Drei Visegrád-Staaten ermöglichen freien Grenzverkehr für 48 Stunden

Foto: ČTK / Václav Pancer

Der Schengen-Raum ist eine der populärsten Errungenschaften der EU. Wegen der Corona-Pandemie wurde er seit Mitte März relativ schnell außer Kraft gesetzt. Jetzt sind einzelne EU-Staaten dabei, den Status quo ante schnellstmöglich wiederherzustellen. Und dazu werden auch Zwischenschritte eingelegt, wie die aktuelle Grenzverkehrsregelung zwischen Tschechien, der Slowakei und Ungarn belegt. Sie erlaubt es deren Bürgern, für 48 Stunden in diesen Ländern frei zu reisen.

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Tomáš Petříček  (Foto: ČTK / Michaela Říhová)
Derzeit vergeht fast kein Tag, an dem von tschechischer Seite nicht über eine Erleichterung des Grenzverkehrs mit den Nachbarstaaten verhandelt wird. Dennoch kam die trilaterale Zwischenlösung zwischen Tschechien, der Slowakei und Ungarn, die am Dienstagabend verkündet wurde, für viele überraschend. In den Inlandssendungen des tschechischen Rundfunks bestätigte Außenminister Tomáš Petříček (Sozialdemokraten) am Mittwochmorgen die Sonderregelung:

„Seit Mitternacht gilt die Festlegung, dass Tschechien, die Slowakei und Ungarn es ihren Bürgern ermöglichen, diese Länder für 48 Stunden zu besuchen, ohne dabei an den Grenzen einen Reisegrund angeben und auch keinen negativen Test auf das Coronavirus vorweisen zu müssen. Bei der Einreise in die Slowakei muss der tschechische Bürger lediglich ein ausgefülltes Formular vorlegen, das von der slowakischen Polizei abgestempelt wird. Von da an muss der Reisende binnen 48 Stunden wieder nach Tschechien zurückkommen.“

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Mit anderen Worten: Wenn sich Tschechen, Slowaken und Ungarn ab heute an zwei Tagen gegenseitig besuchen, müssen sie danach auch keine Quarantäne mehr befürchten. Allerdings sollte vorab ein Formular des slowakischen Innenministeriums ausgedruckt und mitgenommen werden. Dieses Formular gelte auch für die Weiterfahrt nach Ungarn, sagte Petříček. Die einzige Bedingung ist die: Auch dann muss der Reisende binnen 48 Stunden wieder im Heimatland eintreffen.

Diese Regelung bezeichnete Petříček als einen Zwischenschritt auf dem Weg zur früheren Normalität. Bisher schien es so, dass Tschechien den bedingungslosen Grenzverkehr am ehesten mit seinem Nachbarn Österreich wiederherstellt. Doch dieser Sonderregelung konnte man in Wien offenbar nichts abgewinnen:

Alexander Schallenberg  (Foto: Archiv des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen,  Wikimedia Commons,  CC BY 2.0)
„Wir haben mit Österreich darüber gestern intensiv verhandelt, ich habe dazu mit meinem Amtskollegen Alexander Schallenberg gesprochen. Österreich hat sich letztlich dafür entschieden, diese Regelung nicht zu nutzen. Andererseits haben wir uns gegenseitig bestätigt, dass wir auf die völlige Öffnung unserer Grenze zum 15. Juni hinarbeiten. Dann soll zwischen beiden Ländern wieder der freie Verkehr zu Dienstreisen, Familienbesuchen und zum Tourismus möglich sein.“

Mit Deutschland sind ähnliche Verhandlungen offenbar noch nicht so weit fortgeschritten. Dazu hatte Premier Andrej Babiš (Partei Ano) unlängst erklärt, dass die epidemiologische Entwicklung in der Bundesrepublik noch nicht ganz den tschechischen Vorstellungen entspreche. Dafür sollen nun die Verhandlungen mit Polen forciert werden. Vor den Gesprächen mit seinem polnischen Amtskollegen am Mittwoch sagte Petříček:

„Wir haben Polen genauso wie weiteren Ländern mit ähnlich günstiger epidemiologischer Lage mitgeteilt, dass wir darauf zielen, unsere gemeinsame Grenze in der ersten Junihälfte wieder vollständig zu öffnen. Ich glaube daran, dass wir auch mit Polen einen Weg finden, wie wir schnellstmöglich zum vorher üblichen Grenzverkehr zurückfinden können. Unter den derzeitigen Regelungen leiden schon länger vor allem die Grenzregionen beider Länder. Wir haben deshalb mehrfach eine Lösung durch die Öffnung von immer mehr Grenzübergängen gesucht, die die Bürger beider Länder nutzen können. Viele Arbeiter aus Polen kommen nach Tschechien. Dasselbe gilt für tschechische Firmen, die auf polnischem Gebiet tätig sind. Alle mussten bisher wegen der Einschränkungen längere Fahrtzeiten in Kauf nehmen, was ihren Alltag ziemlich erschwert hat.“

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Dazu müssen die Pendler auch weiterhin einen negativen Test auf den Covid-19-Erreger vorweisen – zu Beginn musste dies aller vier Tage geschehen, mittlerweile reicht ein solcher Nachweis einmal im Monat. Bis Mitte Juni aber soll auch diese Hürde fallen.

In gut zwei Wochen stehen zudem die Sommerferien schon unmittelbar bevor. Bis dahin will Tschechien auch mit hierzulande beliebten Urlaubsländern wie Kroatien, Bulgarien und Griechenland einen möglichst grenzfreien Reiseverkehr herstellen. Doch gerade das Top-Ziel Kroatien bereitet der tschechischen Politik noch Kopfzerbrechen, räumt Petříček ein:

„Im Fall Kroatien gilt weiterhin die Information, dass man EU-Bürger einreisen lässt, die eine Buchung in einer Unterkunftseinrichtung des Landes vorweisen können. Aus unserer Sicht besteht aber ein Risiko, weil Kroatien auch Bürgern aus Ländern wie Italien die Einreise gewährt, die wir zur Risikogruppe zählen. Das sehen auch unsere Partner aus Österreich, Ungarn und Slowenien so. Deshalb verhandeln wir weiter. Schließlich wollen wir unsere Bürger nicht der Gefahr aussetzen, dass der Covid-19-Erreger an kroatischen Orten übertragen wird, an denen sich Touristen vieler Länder treffen.“

Wie der tschechischen Außenminister abschließend informierte, verhandeln inzwischen auch Botschafter der Europäischen Union mit Urlaubsländern wie Bulgarien über eine komplette Grenzöffnung ab dem 15. Juni. Und vielleicht gelingt es bis dahin auch der Bundesrepublik Deutschland, die tschechische Seite von ihren Fortschritten bei der Eindämmung des Coronavirus zu überzeugen.