Eishockey-Liga startet in die Playoffs – Kladno steigt ab

Spieler des HC Verva Litvínov (Foto: ČTK / Ondřej Hájek)

In der tschechischen Eishockey-Extraliga hat das Titelrennen begonnen. In den Playoffs streiten noch zehn Mannschaften um die Meisterkrone. Der Kampf gegen den Abstieg wurde indes schon am vergangenen Freitag entschieden.

Spieler des HC Verva Litvínov  (Foto: ČTK / Ondřej Hájek)

Litvínov-Anhänger  (Foto: ČTK / Luděk Peřina)
„Heja, heja Litvínov“– diese Hymne wird in der mit 24.000 Einwohnern kleinsten Eishockeystadt der Liga schon über 60 Jahre gespielt. Denn seit 1959 spielt der HC Verva Litvínov ununterbrochen in der höchsten Spielklasse des Landes. Ab 1993 ist dies die tschechische Extraliga. Vor Beginn der laufenden Saison nahm der nationale Eishockeyverband eine signifikante Veränderung im Wettbewerb vor: Der Tabellenletzte der Liga steigt direkt ab und wird durch den Playoff-Sieger der zweiten Liga ersetzt. Auch deshalb war der Abstiegskampf im Oberhaus so spannend wie lange nicht. Nach 51 Spieltagen waren mit Pardubice, Litvínov / Leutensdorf und Kladno noch drei Teams darin verwickelt. Und am letzten Spieltag der Hauptrunde kam es dann zum Showdown der beiden letztgenannten Kellerkinder: Litvínov empfing Kladno und gewann das Duell vor ausverkauftem Haus überzeugend mit 6:2.

Viktor Hübl  (links). Foto: ČTK / Ondřej Hájek
Einen großen Anteil an dem Sieg hatte ein Urgestein des Vereins, der 41-Jährige Viktor Hübl. Der Stürmer schoss zwei Tore und gab die Vorlagen zu zwei weiteren Treffern. Vor fünf Jahren war er mit Litvínov noch Meister geworden, diesmal durchlebte er ganz andere Gefühle:

„Ich spüre eine riesengroße Erleichterung. Das Finale im Frühjahr 2015 haben wir genossen, das heutige Spiel stand unter einem höheren Druck. Weil wir es aber gut gemeistert haben, konnten wir unsere Nerven etwas schonen. Wir haben die Partie meines Erachtens von Anfang an kontrolliert.“

Nach dem Erfolg tief durchatmen konnte endlich auch Litvínovs Clubchef Jiří Šlégr. Und der Weltmeister, Olympia- und Stanley-Cup-Sieger hofft, dass sich solch eine Saison so schnell nicht wiederholt:

Jaromír Jágr  (Foto: ČTK / Ondřej Hájek)
„Es sind schon drei Spielzeiten in Folge, in denen wir nicht mehr in die Playoffs gekommen sind. Das ist nicht gut. Wir müssen daraus die richtigen Schlüsse ziehen, denn ich möchte das nicht noch einmal erleben. Ansonsten habe ich monatelang wieder schlaflose Nächte.“

Das Alles-oder-Nichts-Spiel in Litvínov aber ging besonders den Aktiven an die Substanz. Zu ihnen gehörte der langjährige Superstar des tschechischen Eishockeys, der 48-jährige Jaromír Jágr. Als Clubeigner des Vereins Rytíři Kladno trug er bereits die gesamte Saison über eine hohe Verantwortung. Jágr wollte indes auch als Spieler mithelfen, den Klassenerhalt zu sichern. Es klappte nicht, dementsprechend war seine Reaktion nach der Schlusssirene:

„Die siebte und entscheidende Begegnung einer Playoff-Serie ist nervenaufreibend, aber gewiss nicht so schrecklich wie solch ein Abstiegsduell. Ich würde dies mit dem Kampf zweier Gladiatoren vergleichen, bei dem einer für mindestens ein Jahr stirbt. Ähnlich schwer war es für uns im Vorjahr in der Relegation, in der wir uns durchgesetzt haben. Doch die Fans interessieren sich für solche Partien, in denen es um alles geht.“

Jaromír Jágr: „Die Saison ist für uns schon weitaus früher schiefgelaufen. Das begann Mitte Januar, als wir eine Negativserie von elf Spielen hatten, in der wir nur einen einzigen Punkt holten. Zuletzt haben wir dreimal gesiegt, dadurch hatten wir überhaupt erst die Chance, im Duell mit Litvínov um den Klassenerhalt zu kämpfen. Diesen Kampf haben wir aber schon eher verloren.“

