus Ústí nad Labem:

FK Mongaguá  | Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Tschechischer Rundfunk
„Eine Mannschaft ist uns besonders wichtig gewesen, das ist das Roma-Team aus Ústí nad Labem. Wir wollten ihnen einfach eine Perspektive geben und sagen, dass das wie eine Wildcard ist. Wir übernehmen die Kosten als Verein für dieses Roma-Team. Die meisten von ihnen haben Tschechien noch nie verlassen. Sie leben in sehr schwachen sozialen Verhältnissen. Das Besondere daran ist, dass dem Initiator des Roma-Teams eine schulische Ausbildung sehr wichtig ist. An diesem Turnier darf nur derjenige teilnehmen, der auch gute schulische Noten hat. Er fördert so seine Kinder nach dem Grundsatz: ´Wenn ihr gute Noten habt, dann könnt ihr zu diesen besonderen Events mitkommen´. Das ist Klasse und es freut uns natürlich, dass dies möglich gemacht wird.“

Der Trainer und Gründer des Fußballteams FK Mongaguá ist Lukáš Pulko. Gegenüber Radio Prag bestätigte er die strengen Auswahlkriterien für seine Spieler:

Schuhmacher: „Eine Mannschaft ist uns besonders wichtig gewesen, das ist das Roma-Team aus Ústí nad Labem. Wir wollten ihnen einfach eine Perspektive geben und sagen, dass das wie eine Wildcard ist.“

„Das erste Kriterium für die Jungs, die zum Turnier fahren, sind ihre schulischen Leistungen. Zum Zweiten spielen natürlich die sportlichen Aspekte eine Rolle, und schließlich achte ich darauf, wie sich die Burschen in ihrer Freizeit benehmen. Ich habe sie ständig im Blick, denn wir wohnen in der gleichen Plattenbausiedlung in Ústí. Das heißt, ich weiß eigentlich alles über sie. Eine Teilnahme an Turnieren, und speziell für dieses Turnier in Leipzig, ist also nur jenen Jungs vorbehalten, die sich das auch verdient haben."

Die konsequenten Prinzipien gehen letztlich auch mit dem Zweck einher, für den Pulko diesen Verein gegründet hat:

„Es ist jetzt schon drei Jahre her, als ich damit begonnen habe, die Jungen des FK Mongaguá zu trainieren. Der Antrieb dazu war der, dass ich nicht länger zusehen wollte, wie diese Kinder ihre Zeit vertrödeln. Zudem besteht in dem Milieu, in dem die Kinder leben, die große Gefahr, dass sie mit Drogen in Berührung kommen. Durch den Fußball aber will ich sie von der Straße wegholen und somit auch von den Drogen.“

Lukáš Pulko  (rechts). Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Eine sehr vorbildliche Einstellung, die schon bald auch einige Unterstützer fand. Zum Beispiel durch einen brasilianischen Futsalspieler, der zudem mit dem Namen des Vereins unmittelbar in Verbindung steht:

„Mongaguá ist eine Stadt in Brasilien. Der Name unseres Vereins entstand dadurch, dass der Brasilianer Rodrigo Taverna, der für den nordböhmischen Klub aus Litoměřice Hallenfußball spielt, mir einen Satz Trikots aus seiner Heimatstadt schenkte. Als ich die Dresse dann an die Kinder übergab, kam spontan die Idee, dass wir unseren Klub nach dieser Stadt benennen.“

Aus dieser Idee ist nicht nur ein toller Freizeitspaß geworden, sondern seine Jungs können mittlerweile auch ganz gut kicken. Und auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung seien sie ein gutes Stück vorangekommen, bemerkt Pulko:

Lukáš Pulko: Der Antrieb zur Gründung des FK Mongaguá war der, dass ich nicht länger zusehen wollte, wie diese Kinder ihre Zeit vertrödeln. Zudem besteht in dem Milieu, in dem die Kinder leben, die große Gefahr, dass sie mit Drogen in Berührung kommen. Durch den Fußball aber will ich sie von der Straße wegholen und somit auch von den Drogen.“

„Es ist mein Hauptanliegen, dass sich die Burschen in jeder Hinsicht verbessern. Die Fortschritte sehe ich bei jedem Jungen und auch Mädchen, die in unserem Verein spielen. Ich nenne nur ein Beispiel: Ein Knabe wog zu Beginn unserer Zusammenarbeit 100 Kilo und hatte ebenso psychische Probleme. Jetzt wiegt er nur noch 50 Kilo, und aus ihm ist ein hübscher Junge geworden.“

