Einkaufen im Hypermarkt wird zum Freizeitvergnügen

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Europas Einzelhandelskonzerne buhlen um Tschechiens Kunden - so war es vor einiger Zeit in unserem Wirtschaftsmagazin zu hören. Und tatsächlich fragt sich der Normalbürger schon eine ganze Weile, wie viel Hypermärkte und Einkaufszentren eine Stadt so braucht. Dieser Frage geht auch unsere freie Mitarbeiterin Indra Hindebrandt-Sochor im heutigen Feuilleton nach.

In Tschechien konzentriert sich natürlich alles ein wenig auf Prag und im Fall der Hauptstadt scheint der Bedarf noch lange nicht gestillt. Zumindest bekommt man diesen Eindruck, wenn spätestens alle 3-4 Monate eine Neueröffnung gefeiert wird. Ob es nun ein großer Hypermarkt ist oder ein neues Einkaufzentrum. Und es zeigt sich an fast jedem Tag in der Woche das gleiche Bild: die meisten Läden sind gut besucht, die 1,2 Millionen Einwohner Prags "shoppen" so oft es geht.

Zumindest sieht es auf den ersten Blick so aus. Doch in der Tat scheint es sich oft auch um eine neue Freizeitbeschäftigung zu handeln, die den Einzelhandel nicht erfreuen wird, nämlich "nur mal gucken". Immerhin lässt sich der Tag gut in so einem Einkaufszentrum verbringen - man kann dort die tollsten Sachen essen und trinken, ins Kino gehen und es gibt auch immer ein Kinderparadies, so das selbst mein dreijähriger Sohn einkaufen ganz großartig findet. Aber wie können die Geschäfte denn so Umsatz machen?

So hörte ich neulich das Fazit der Marketing Direktorin des neuesten Einkaufszentrums, auf die Frage nach dem Umsatz. Sie musste etwas schmunzelnd feststellen, dass den einzig wirklich bemerkenswerten Umsatz in den ersten Monaten die Wäscherei gemacht hatte, wo schon am Morgen immer lange Schlangen zu verzeichnen waren. Sämtliche Anwohner nahmen die günstige Gelegenheit nämlich wahr, ihre Kleiderschränke mal so richtig durchzulüften - prima für die Wäscherei, wohl kaum aber im Sinne der restlichen Geschäfte. Die locken, wie in allen anderen Einkaufszentren mit immer mehr "sleva", also Rabatten und Prozenten.

Doch ich frage mich ohnehin beim Anblick all der Boutiquen, Juweliere und sonstigen Geschäfte: wer soll denn das alles kaufen? Und pfiffige Marketing Spezialisten scheinen schon wieder eine neue Lösung gefunden zu haben. So waren mir schon seit langem die Reisebusse aufgefallen, die immer auf dem Parkplatz eines großen Einkaufszentrums stehen. In meiner Naivität dachte ich zunächst wirklich, die Busse nutzen die Fläche nur zum Parken, natürlich falsch gedacht. Denn dann sah ich eine Gruppe glücklicher Italiener mit Unmengen der unterschiedlichsten Einkauftüten zu ihrem Bus zurück gehen - dicht gefolgt übrigens von einer Gruppe, die einen spanischen Bus ansteuerte. So scheint hier also eine nicht da gewesene Marktlücke gefüllt worden zu sein: organisierter Einkaufstourismus in Prag.

Nun, wenn dies alle Beteiligten glücklich macht, von mir aus gerne. Denn meine Bedenken, das die meisten Geschäfte früher oder später einfach bankrott sein müssen, haben sich bisher nicht bestätigt. Und mich persönlich freut das schon - immerhin bin ich auch eine von denen, die gerne "nur mal gucken".

Autor: Indra Hildebrandt-Sochor
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