DTIHK-Umfrage: Firmen kritisieren fehlende politische Stabilität in Tschechien

Gebäude der DTIHK (Foto: www.dtihk.cz)

Der Wirtschaftsstandort Tschechien ist nach wie vor attraktiv. In besonderem Maße auch für deutsche Firmen. Im internationalen Konkurrenzkampf aber müssen sich die Wirtschaftsbeziehungen beider Länder Tag für Tag aufs Neue bewähren. Die von der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) schon traditionell durchgeführte Konjunkturumfrage liefert dafür stets zu Beginn des Frühjahrs eine aktuelle Standortbestimmung. Über mehrere Aspekte der diesjährigen Umfrage, die Ende März veröffentlicht wurde, hat Radio Prag mit dem Leiter der Abteilung Unternehmenskommunikation bei der Kammer, Sebastian Holtgrewe, gesprochen.

Herr Holtgrewe, Sie haben heute die Ergebnisse der Konjunkturumfrage für das Frühjahr 2010 präsentiert. Mittlerweile kann man festhalten: Wir haben das so genannte Hauptkrisenjahr 2009 bereits hinter uns. Welche Auswirkungen hat das vergangene Wirtschaftsjahr gehabt? Hat im vorigen Jahr eventuell auch die deutsch-tschechische Zusammenarbeit gelitten?

Sebastian Holtgrewe
„Es ist ja eine globale Wirtschaftskrise, die wir derzeit noch durchmachen. Von ihr ist natürlich auch die deutsch-tschechische Wirtschaft betroffen. Unsere Umfrage hat dann auch gezeigt, dass sich die Situation innerhalb des letzten Jahres nicht wirklich verbessert hat. Die meisten Unternehmen bewerten die wirtschaftliche Gesamtlage weiterhin als schlecht, auch deshalb, weil sie deutliche Probleme hier am Standort haben.“

Es hat sich auch gezeigt, dass der Optimismus wieder etwas gedämpft ist. Wie Sie berichtet haben, hat es Ende vergangenen Jahres schon viel positiver ausgesehen. Hatten sich denn die Firmen mehr erhofft? Glaubten sie, dass Tschechien schneller und besser aus der Krise herauskommt?

„Ja, ganz sicher sogar. Ende letzten Jahres war die Stimmung schon ganz gut, vor allem in Deutschland, aber davon beeinflusst wohl auch in Tschechien. Die Abwrackprämien sind zum Erhebungszeitraum im letzten Oktober gerade ausgelaufen, die Auftragsbücher waren noch einigermaßen voll, die Stimmung bei den Firmen war besser. Jetzt sind alle Konjunkturprogramme im Endeffekt ausgelaufen, doch die wirtschaftliche Erholung, die man sich davon versprochen hatte, ist nicht in dem gewünschten Maße zu sehen. Die Stimmung ist folglich wieder etwas schlechter geworden und der Optimismus wieder etwas zurückgegangen.“

Woran liegt das? Aus Deutschland ist zu hören, dass die Konjunktur schon wieder leicht angesprungen ist und der Aufwärtstrend weiterhin sichtbar ist. Aber hier in Tschechien will das nicht gelingen. Was wird kritisiert?

Foto: Europäische Kommission
„Es sind in Tschechien eigentlich immer dieselben Kritikpunkte, die genannt werden. Ein großes Thema ist zum Beispiel die Verzögerung bei der Euro-Einführung, weil Auslandsgeschäfte den ständigen Wechselkursschwankungen unterliegen. Diese Schwankungen machen sich gerade jetzt infolge der Griechenland-Krise bemerkbar, wo der Euro ein bisschen schwächelt und die Tschechische Krone im Gegenzug wieder etwas aufgewertet wird. Das macht den exportorientierten Firmen wirklich sehr zu schaffen, besonders in Krisenzeiten, in denen Planungssicherheit eigentlich das A und O ist. Kurzum, die Wechselkursschwankungen sind für die Firmen ein großes Problem.“

Als einen kritischen Faktor haben Sie in der Umfrage erstmals auch die „politische Stabilität“ genannt. Was gibt es dazu ganz konkret zu sagen?

