Ehemaliger politischer Gefangener František Šedivý gestorben

František Šedivý (Foto: Jana Přinosilová, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

Im Alter von 93 Jahren ist am Dienstag der ehemalige politische Gefangene und Schriftsteller František Šedivý gestorben. Während des Zweiten Weltkriegs engagierte er sich im Widerstandskampf. Nachdem die Kommunisten am 25. Februar 1948 die Macht in der Tschechoslowakei ergriffen hatten, wurde er zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Das kommunistische Regime schickte den Widerstandskämpfer zur Zwangsarbeit in ein Uranbergwerk.

Geburtshaus von František Šedivý in Zadní Třebaň  (Foto: Archiv Post Bellum)

František Šedivý wurde 1927 im mittelböhmischen Zadní Třebáň geboren. Er wurde im Geist der Ideale der Ersten Republik erzogen. Mit 17 Jahren wurde er von den Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit verpflichtet. Er arbeitete damals mit einer Widerstandsgruppe zusammen, die sich in den Wäldern um Křivoklát bewegte. Nach der Befreiung studierte er Wirtschaft in Prag. Er stimmte der politischen Entwicklung in der damaligen Tschechoslowakei nicht zu, als die Kommunisten 1948 an die Macht kamen und mit einer harten Verfolgung ihrer Gegner begannen. Šedivý half Menschen, die ins Exil wollten, über die Grenze nach Bayern zu flüchten. Für das Zeitzeugenprojekt „Paměť národa“ (Gedächtnis des Volkes) hat er sich vor einigen Jahren daran erinnert:

„Eine junge Frau mit zwei Kindern wollte über die Grenze flüchten. Wenn ich heute darüber nachdenke, war es von meiner Seite aus Unsinn und ein großes Risiko. Ich kannte den Weg und wusste, dass ich still sein muss. Aber die anderen? Der Weg, den ich ging, führte auch durch ein Sumpfgebiet. Das haben die Grenzsoldaten nur ungern betreten. Die Frau trug ein Kind, ich trug das andere Kind. Es gelang uns, über die Grenze zu gelangen. Das dauerte fünf Stunden, und ich musste weitere fünf Stunden wieder zurück wandern, bevor es hell wurde. Ich musste unauffällig nach Hause  gehen. Meine Mutter sollte nichts erfahren. Sie wäre verrückt geworden. Das war 1949.“

František Šedivý in den 1940er Jahren  (Foto: Archiv Post Bellum)

Mit seinen Freunden gründete František Šedivý eine Untergrundgruppe, die dem kommunistischen Regime entgegenwirken wollte. Nach einiger Zeit wurde die Gruppe von einem Spitzel infiltriert, und die jungen Menschen wurden im Mai 1952 verhaftet. František Šedivý dazu:

„Ich kam nach Hause. Dort saß ein Mann mit so einem abscheulichen Gesicht und musterte mich. Auf einmal hielt ein Auto vor dem Haus, zwei Männer unterhielten sich draußen, und der Mann, der bei uns war, richtete plötzlich die Pistole auf mich und sagte, ich solle stehen bleiben. Ich wusste sofort, was los ist. Ich fragte, was ist passiert, doch sie brüllten nur: ,Maul halten!‘ Inzwischen wurde unser Haus durchgesucht. Die Mutter bereitete mir etwas zum Essen vor, aber ich konnte nichts essen. Die Geheimdienstler beendeten die Razzia. Sie mussten wissen, dass sie nichts finden. Sie haben mich aber mitgenommen, die Mutter war schockiert. Sie begleitete mich zur Tür. Sie winkte mir noch zu. Mit dem Tatra fuhren wir weg.“

František Šedivý wurde zu 14 Jahren Haft verurteilt. Er verbrachte zwölf Jahre in den kommunistischen Gefängnissen sowie in den Uranbergwerken in Jáchymov / Joachimsthal und bei Příbram. Die Bergwerke dienten dem Atomwaffenprogramm der Sowjetunion. Die politischen Gefangenen arbeiteten ohne Schutzkleidung mit dem gefährlichen Material. 1964 wurde František Šedivý auf Bewährung freigelassen.

František Šedivý  (Foto: Archiv Post Bellum)

Nach der Wende von 1989 war er in der Konföderation der politischen Gefangenen aktiv. Er schrieb einige Bücher und war Mitglied des Internationalen PEN-Klubs. Das Buch „Uran für die Sowjetunion“ erschien 2015 bei der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig. František Šedivý appellierte in einem Gespräch für das Zeitzeugenprojekt an die jungen Leute:

„Die junge Generation soll sich dessen bewusst werden, dass das wirkliche Menschleben nur in einem freien Land und in Freiheit Wert hat. Von der Freiheit leitet sich alles andere ab, was einen Menschen zum Menschen macht. Wenn dies jemand unterdrückt, führt er die Gesellschaft in eine ungünstige Lage. Darauf sollte die junge Generation achten. Dass sie nicht wieder jemand mit verlockenden Angeboten verwirrt und ins Unglück führt, und zwar zu etwas, was eine neue Sklaverei und neues Blutvergießen mit sich bringt. Ein solches Unglück stellte für uns zuletzt der Kommunismus dar.“