Eisschnellläuferin Sáblíková peilt in Vancouver eine Medaille an
In knapp 100 Tagen, am 12. Februar 2010, beginnt der Höhepunkt der aktuellen Wintersportsaison – die Olympischen Spiele in Vancouver. Die größten Hoffnungen auf eine olympische Medaille ruhen in Tschechien auf Eisschnellläuferin Martina Sáblíková.
„Je näher der Saisonauftakt im Weltcup rückt, umso mehr freue ich mich darauf. Jetzt bin ich erst einmal froh, wieder auf das Eis zu kommen und zu testen, was ich so drauf habe. Auf den ersten Lauf im Weltcup bin ich natürlich schon sehr gespannt.“
Das sagte Martina Sáblíková, die fünffache Eisschnelllauf-Weltmeisterin aus Tschechien, als sie die heiße Phase ihrer Saisonvorbereitung begonnen hat. Das war vor einem Monat, als sie von der konditionellen Bolzerei mit Fahrrad und Rollschuhen auf das Lauf- und Techniktraining mit den Schlittschuhen umgestiegen ist. Im italienischen Collalbo und im thüringischen Erfurt hat sie sich in Form gebracht. Jetzt aber ist die tschechische Olympiahoffnung in Berlin, wo an diesem Wochenende der Weltcup-Auftakt in die neue Saison erfolgt. Auf den langen Strecken hat sie den Weltcup in den vergangenen drei Jahren klar dominiert und die Kristallkugel der Saison-Weltbesten stets gewonnen. In dieser Saison steht jedoch auch bei ihr ein ganz anderes Ziel im Vordergrund:
„Wenn ich den Gesamtweltcup zum vierten Male gewinnen könnte, wäre das hervorragend. Der Höhepunkt der Saison sind jedoch die Olympischen Winterspiele. Die Weltcupläufe werden mir deshalb vielmehr als Vorbereitung auf die wichtigsten Rennen der Saison dienen.“
Diese Rennen sind die Frauen-Wettbewerbe über 3000 und 5000 Meter bei den Spielen in Vancouver. Auf der längeren 5000-Meter-Distanz hält Sáblíková den Weltrekord und ist auf ihr bei Weltmeisterschaften seit drei Jahren ungeschlagen. Das hebt die 22-Jährige zwangsläufig in die Favoritenrolle. Die zierliche Läuferin aus Žďár nad Sázavou aber hält sich mit ihren Ambitionen auf eine olympische Medaille eher zurück:
„Mir wäre jede Medaille recht, Hauptsache ist, ich gewinne eine. Dann wäre ich sehr zufrieden. Ich wäre aber enttäuscht, wenn ich aus Vancouver mit leeren Händen zurückkommen würde.“
Das hat die blutjunge Sáblíková vor vier Jahren bei den Spielen in Turin erlebt. Bei ihrem olympischen Debüt ist sie zweimal nur knapp an der begehrten Medaille vorbeigeschrammt – als Siebte über 3000 Meter und als Vierte über 5000 Meter. Damals aber war sie erst 18 und hatte kaum Erfahrung. Jetzt ist sie eine gereifte und konditionsstarke Läuferin, die auf den Langstrecken eindeutig den Ton angibt. Deshalb ist ihr Trainer Petr Novák auch sehr optimistisch, was ihre Ambitionen für Vancouver anbelangt. Erst recht, als er unlängst vor Medien über den Fitnesszustand seines Schützlings sprach:„Gegenwärtig ist Martina schon wieder auf einem hohen Grad ihres Leistungspotenzials. Ich würde daher sagen, dass die Spiele für sie schon nächste Woche beginnen könnten.“
Den Optimismus zieht Trainer Novák aus der konditionellen Vorbereitung seiner Athletin in den Sommermonaten. Sie wurde zwar zunächst etwas beeinträchtigt durch das Abitur, das Martina im Frühsommer ablegte, doch danach ging es gut voran:
„Nach dem Abitur ist es uns gelungen, ihren Körper so in Schwung zu bringen, dass sie jetzt wieder in einer sehr guten Verfassung ist. Dafür sprechen schon allein ihre neuen persönlichen Rekorde, die sie mit dem Rad, den Rollschuhen und bei anderen sportlichen Tests aufgestellt hat. Deshalb würde ich sogar sagen: Martina ist zum jetzigen Zeitpunkt noch etwas besser drauf als in der vergangenen Saison, in der sie zum fünften Male Weltmeisterin geworden ist.“