Zum Lohn für ihren Fleiß und ihr Engagement durften nun die besten Mitglieder des Vereins am Fußballbegegnungsfest in Leipzig teilnehmen. Auf die Frage, mit welchen Ambitionen sie in die größte Stadt Sachsens reisen, antwortete Pulko prompt:

„Wir wollen dort gewinnen!“

Mit einem etwas mehr realistischen Nachsatz aber ergänzte er:

„Für mich und die Jungs ist es der größte Gewinn, dass wir es quasi von der Straße bis zu diesem internationalen Turnier in Leipzig geschafft haben. Das ist für uns der wichtigste Sieg überhaupt!“

Zuzana Jančaříková  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Während das Roma-Team und die Mannschaft aus Blansko in Leipzig also ihre internationale Feuertaufe erlebten, fuhren die jungen Vertreter des SK Hakoah aus Prag das dritte Mal zum deutschen Nachbarn. Doch für die Spieler der aktuellen Truppe ist das Leipziger Turnier ebenfalls Neuland, informierte die Vorsitzende des jüdischen Vereins, Zuzana Jančaříková, vor der Abreise:

„Wir hoffen, dass wir erneut überraschen können. Für ein gutes Ergebnis soll ein neues Team sorgen, denn die Spieler der vorherigen Mannschaft sind der geforderten Altersklasse schon entwachsen. Das neue Team wird ausnahmslos von Jungen der Lauder-Schule gebildet.“

Der Kapitän der neuen Mannschaft heißt Joel Sidon. Vor dem Turnier zeigte er sich optimistisch:

„Wir gewinnen!“

Pulko: „Für mich und die Jungs ist es der größte Gewinn, dass wir es quasi von der Straße bis zu diesem internationalen Turnier in Leipzig geschafft haben. Das ist für uns der wichtigste Sieg überhaupt!“

Doch wie ist das Turnier, das heißt die beiden Wettbewerbe, die in Leipzig ausgespielt worden, denn nun ausgegangen? Darüber sprachen wir am Telefon mit Cheforganisator Christoph Schumacher:

„Beim sogenannten Herzenswettbewerb hat die Mannschaft aus Blansko einen hervorragenden zweiten Platz belegt. Im Hauptturnier kam der SK Hakoah nur auf den 16. und letzten Platz. Dagegen ist aber das Roma-Team in die zweite Platzierungsrunde gekommen. In ihr wurden die Plätze fünf bis acht ausgespielt, und meines Wissens ist Mongaguá dort ein hervorragender siebter Platz gelungen. Das ist eine sehr gute Bilanz bei diesem hochkarätig besetzten Turnier.“

Nach Informationen von Schuhmacher war das neue Team des SK Hakaoh durch seine dünne Spielerzahl gehandicapt. Es reiste nur mit sechs Akteuren an, so dass jeweils Leihspieler aus Blansko hinzugezogen werden mussten, um die Mindestzahl von sieben Spielern zu erreichen. Der FK Mongaguá wiederum hatte das Pech, trotz einer Vorrunde ohne Niederlage nur Gruppenzweiter geworden zu sein. Dabei haben die Roma-Jungen die Finalrunde um die Plätze 1 bis 4 nur wegen des um ein Tor schlechteren Torverhältnisses verpasst! Dafür seien sie für das gesamte Begegnungsfest eine echte Bereicherung gewesen, sagt Schuhmacher:

FK Mongaguá  (Foto: Gabriela Hauptvogelová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Die Jungs aus Ústí waren restlos begeistert. Sie haben das Kulturprogramm neben dem Fußball förmlich aufgesogen. Sie waren bei jeder Veranstaltung, die es im kulturellen Bereich gab, immer die Ersten und blieben bis zum Schluss dabei. Sie haben sich gefreut, dass sie das machen konnten. Sie haben die sozialen Netzwerke mit vielen Beiträgen gefüllt und gezeigt, wie gut es ihnen gefallen hat.“

So wie den Jungs aus Ústí erging es aber auch den anderen Teilnehmern, und zum Abschluss des diesjährigen Turniers sei auch schon indirekt der Startschuss für das nächste Fußballbegegnungsfest gefallen, versicherte Schuhmacher:

„Wir haben gleich nach so manchem Spiel oder direkt nach dem Turnier viele Zusagen bekommen. Das war erstaunlich. Das zeigt, wie hoch die Wirkungskraft ist sowie die Freude der Jugendlichen an dem Turnier. Ich würde mich freuen, einige der Teilnehmer wieder zu sehen. Also auf ein Neues im Jahr 2019!“

Autor: Lothar Martin
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