Eduzměna: Welchen Wandel braucht Tschechiens Schulsystem?
Lehrer, die nur frontal unterrichten, Eltern, die gute Noten fordern, Kinder, die nicht gern in die Schule gehen – im tschechischen Bildungssystem gibt es scheinbar einen großen Verbesserungsbedarf. Eine Reihe Nichtregierungsorganisationen haben es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, die Bildungslandschaft ein Stück weit positiver zu gestalten. Eine von ihnen ist Eduzměna. Der Stiftungsfonds versucht, einen Systemwandel herbeizuführen – unter anderem durch Weiterbildungsangebote für Pädagogen und Schulleiter.
„Ich habe von Anfang an versucht, anders zu unterrichten, und habe zum Beispiel viele Projekte mit den Schülern gemacht. Aber die Kollegen waren immer viel konservativer. Und die Schulleitung war stets damit beschäftigt, alles irgendwie zusammenzuhalten.“
Jitka Gabašová war 18 Jahre lang Lehrerin an einem Prager Gymnasium. Dann stieg sie aus und machte sich daran, gemeinsam mit anderen engagierten Menschen die tschechische Schulbildung ein Stück weit zu revolutionieren. Eduzměna heißt die Organisation, in der sie heute arbeitet. Eduzměna, dieses Wort verbindet das lateinische „educare“, also „Bildung“, mit „změna“, dem tschechischen Wort für „Wandel“ oder „Änderung“. Aber was genau will Eduzměna verändern?
„Wir wollen, dass die Schüler gerne in die Schule gehen und sie auf die Chancen des 21. Jahrhunderts vorbeireitet sind. Viele Schulen sind noch ziemlich konservativ, die Lehrer unterrichten dort seit 30 oder 40 Jahren. Die Schüler wollen aber nicht mehr nur dasitzen und passiv zuhören – sie wollen aktiv werden.“
Dass die Kinder in Tschechien nicht gern in die Schule gehen, ergab jüngst etwa eine von Unicef in Auftrag gegebene Studie. Durchgeführt wurde die Untersuchung vom Meinungsforschungsinstitut Stem/Mark. Drei von zehn Schülern gaben dabei an, sich nicht auf den Unterricht zu freuen. Die Gründe waren dabei nicht nur, dass ihnen die Lehre keinen Spaß mache. Die Schüler nannten auch, dass sie Angst vor den Prüfungen und schlechten Noten hätten.
Dies müsse sich ändern, meint Jitka Gabašová. Zugleich solle der Unterricht in Tschechien viel individueller ablaufen, sagt sie. Sowohl begabte Kinder müssten passgenau unterrichtet werden als auch solche Kinder, die Unterstützung bräuchten, etwa weil ihre Voraussetzungen nicht so günstig seien.
Mit dieser Forderung spricht Eduzměna nun schon seit fast vier Jahren Pädagogen in Tschechien an – und liefert potentielle Lösungsansätze gleich mit:
„Wir bieten verschiedene Methoden an, die den Unterricht interessanter machen können. Und wir suchen auch Tipps für Weiterbildungen heraus.“
Individuelle Betreuung von über 50 Bildungseinrichtungen
So sinnvoll die Ziele von Eduzměna auch klingen mögen – wie überzeugt man alle Lehrer eines Landes davon, ihren eigenen Unterricht zu überdenken? Der Stiftungsfonds fing im Kleinen an und wählte zunächst eine Region aus, in der 2020 ein Pilotprojekt gestartet wurde. Die Wahl fiel dabei auf die Region um Kutná Hora / Kuttenberg. Gabašová:
„Es gibt dort über 50 Bildungseinrichtungen, also Kindergärten, Grundschulen, Fachschulen und Gymnasien. In jeder dieser Institutionen sind Begleiterinnen und Begleiter von uns aktiv.“
Und eine von ihnen ist eben auch Jitka Gabašová. Als Mentorin betreut sie acht Einrichtungen, genauer: drei Kindergärten, drei Grundschulen, ein Gymnasium und eine Fachmittelschule. Ehe es aber so weit kam, musste zunächst die Leitung der jeweiligen Bildungseinrichtung überzeugt werden, sich an dem Projekt zu beteiligen.