Martina Sáblíková wollte den Optimismus ihres Coaches jedoch nicht ganz teilen. In ihren Aussagen wie immer zurückhaltend, entgegnete sie auf die gleiche Frage:
„Auf diese Frage habe ich eine ganz einfache Antwort: Für mich ist wichtig, wie ich mich auf dem Eis fühlen werde. Jetzt bin ich zwar konditionell in einer tollen Form, doch wenn ich diese Form nicht mit meiner Schlittschuhtechnik auf dem Eis verbinden kann, dann ist sie auch nur die Hälfte wert.“
Wie gut Martina im zurückliegenden Monat an ihrer Technik gearbeitet hat, darüber werden die Weltcuprennen in Berlin einen ersten Aufschluss geben. Danach wird die Mehrkampf-Weltmeisterin des letzten Jahres noch bei vier weiteren Weltcups an den Start gehen, bevor sie sich ab Januar in Nordamerika ganz gezielt auf die Olympischen Spiele vorbereiten wird. Dabei hofft sie, sich auch noch besser auf die Bahn in Vancouver einstellen zu können. In dieser Hinsicht hat sie nämlich ein wenig Nachholbedarf:
„Bisher konnte ich das olympische Eis noch nicht so richtig testen. Ich habe zwar schon zwei Rennen auf ihm absolviert, darauf trainieren aber konnte ich noch nicht. Ich bin gespannt, wie es in dieser Saison beschaffen ist. Im letzten Jahr war es ziemlich schwer, darauf zu laufen.“
Die trainingsfleißige Martina macht sich kaum ein Kopf darüber, in welcher Verfassung sich ihre internationalen Konkurrentinnen derzeit befinden. Das festzustellen, sei die Aufgabe ihres Trainers, sagt sie. Über eine deutsche Eisschnellläuferin macht sie sich allerdings ein paar mehr Gedanken – über die fünffache Olympiasiegerin Claudia Pechstein, die ihr großes Vorbild ist. Sáblíková durfte früher in der Trainingsgruppe der Berlinerin mittrainieren. Seitdem sind beide Läuferinnen befreundet. Wegen auffällig hoher Blutwerte wurde Pechstein vor der Saison vom Weltverband ISU vorläufig für alle Wettkämpfe gesperrt. Pechstein steht unter Dopingverdacht, will diese Vorwürfe aber vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) entkräften und ihre Unschuld beweisen. Das wünscht sich auch ihre tschechische Freundin:
„Ich weiß, dass man ihr inzwischen offiziell erlaubt hat, wieder zu trainieren. Ich hoffe nun, dass sie auch bald wieder bei Wettkämpfen starten wird. Vorausgesetzt, sie kann nachweisen, dass sie nicht gedopt hat, was ich sehr hoffe. Ich wäre wirklich erfreut darüber, wenn in Vancouver alle Topläuferinnen am Start sind und keine von ihnen fehlen würde.“
Ansonsten hat Martina Sáblíková vor den Olympischen Spielen nur eine Befürchtung: die Angst vor einer Verletzung oder Erkrankung. Um dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, will sie sich entsprechend verhalten:
„Ich hoffe, dass ich mich nicht in unnötige Gefahren begeben werde. Aus diesem Grund bemühe ich mich, jeden meiner Schritte sorgfältig abzuwägen und mich nur auf das Notwendigste zu konzentrieren. Ich hoffe, dass ich das durchhalten kann und mir nichts passiert.“
Sollte das der Fall sein, dann ist sich auch ihr Trainer sicher: Martina wird bei den Spielen in Vancouver erfolgreich sein.
„Wir wollen für die Tschechische Republik zumindest eine Medaille holen. Ich wäre natürlich froh, wenn es eine goldene wäre, und wenn möglich noch eine andere dazu. Aber auch mit einer bronzenen wäre ich zufrieden, denn wenn wir ohne Medaille heimkehren würden, dann wäre das eine Riesenenttäuschung.“