Ein liebenswerter Liebhaber

Don Giovanni

Speziell für Prag komponierte Wolfgang Amadeus Mozart die Oper der Opern: den Frauenverführer Don Giovanni! Am 29. 10. 1787 hatte sie ihre Weltpremiere im Ständetheater. Ihr Dirigent: Mozart persönlich. Doch noch immer ruht er nicht und dirigiert und dirigiert: Allerdings jetzt in etwas hölzener Verfassung: Als Marionette im Marionettentheater in Prag. Denn seit über 10 Jahren lüftet sich dort der Vorhang und Don Giovanni ertönt. Melanie Thun hat die Aufführung besucht.

Auf den Werbezetteln für die Aufführung klingt es fast wie eine Drohung: "Nicht unseren Don Giovanni gesehen zu haben, bedeutet, nicht in Prag gewesen zu sein!" Eine Erklärung für diese Drohung liefert Petr Vodicka, der Produktionsleiter der Aufführung:

Es ist eine interessante Sache, weil das eine klassische Sache mit tschechischem Humor ist. Eine Show - kann man sagen. Also, ich hoffe für die Zukunft dieser Show.

Für die Zukunft, nämlich auf eine gute Show, hofft das Publikum auch, das sich den Eintritt 490 Kronen, etwas mehr als 16 Euro, kosten ließ. Doch noch heißt es warten: Das erste Klingeln ertönt und mit einem Quitschen schließen sich die Türen des kleinen Theaters in der Zatecka-Straße. Ein weiteres Klingeln reduziert die Lautstärke um die Hälfte und die erste Puppe macht dem Stimmengewirr endgültig den Garaus. Handelt es sich doch um Mozart höchstpersonlich in barocker Kleidung und barockem Zöpfchen samt ebenso barocker Perücke. Doch ist er diesmal nicht nur zum Dirigieren, sondern auch als Spaßvogel verpflichtet worden - mit Erfolg wie Lachen und Gekicher beweisen:

So hat Mozart mit zwar nicht sichtbaren, aber unwilligen Musikern im Orchestergraben zu kämpfen, mit einer Frisur, die ihm den Blick versperrt oder Lautsprechern, gegen die er stößt. Mozart als Tolpatsch, dessen mißmutiger Blick in das Publikum genügt, daß die versammelten Japaner, Franzosen, Italiener, Spanier und Deutsche kollektiv lachen. Frauenheld Don Giovanni muß sich da anderer Mittel bedienen und seinen nackten, knackigen Puppenkörper präsentieren - wie es sich für einen feurigen Liebhaber gehört. In einer Bad-Szene fordert er seinen Diener Leporello mit herausgestrecktem Marionetten-Hintern auf, ihn gründlich zu waschen - zu waschen, um für das nächste Liebesabenteuer bereit zu sein. Doch trotzdem bzw. gerade deswegen bleibt auch im Marionettentheater Don Giovanni der Tod nicht erspart. Nicht einmal die helfenden Hände seines Puppenspielers können das verhindern: Brustmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung bei der toten Puppe auf der Bühne: Ohne Erfolg! Don Giovanni schweigt - bis zur nächsten Vorstellung.

Eine Warnung, der anscheinend viele Folge leisten: Fast alle Holzstühle sind belegt. Bevor es losgeht, fangen japanische Fotoapparate den Art-Deco-Stil des kleinen Theaters ein, wird noch einmal der Stadtplan gezückt und ein letztes Husten und Niesen ertönt. Ein Knallen eröffnet das Stück, eine Puppe in barocker Kleidung erhebt sich aus dem kleinen Orchestergraben: Mozart als Dirigent. Sogleich ertönt die Ouvertüre.

Musik, die nach einigen Sekunden wieder leiser wird...

Mißmutig blickt Puppe "Mozart" in das Publikum und schüttelt unwirsch den Kopf als wolle er sagen: "Immer diese Musiker!"

Autor: Melanie Thun
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