„Das war am Anfang eine sehr wichtige Aufgabe. Wir mussten das Vertrauen der Schulleitung und der Lehrer gewinnen.“
Das habe mal mehr und mal weniger gut funktioniert. Unterschiedlich intensiv sei die Zusammenarbeit heute, schildert Gabašová. Aber mit den meisten Institutionen kooperiere man sehr eng, sagt sie.
Nachdem die Einigung über die Zusammenarbeit abgeschlossen wurde, war die erste Aufgabe der Mentoren vor Ort, Daten über das Geschehen an der Schule zu sammeln, um diese anschließend auswerten zu können.
„Ein Jahr lang haben wir daran gearbeitet, überhaupt erst einmal den Zustand der Schulen zu beschreiben. Dafür haben wir mit den Kindern, den Lehrern, dem Rektorat, aber auch mit den Eltern gesprochen.“
Und vor allem durch die Einbindung der letztgenannten Akteure – der Eltern – unterscheide sich Eduzměna von vergleichbaren Organisationen in Tschechien. Oft würden die Mütter und Väter der Kinder außenvorgelassen bei der Betrachtung von möglichen Verbesserungen im Schulwesen. Aber das sei ein Fehler, meint Gabašová. Die Eltern müssten mitbedacht werden, betont sie:
„Sie denken häufig, dass sie selbst ja auch dieses Schulsystem absolviert haben, gute Ergebnisse hatten und heute in einem guten Job arbeiten. Warum sollte sich also etwas ändern? Die Eltern wollen häufig nur, dass ihre Kinder anständige Ergebnisse und Noten bringen.“
Auch diese Haltung wolle Eduzměna also ändern, so Gabašová. Den Eltern solle bewusstgemacht werden, dass jedes Kind ein Recht darauf habe, zu machen, was ihm guttue, Spaß bereite, und wo es seine Stärken fühle.
Das Projekt soll weiter wachsen
Jitka Gabašová macht ihre Arbeit sichtlich Freude. Sie sagt aber auch:
„Manchmal ist die Arbeit sehr schwierig. Man hat das Gefühl, einen Schritt nach vorne zu gehen und zwei Schritte zurück.“
Am Ball bleibt sie dennoch, auch weil sich bereits erste konkrete Erfolge eingestellt hätten:
„An einer der Schulen etwa gab es viele Probleme in den Beziehungen untereinander. Der Direktor und ich trafen dann eine Absprache. Ich habe ihn beraten, wie er eine bessere Einsicht in die Situation bekommen könnte.“
Und das mit Erfolg. Weil es diesen auch an anderen Schulen in der Region Kutná Hora gibt, soll das Projekt in Zukunft noch auf weitere Gegenden Tschechiens ausgeweitet werden und weiter wachsen.
Eduzměna ist dabei bei weitem nicht die einzige Organisation, die sich einer Verbesserung der Schulbildung hierzulande verschrieben hat. Ähnliche Institutionen sind etwa EDUin, Schola Empirica oder Začít spolu (Gemeinsam beginnen). Während Eduzměna mit diesen NGOs bereits kooperiert, gebe es auch zahlreiche weitere Gruppen, die ähnliche Ziele verfolgten und mit denen bisher noch keine Zusammenarbeit bestehe, so Gabašová. Mitunter könne es so vereinzelt auch zu der unglücklichen Situation kommen, dass man sich in die Quere komme…
„Es geht immer ums Geld. Denn natürlich wollen alle Unterstützung von den großen Spendern haben.“
Eduzměna hatte das Glück, einige finanzstarke Mitstreiter mit ins Boot zu holen, darunter die Bank Česká spořitelna oder der Open Society Fund. Doch das Problem der Vernetzung bleibe, und Gabašová sieht dabei auch das Bildungsministerium in der Verantwortung:
„Ich hoffe, dass sich da etwas ändert. Das Ministerium könnte uns alle vielleicht miteinander verbinden und eine gemeinsame Richtung geben. Es gibt dahingehend Bemühungen, so hat man etwa die ‚Strategie 2030+‘ verabschiedet. Aber eine enge Verknüpfung zwischen den Organisationen nehme ich nach wie vor nicht wahr. Wir bemühen uns alle, aber die Zusammenarbeit könnte noch koordinierter und stärker werden.“
Und Aufgabe der Politik wird es am Ende wohl auch sein, einen Systemwandel herbeizuführen und den Schulunterricht in Tschechien zum Besseren umzugestalten.