Foto: Europäische Kommission
„Es stimmt, das ist ein ganz neuer Kritikpunkt. Wir haben in Tschechien jetzt ein Jahr Übergangsregierung hinter uns, die Unternehmen aber wünschen sich gerade in Krisenzeiten eine handlungsstarke Politik. In erster Linie also eine handlungsstarke Regierung, die wirklich entscheiden und die notwendigen Strukturreformen auf den Weg bringen kann. Wir sprechen über Fiskal-Reformen oder die Euro-Einführung als Ziel. In dieser Hinsicht aber hat es im zurückliegenden Jahr eine Politikschwäche, ja beinahe ein Politvakuum gegeben, und deshalb ist bei den Unternehmen eine absolute Unzufriedenheit aus unserer Umfrage abzulesen. Die Firmen wünschen sich demgegenüber einfach Stabilität, klare Verhältnisse und eine berechenbare politische Situation.“

Haben es einige der deutschen Firmen angesichts der wenig zuverlässigen politischen Verhältnisse in Tschechien nicht schon bereut, dass sie hierher gekommen sind?

„Nein, man kann bei weitem nicht sagen, dass es Unternehmen bereut haben, den Schritt gemacht zu haben. Wir befinden uns derzeit in einer weltweiten Wirtschaftskrise, und so richtig gut läuft es im Moment eigentlich fast nirgendwo. Auf die Frage aber, ob die Unternehmen auch heute wieder am Standort Tschechien investieren würden, haben 80 Prozent der Firmen, also die absolute Mehrheit mit ´Ja´ geantwortet. Das heißt also: Sie haben gute Geschäfte gemacht in Tschechien, sie planen hier zu bleiben und werden mit Sicherheit auch den Standort nicht verlassen. Tschechien ist nach wie vor ein attraktiver Standort in Mittel- und Osteuropa für deutsche Unternehmen. Das gilt insbesondere für Firmen aus dem klein- und mittelständischen Sektor, aus der Automobilindustrie und in naher Zukunft auch sicher wieder aus dem Maschinenbau, sobald der sich von der Krise erholt hat. Es ist also absolut damit zu rechnen, dass die deutschen Investoren hier in Tschechien weiterhin eine wichtige Rolle spielen.“

Sie sprachen davon, dass sich Zweige wie der Maschinenbau noch von der Krise erholen müssen. Worauf legt man denn jetzt besonderen Wert, dass es zu dieser Erholung auch kommt?

„Ein ganz wichtiger Punkt, der im Moment so ein bisschen im Raum steht, ist die Flexibilisierung des Arbeitsrechts. Damit haben gerade die produzierenden Firmen hierzulande große Probleme. Es ist so, dass es zwar Arbeitszeitkonten gibt, diese Arbeitszeitkonten aber nach einem halben Jahr mit Genehmigung der Gewerkschaften innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden müssen. In einer solchen Strukturkrise, in der wir uns hier zurzeit befinden, ist ein Jahr im Prinzip kein nennenswerter Zeitraum. Es wäre also wünschenswert, wenn es dafür längerfristige Fristen geben würde. Darunter leidet natürlich die Beschäftigungssituation. Wir müssen daher davon ausgehen, dass die Arbeitslosenquote hier im Land weiter ansteigt. Zwar nicht mehr so stark, wie in den vergangenen zwölf Monaten, aber man muss auch deutlich sagen: Wir sind noch nicht am Ende des Tunnels! Immerhin ein Viertel der von uns befragten Unternehmen rechnet damit, dass sie ihren Personalbestand weiter reduzieren müssen. Hier besteht also ein dringender Handlungsbedarf. Kurzfristig könnte man da etwas erreichen, indem man diese Ausgleichszeiträume verlängern würde. Das würde vielen Unternehmen helfen, ihren Personalbestand konstant zu halten. Und das wiederum wäre natürlich wünschenswert für die gesamte wirtschaftliche Situation in Tschechien.“

Keine unbedingt rosigen Aussichten, aber eine Krise bietet auch immer eine Chance. Erhoffen sich daher die befragten Firmen von den Auswirkungen der Krise, dass Tschechien dazu lernt und dann ab Sommer mit einer hoffentlich stabilen Regierung wieder Nägel mit Köpfen macht?

Gebäude der DTIHK  (Foto: www.dtihk.cz)
„Absolut. Wenn Sie sagen, eine Krise birgt auch eine Chance in sich, dann ergänze ich: Eine Krise zeigt auch immer so ein bisschen die Probleme auf. Wenn es gut läuft, sehen die Leute manchmal nicht, dass es auch schlechte Elemente gibt. Und gerade wenn es schlecht läuft, merkt man erst so richtig, wo eigentlich in gewisser Weise der Schuh drückt. Man muss jetzt gut analysieren, und dann mit einer hoffentlich starken Regierung an den richtigen Schrauben drehen. Es gilt, die notwendigen Reformen so auf den Weg bringen, dass die angesprochenen Probleme in Zukunft in Tschechien eben nicht mehr bestehen oder zumindest verringert werden. Nur so wird Tschechien auch weiterhin hochattraktiv bleiben für ausländische Investoren.“