Kladno hatte vor der Partie wie Litvínov 60 Punkte auf dem Konto – eine bessere Ausbeute unter allen bisherigen Absteigern kann nur Mladá Boleslav / Jungbunzlau vorweisen. Die Autostädter holten in der Saison 2011/12 einen Zähler mehr. Der Absturz in die zweite Liga aber hätte nicht sein müssen, konstatierte Jágr:

„Die Saison ist für uns schon weitaus früher schiefgelaufen. Das begann Mitte Januar, als wir eine Negativserie von elf Spielen hatten, in der wir nur einen einzigen Punkt holten. Zuletzt haben wir dreimal gesiegt, dadurch hatten wir überhaupt erst die Chance, im Duell mit Litvínov um den Klassenerhalt zu kämpfen. Diesen Kampf haben wir aber schon eher verloren.“

„Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“, besagt ein altes Sprichwort. Der dritte Abstiegskandidat vor dem letzten Spieltag war das Team aus Pardubice. Die Elbestädter, die mit einem Punkt Vorsprung auf die Kontrahenten in die Entscheidung gingen, hatten ihr Schicksal in der eigenen Hand. Und das, obwohl sie zu Jahresbeginn noch 15 Punkte Rückstand auf Kladno hatten. Daher ging auch Routinier Tomáš Rolinek sehr motiviert in das abschließende Match:

Tomáš Rolinek  (Foto: ČTK / Dalibor Glück)
„Vor ein, zwei Monaten hätte niemand auch nur einen Pfifferling auf uns gesetzt. Niemand hätte damit gerechnet, dass wir vor dem letzten Spieltag noch eine Chance auf den Klassenerhalt haben. Uns reicht in Brünn schon der Gewinn eines Punktes, und wir bleiben in der Liga.“

Pardubice begnügte sich aber nicht mit dem Remis, sondern gewann in Brno / Brünn mit 2:0. Entsprechend groß war der Jubel bei den Ostböhmen. Und Haudegen Tomáš Rolinek, der 2005 mit Pardubice Landesmeister und 2010 mit Tschechien Weltmeister wurde, war zum Ende seiner Karriere noch einmal den Tränen nahe:

„Wir haben uns in den zurückliegenden Partien als ein starkes Team erwiesen. Ich ziehe den Hut vor allen, die dazu beigetragen haben, dass wir uns als Mannschaft aufgerafft und den enormen Rückstand zum rettenden Ufer noch wettgemacht haben. Der Klassenerhalt bedeutet für uns alle in Pardubice bestimmt noch mehr als ein Titelgewinn.“

Liberec ist Titelfavorit Nummer eins

Lukáš Nahodil  (Mitte). Foto: ČTK / Vít Šimánek
Neben Pardubice, Litvínov und Kladno ist auch für Vítkovice die Saison nach der Hauptrunde beendet. Für die anderen zehn Mannschaften aber steht mit den Playoffs die heißeste Phase der Meisterschaft erst noch bevor. Sechs Teams sind bereits für das Viertelfinale qualifiziert, vier Clubs bestreiten noch eine Vorrunde, die sogenannten Pre-Playoffs. Zu diesem Quartett gehört der HC Olomouc. Der Verein aus Mähren ist in sehr guter Form. In den abschließenden 15 Partien der Hauptrunde haben die Rot-Weißen 32 Punkte gesammelt und damit Platz sieben erkämpft. Angreifer Lukáš Nahodil stimmt dies optimistisch:

„Wenn unsere Form noch 15 bis 20 weitere Spiele anhält, dann wäre das super. Es ist gut, dass wir jetzt einen Lauf gehabt haben. Daran müssen wir anknüpfen. Ich denke aber, dass die Saison für uns noch sehr lang werden könnte.“

Zdeněk Moták  (Foto: YouTube Kanal Kometa Brünn)
Trotzdem hätten sich die Olmützer gern noch weiter vorn platziert. Trainer Zdeněk Moták nennt einige Gründe, warum dies nicht gelungen ist:

„Wir hatten leider viele Verletzte während der Saison. Da wir folglich oft nicht in stärkster Besetzung angetreten sind, haben wir mehrere Begegnungen knapp oder ohne Torerfolg mit 0:2 oder 0:3 verloren. Überhaupt sind die geringe Torausbeute und das Überzahlspiel eine Schwäche von uns. Dafür ist der siebte Rang eine gute Platzierung. Ab Montag zählt das jedoch nicht mehr, denn alles beginnt von vorn.“

In den Pre-Playoffs trifft Olomouc / Olmütz auf die Mannschaft aus Zlín. In der zweiten Paarung stehen sich Hradec Králové / Königgrätz und Karlovy Vary / Karlsbad gegenüber. In die Runde der besten Acht ziehen die zwei Teams ein, die zuerst drei Siege erreicht haben.

