DTIHK-Chef Fischer: Die Politiker wissen um die Bedeutung der Wirtschaft

Rudolf Fischer (Foto: Archiv DTIHK)

Am Freitag und Samstag finden in Tschechien die Wahlen zum Abgeordnetenhaus statt. Welche wirtschaftspolitischen Konzepte aber verfolgen die Parteien, die sich zur Wahl stellen? Mit welchen Mitteln wollen sie die drängenden Herausforderungen des tschechischen Wirtschaftsstandorts angehen und die Konkurrenzfähigkeit des Landes stärken? Das sind nur zwei von vielen Fragen, die die Unternehmen derzeit beschäftigen, darunter auch die Mitglieder der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK). Im Vorfeld der Wahlen hat die Kammer daher mit Top-Vertretern der potenziellen Parlamentsparteien entsprechende Gespräche geführt. Zu deren Inhalt und über die Hoffnungen, die die Kammer an die neue Regierung knüpft, hat Radio Prag mit DTIHK-Präsident Rudolf Fischer gesprochen.

Rudolf Fischer  (Foto: Archiv DTIHK)
Herr Fischer, es wird allmählich zur Tradition, dass die Wirtschaft besonders vor Wahlen den Kontakt zu den politischen Parteien hier in Tschechien sucht. Schon vor drei Jahren wurde auch ihre Kammer aktiv und hat den Spitzenvertretern der kandidierenden Parteien einen Sieben-Punkte-Plan vorgelegt. Welche Erfahrungen hat ihre Kammer in den damaligen Gesprächen mit den Politikern gemacht und welche Schlüsse hat sie daraus gezogen?

„Generell kann ich behaupten, dass die Kammer positive Erfahrungen gemacht hat. Man muss mit den Parteien im Dialog stehen. Die Kammer hat nach meiner Meinung nicht nur die Tradition gewahrt und fortgeführt, während der Wahlkampfperiode mit den Parteien zu sprechen, sondern auch darüber hinaus den Kontakt zu suchen.“

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Diesmal haben Sie sechs Schwerpunktthemen, die Sie ansprechen wollen bzw. schon angesprochen haben. Welche Themen sind das, und weshalb sind Sie Ihnen so wichtig?

„Es sind insgesamt sechs Schwerpunktthemen, die wir definiert haben. Die Grundlage dazu waren die jährlichen Umfragen in unserer Kammer mit den Mitgliedsunternehmen. Die Unternehmen machen darin deutlich, welche Faktoren für den Wirtschaftstandort wichtig sind. Das sind zum Beispiel die Themen praxisorientierte Ausbildung mit dem Schwerpunkt Berufsausbildung, flexibler Arbeitsmarkt, günstige Bedingungen für Forschung und Entwicklung, Rechtsschutz und Transparenz, Integrität und fairer Wettbewerb sowie nicht zuletzt der Abbau von Bürokratie. Das sind die Themen, die bereits seit einiger Zeit offenstehen und die wir immer wieder anbringen, um Veränderungen zu bewirken.“

Sie sagten, dass mehrere Themen noch offen sind. Sind das Themen, die nachhaltig bearbeitet werden müssen?

Foto: Archiv Radio Prag
„Es sind Themen, die nicht von heute auf morgen realisierbar sind. Ihre Umsetzung ist vergleichbar mit der Ausdauer, die man für einen Marathonlauf benötigt. Es sind aber auch Themen, die unmittelbar begonnen werden sollten, und die diese Laufstrecke also noch vor sich haben.“

Welches zum Beispiel?

„Ein solches Thema ist die praxisorientierte Ausbildung. In diesem Punkt mahnt und sensibilisiert die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer – und inzwischen auch zusammen mit den lokalen Wirtschaftsverbänden – die Politik bereits seit mehr als zehn Jahren, dass dieses Thema gelöst werden muss. Das ist ein typisches Beispiel dafür, dass es manchmal länger dauert mit der Umsetzung.“

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Wir stehen jetzt kurz vor den Wahlen. Gab es bereits Gespräche mit einigen Parteien? Und wie sind diese verlaufen?

„Wir hatten mittlerweile vier Gespräche mit vier verschiedenen Parteien. Insgesamt haben meine Kollegen und ich einen sehr positiven Eindruck dabei gewinnen können. Alle Gespräche verliefen sehr offen und konstruktiv, sodass wir unsere Themen entsprechend positionieren konnten. Gleichzeitig zeigte auch die andere Seite ein gewisses Verständnis für unsere Belange. Wir haben beispielsweise unsere Sorge darüber geäußert, dass sich aufgrund der derzeitigen politischen Landschaft möglicherweise ein Linksruck in der zukünftigen Regierung entwickeln könnte. Damit geht auch eine negative Erwartungshaltung auf Seiten der Wirtschaft einher. Das ist eine der großen Sorgen der Unternehmen und ausländischen Investoren.“

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Knüpft die Wirtschaft an einen Linksruck immer gleich die Befürchtung, dass auf sie zum Beispiel damit sehr viele Ausgaben in sozialer Hinsicht zukommen? Was genau ist in dem Fall die Befürchtung der Wirtschaft?

