In Dresden heißt es Abschied nehmen: Tschechisches Zentrum wird geschlossen
Es war der Anfang vom Ende des Tschechischen Zentrums in Dresden. Am vierten Februar öffnete das Tschechische Zentrum in Dresden zum letzten Mal seine Türen für die Öffentlichkeit, bevor es zum 31. März ganz geschlossen wird. Zu dieser Trauerfeier war das Haus voller Gäste, so voll wie vielleicht nie in seiner Geschichte. Aber das vergleichsweise mäßige Interesse an tschechischer Kultur hat dem Zentrum nicht den Kopf gekostet, sondern vielmehr die Finanzkrise. Unsere Reporterin Iris Riedel war bei der Beerdigung dabei und hat sich für unseren Kultursalon umgehört, wie es nach zwölf Jahre Tschechisches Zentrum in Dresden weitergehen wird.
„Darf ich sie fragen, warum Sie hierher gekommen sind? - Naja, zu dem traurigen Anlass, dass das Zentrum geschlossen wird, der Tag der offenen Tür heute. Und ich möchte auch die Generalkonsulin sprechen hören. - Weil es schade ist, dass das Zentrum zugemacht wird und ich hier eigentlich auch mal Tschechischunterricht genommen habe und viele Freunde in der Tschechischen Republik habe. - Weil ich das jammerschade finde, dass dieses Tschechische Zentrum schließt. Ich denke, dass es eine große Bereicherung für Dresden und die ganze Region war. Das ist wirklich sehr ärgerlich.“
Unter den Gästen sind die wichtigsten Vertreter der deutsch-tschechischen Szene in der Region. Die Brücke/Most-Stiftung, die Euroregion Elbe/Labe, das deutsch-tschechische Gymnasium in Pirna, die Universität Dresden – sie alle wollen dem Boten der tschechischen Kultur in Mitteldeutschland ihre letzte Ehre erweisen und warten nun auf die Rede der Generalkonsulin der Tschechischen Republik Jarmila Krejčíková. Denn sie ist die Vertreterin des tschechischen Außenministeriums in Dresden und muss Rechenschaft ablegen, warum eines von drei Tschechischen Zentren in Deutschland schließen muss.
„Es tut mir leid. Es tut mir wirklich leid, meine erste Rede öffentliche Rede zu einem Anlass zu halten, den ich mit einem Tschechischen Dichter vielleicht so definieren könnte: 'Bílým šátkem mává, kdo se loučí. Každého dne něco se končí. Něco překrásného se končí.'...“
„... Ein weißes Tuch schwenkt, wer sich verabschiedet, jeden Tag geht etwas zu Ende; etwas Wunderschönes zu Ende.“ Dieses Zitat stammt aus einem Gedicht des tschechischen Lyrikers und Nobelpreisträgers Jaroslav Seifert. Es endet mit den Worten: „Trockne deine Tränen und lächle mit verweinten Augen, jeden Tag fängt etwas an, etwas Wunderschönes an.“ Gerade diese Metaphorik, dass in jedem Ende ein Anfang innewohnt, passe zu der Situation in Dresden, meint die Generalkonsulin. Denn das Wort 'Schließung' nimmt Jarmila Krejčíková nicht gerne in den Mund.
„Das ist keine Schließung, das ist – sagen wir – eine Verschiebung, weil das Tschechische Zentrum nach Düsseldorf zieht.“
In Düsseldorf soll ein Tschechisches Haus entstehen, wo neben Agenturen wie CzechInvest oder CzechTrade auch eine Zweigstelle des Berliner Tschechischen Zentrums eröffnet werden soll. Die Generalkonsulin will deshalb von einer Kürzung oder Wegrationalisierung nichts wissen, aber einen gewissen finanziellen Engpass im Etat des Außenministeriums kann sie dennoch nicht bestreiten.
„Natürlich gibt es auch finanzielle Gründe. Hier in Dresden ein Tschechisches Zentrum zu haben und dazu noch in Düsseldorf, das überschreitet die finanziellen Möglichkeiten. Man braucht die tschechische Gegenwart in Düsseldorf. Das ist die Erklärung, die ich habe und das ist auch die offizielle Stellungnahme.“Der tschechische Staat ist der Ansicht, dass Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bereits gut mit tschechischer Kultur versorgt sind. Deshalb wollen sie in den Westen ziehen. Aber nicht unerheblich bei dieser Entscheidung war auch die Lobbyarbeit von den Agenturen CzechInvest, CzechTrade und CzechTourism, sagt Hana Klabanová, die Direktorin des Tschechischen Zentrums in Dresden.
„Dort sind CzechTrade, CzechInvest, CzechTourism und die Wirtschaftsabteilung der Botschaft in Berlin. Die Wirtschaftsagenturen wollten nach Düsseldorf gehen, weil gerade dort der Sitz von vielen solchen Institutionen ist.“ .