Jan Ordoš: „Wir haben 102 Punkte gesammelt und damit den Präsidenten-Cup gewonnen. Die Hauptrunde ist uns also gelungen. Im vergangenen Jahr haben wir auch diesen Pokal erobert, sind aber im Finale gescheitert. Den Titel haben wir bisher nur einmal gewonnen, und deshalb nehmen wir nun einen erneuten Anlauf.“

Das Viertelfinale startet am Montag in einer Woche. Der größte Favorit auf den Titel ist Hauptrundensieger Bílí Tygři Liberec. Das haben die Weißen Tiger aus der Jeschkenstadt insgesamt schon zum sechsten Mal geschafft, den Meistertitel aber holten sie nur im Jahr 2016. Das soll sich endlich ändern, verspricht Stürmer Jan Ordoš:

„Wir haben 102 Punkte gesammelt und damit den Präsidenten-Cup gewonnen. Die Hauptrunde ist uns also gelungen. Im vergangenen Jahr haben wir auch diesen Pokal erobert, sind aber im Finale gescheitert. Den Titel haben wir bisher nur einmal gewonnen, und deshalb nehmen wir nun einen erneuten Anlauf. Wir wollen die Playoffs Schritt für Schritt angehen, doch unser Ziel ist klar.“

Liberec / Reichenberg hat das letztjährige Finale übrigens gegen Třinec verloren. Beide Vorjahresfinalisten haben sich als Erster und Zweiter der Hauptrunde auch diesmal die beste Ausgangsposition gesichert. Ihre Gegner im Viertelfinale sind die beiden Sieger der Pre-Playoffs.

Josef Jandač  (Mitte). Foto: ČTK / Vít Šimánek
Auf den Rängen drei bis sechs haben sich Sparta Prag, Mladá Boleslav, Plzeň / Pilsen und Brünn platziert. Folglich kreuzen in den übrigen zwei Viertelfinalpaarungen Mladá Boleslav und Pilsen sowie Prag und Brünn die Schläger. Gerade das letztgenannte Duell ist sehr brisant, gelten doch die Traditionsvereine Sparta und Kometa als Erzrivalen. Und die Brünner sind dabei in den zurückliegenden Jahren zu einem Angstgegner für die Hauptstädter geworden. Seit 2012 trafen beide Teams in den Playoffs drei Mal aufeinander, und immer gingen die Südmähren als Sieger hervor. Einer, der eine Pleite der Prager im Jahr 2014 direkt miterlebte, ist Sparta-Trainer Josef Jandač. Vor dem Beginn der Serie aber gibt er sich betont gelassen:

„Es hat sich so ergeben, dass wir nun auf Kometa Brünn treffen. Das Pikante daran ist, dass dies der Gegner ist, der uns stets aus den Playoffs herausgeworfen hat. Wir werden aber versuchen, den Spieß diesmal umzudrehen.“

Lukáš Pech  (rechts). Foto: ČTK / Vít Šimánek
Sparta und Kometa sind neben Dynamo Pardubice die zwei Vereine in Tschechien, die die meisten Zuschauer haben. Die Prager haben in der abgelaufenen Hauptrunde sogar einen neuen Besucherrekord aufgestellt – zu den Spielen in der riesigen O2-Arena kamen im Schnitt über 10.000 Zuschauer. Für Spartas Edeltechniker Lukáš Pech ist das ein Faustpfand, mit dem man in den Playoffs wuchern kann:

„Die Zuschauer tragen uns schon die gesamte Saison über. Es ist toll, dass die Besucherzahlen in Prag Jahr für Jahr steigen. Das ist besser, als vor halbleeren Rängen antreten zu müssen in Hallen, in die nur 3000 bis 4000 Zuschauer kommen. Es ist phantastisch, dass wir hier im Schnitt vor 10.330 Besuchern spielen. Und die Vergleiche mit Kometa werden dem jetzt noch das Sahnehäubchen aufsetzen, denn wir werden uns vor jeweils ausverkauften Rängen duellieren.“

Doch diese Hoffnung des 36-Jährigen ist in Gefahr. Wie in anderen europäischen Ländern schwebt mittlerweile auch über Tschechien das Damoklesschwert namens Coronavirus. Noch müssen die beiden populären Mannschaftssportarten Fußball und Eishockey nicht vor leeren Rängen stattfinden wie die Serie A in Italien oder die Nationalliga A in der Schweiz. Innenminister Jan Hamáček aber hat zumindest schon einmal darüber nachgedacht, die Zuschauerzahl bei diesen Events auf 5000 Besucher zu begrenzen. Darum stehen die Eishockey-Playoffs in Tschechien in diesem Jahr unter einem ganz besonderen Stern.

Autor: Lothar Martin
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