„Es geht nicht nur um das Thema Ausgabenerhöhungen, sondern auch um bürokratische Reglementierungen kontra Liberalität in der Wirtschaftspolitik. Diese Problematik verbinden wir mit linksorientierten Regierungen. Diese Befürchtungen müssen nicht automatisch eintreten, trotzdem ist es legitim, die Sorge darüber vorher öffentlich zu machen.“

Regierung Nečas  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Mit welchen vier Parteien haben Sie schon gesprochen? Und war darunter vielleicht auch eine Partei, die sie positiv überrascht hat?

„Wir haben schon mit den Parteien ČSSD, ANO, ODS und KSČM gesprochen. Ich möchte hier neutral bleiben, kann aber sagen: Unsere Aussagen wurden mehr oder weniger bestätigt, alle Parteien haben unsere Erwartungen wie auch Sorgen erkannt. Wir hoffen, dass unsere Anregungen dann auch von der kommenden Regierung politisch umgesetzt werden.“

Vor drei Jahren waren die Hoffnungen allerdings auch groß, als ein Bündnis dreier Mitte-Rechts-Parteien unter Premier Petr Nečas die Federführung im Land übernahm. Wie die Regierungszeit von Nečas endete, wissen wir. Was sollte diesmal anders sein? Sind es nicht gerade politische Kontinuität und Verlässlichkeit, die diesem Land noch etwas fehlen?

Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Ich denke, dass sich die politische Landschaft diesmal doch sehr stark bewegt hat. Es könnte sein, dass nun bis zu sieben Parteien teils unterschiedlichster Ausrichtung im Parlament vertreten sind. Dies bedeutet, dass ohne eine Koalition von mehreren Parteien keine mehrheitsfähige Regierung zustande kommt. Aus meiner Sicht haben alle Parteien sehr divergente Parteiprogramme. Es wird also wie in Deutschland Sondierungsgespräche geben müssen. Dabei wird es allerdings sehr schwierig sein, einen gemeinsamen Nenner zu finden und eine starke Koalition für die nächsten vier Jahre zu bilden.“

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Wäre es anhand Ihrer gewonnenen Eindrücke für die Kammer vielleicht weniger genehm, wenn diese oder jene Partei in der neuen Regierung vertreten wäre? Oder haben Sie aus den Gesprächen heraus erfahren, es haben alle verstanden, dass die Marktprinzipien eingehalten und die wichtigsten Forderungen der Wirtschaft daher umgesetzt werden müssen?

„Ich denke, es haben alle Parteien verstanden, dass eine Gesellschaft sich nur dann sehr gut entwickeln kann, wenn auch die Wirtschaft funktioniert – sie ist der wesentliche Motor für einen gesellschaftlichen Fortschritt. Die Parteien verfolgen hier unterschiedliche Wege und Ziele. Dennoch denke ich, alle politischen Vertreter wissen und spüren, dass die wirtschaftliche Entwicklung das A und O ist. Vor allem die transnationale Ebene muss dabei stärker beachtet werden: die Einbindung in die EU und in die globale Marktwirtschaft. In diesem Punkt steht Tschechien aber nicht alleine da, sondern muss im Wettbewerb mit anderen Ländern bestehen. Hierbei gilt: Nur ein günstiger Standort lockt auch Investoren in das Land. Das haben alle Parteien verstanden. Die Frage ist, wie groß der Gestaltungswille der einzelnen Parteien letztlich ist, um diese Themen auch mit in das Regierungsprogramm aufzunehmen.“

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Derzeit wissen wir noch nicht, wie sich die Parteienlandschaft nach den Wahlen formieren und wie die neue Regierungskoalition aussehen wird. Was aber wären von den sechs Punkten, die Sie auf den Tisch gelegt haben, die ein, zwei wichtigsten, die Sie gern sofort angehen würden? In welchem Punkt wollen Sie am schnellsten Verbesserungen erreichen?

„Es geht uns nicht nur um die sechs Punkte, auch wenn sie unsere Kernpunkte sind. Man kann sie aber nicht singulär betrachten, da sie zum Großteil miteinander verknüpft sind. Forschung und Entwicklung zum Beispiel hängen maßgeblich von der Bildungspolitik und dem Qualifikationsniveau ab. Beim Thema flexibler Arbeitsmarkt wiederum geht es unter anderem darum, die selbst ausgebildeten und qualifizierten Mitarbeiter auch im Unternehmen zu binden. Die Methodik der Kurzarbeit sollte dabei unterstützt werden. Ein anderes wichtiges Thema für uns ist die Weiterführung der Haushaltskonsolidierung. Auf der anderen Seite müssen aber auch Wachstumsimpulse gesetzt werden, die nicht unbedingt konträr zur Haushaltspolitik stehen. In Abstimmung mit dem Haushalt müssen sie indes umgesetzt werden. All diese Themen müssen ausbalanciert werden, um für mehr Wachstum und Innovation zu sorgen.“