Diese Agenturen arbeiten im Auftrag des tschechischen Außenministeriums und sollen tschechische Unternehmen mit ausländischen vernetzen. Deshalb geben sie alle wie das Tschechische Zentrum ihre Vertretungen in anderen Regionen Deutschlands auf und sammeln sich in einem Haus in Düsseldorf, also im strukturstarken Ballungsraum an Rhein und Ruhr. Hana Klabanová wird zwar ihre Funktion als Direktorin eines eigenständigen Tschechischen Zentrums aufgeben müssen, aber sie hat damit auch gleich ihre neue Aufgabe gefunden. Sie soll die Zweigstelle des Berliner Tschechischen Zentrums in Düsseldorf aufbauen. Und sie wird dort wohl auch alleine bleiben, meint die Direktorin.„Wir müssen es dann mit einem ganz anderen Budget führen als hier. Also mit einer Person kann man nicht soviel leisten. Die Sparmaßnahmen sind maßgebend, auch für die anderen Kollegen in den anderen Zentren. Dieses Büro in Düsseldorf arbeitet auch ganz anders, mehr wie eine Agentur oder ein Kontaktzentrum. Und wir haben dort keine eigenen Räumlichkeiten zur Verfügung.“
Hana Klabanová gibt sich trotzdem zuversichtlich.
„Ich will nicht weinen, aber lachen kann ich auch nicht. Das Leben ist so. Es kommen Veränderungen und hier haben wir nach dem Jahre 1997 und zum EU-Beitritt sehr viel Arbeit geleistet und jetzt gehen wir ein bisschen weiter Richtung Westen, bleiben aber noch in Deutschland.“
In Deutschland gab es bis jetzt drei Tschechische Zentren, nämlich in Berlin, München und Dresden, so viele wie in keinem anderen Land. Das sagt sehr viel darüber aus, welchen Stellenwert Deutschland in Tschechien einnimmt. Und das ist berechtigt, denn Tschechien und Deutschland teilen nicht nur den Einkaufstourismus miteinander, wie es die Volksfestgruppe Randfichten in ihrem Klassiker „Steig ein wir fahrn in de Tschechei“ in erzgebirglerischer Mundart bejodelt.
„Steich' ei, steich' ei, mir fahrn' in de Tschechei, wo alles es so billich is, dor kaafen mir heit ein. Trallala. Der Op' de Om' sei ah' feit mit dorbei. Mir brau'ung zwar nischt, bluus ner' e su gieht's heit in de Tschechei.“
Die beiden Länder teilen eine enge gemeinsame Kultur und Geschichte, die bis in das 12. Jahrhundert zurückreicht, aber gerade im letzten Jahrhundert für die Tschechen mit dem Nationalsozialismus viel Leid und Demütigung bedeutete. So war die Eröffnung eines Tschechischen Zentrums in Dresden im Jahre 1997 eine versöhnliche Geste aus Tschechien. Ein Tschechisches Zentrum ist das Pendant zum deutschen Goetheinstitut. Seine Aufgabe ist es tschechische Kultur im Ausland zu vermitteln. Das Tschechische Zentrum in Dresden war für die Länder Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt zuständig und hat Tschechischkurse angeboten sowie Ausstellungen und Konzerte organisiert und finanziert. Die erfolgreichste Ausstellung fand 2009 auf Schloss Moritzburg bei Dresden statt und hatte den Kultfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ zum Thema. Innerhalb von drei Monaten kamen mehr als 100 000 Besucher.
Vielleicht sind die Besucher nicht immer zu den Veranstaltungen des Tschechischen Zentrums geströmt. Was wohl eher daran liegt, dass die Fans der tschechischen Kultur nicht so zahlreich sind wie zum Beispiel die der französischen. Aber das Tschechische Zentrum wurde in Dresden gehört. Es hat sich im Laufe von zwölf Jahren zu einem der wichtigsten Kulturveranstalter und Förderer der Stadt aufgeschwungen. Das liegt nicht zuletzt an dem Festival Deutsch-Tschechische Kulturtage, bei dem jährlich im Herbst über 100 Konzerte, Lesungen, Filmvorführungen, Ausstellungen, Märkte und sogar eine Knödelolympiade angeboten werden. Der Bärenanteil der Vorbereitungen lag dabei beim Tschechischen Zentrum und der Brücke/Most-Stiftung Dresden. Die Stiftung muss nun ohne ihre zweite Hälfte das Festival stemmen, sagt Geschäftsführer Peter Baumann.„Es geht um die Sache und es wird ohne Tschechisches Zentrum weitergehen, aber natürlich wird es schwieriger werden. Die Organisation muss auf andere Schultern verteilt werden. Da wissen wir noch nicht genau, wie viel das sein wird. Das sehen wir schon ein bisschen mit Sorge, weil wir das nicht leisten können.“
Aber das Festival wird seinen bisherigen Umfang an Veranstaltungen wahrscheinlich behalten, verspricht Baumann. Mit zukunftsweisenden Gesprächen, böhmischen kulinarischen Spezialitäten und wehmütigen Volksmusikklängen der Instrumentalgruppe Slovaczek klingt die Trauerfeier im Tschechischen Zentrum an seinem letzten Tag der offenen Tür aus. Für seine Witwe, die Direktorin Hana Klabanová, ist es zugleich ein Neuanfang. Aber der Verlust wiegt immer für die schwerer, die zurückbleiben. Denn auch wenn nicht alle in Dresden das Kulturangebot des Tschechischen Zentrums wahrgenommen haben, fehlen wird es doch.