Sáblíková bestreitet in Peking ihre fünften Olympischen Spiele
Am Freitag startet Olympia in der chinesischen Hauptstadt Peking. Es sind die vierten Winterspiele in Ostasien und die achten, an denen Tschechien als eigenständige Republik teilnimmt. In unserer Vorschau über die größten Medaillenhoffnungen des Landes stellen wir Ihnen heute abschließend Tschechiens bisher erfolgreichste Winterolympionikin vor.
Für die Winterspiele in Peking hat die Tschechische Republik 113 Sportlerinnen und Sportler nominiert. Das ist neuer Rekord und das erste Mal, dass Tschechien mit über 100 Teilnehmern am Start ist. Der hauptsächliche Grund dafür sind die insgesamt 48 Spielerinnen und Spieler der zwei Eishockeyteams. Neben dem Fraueneishockey feiern in Peking auch die Skispringerinnen und die ersten Protagonisten des Curlings ihre olympische Premiere. Damit ist Tschechien in allen der insgesamt 15 olympischen Sportarten vertreten.
Spricht man hierzulande über die besten Medaillenchancen im tschechischen Olympiateam, dann wird zuerst ihr Name genannt: Ester Ledecká. Die 26-jährige Pragerin geht als zweifache Titelverteidigerin an den Start, denn vor vier Jahren in Pyeongchang wurde sie Olympiasiegerin im Parallel-Riesenslalom der Snowboarderinnen und – zur Überraschung aller – auch im Super-G-Rennen des alpinen Skisports. Ein erneuter Doppeltriumph wird indes schwer, weil die Konkurrenz eher noch stärker geworden ist.
Stern von Sáblíková geht bei Spielen in Vancouver auf
Das gilt auch für Martina Sáblíková, die dreifache Olympiasiegerin im Eisschnelllauf. In Peking erlebt sie ihre fünften Spiele. Daher zunächst ein Blick in ihre lange Karriere.
Vom olympischen Oval in Richmond verkündete der tschechische Rundfunkreporter Miroslav Bureš vor zwölf Jahren die frohe Kunde, dass Martina Sáblíková kurz vor Ende des 3000-Meter-Rennens in Führung liege. Und es sähe gut aus, dass dies auch bis nach dem Finaleinlauf des letzten Läuferinnen-Paares so bleiben könne. Sein Optimismus erwies sich als begründet, denn die Bestzeit von Sáblíková wurde nicht mehr unterboten. Dies war der erste Streich der damals jungen Tschechin, dem sie sechs Tage später bereits den nächsten folgen ließ: Über 1500 Meter holte die Langstreckenspezialistin die Bronzemedaille. Doch damit nicht genug – am 24. Februar 2010 stand der Wettbewerb auf ihrer Paradestrecke, den 5000 Metern an. Als sie auf die Zielgerade kam, jubelte der tschechische Rundfunkreporter:
„Martina Sáblíková hat Gold erkämpft“, schrie er in den Äther.
Damals ging der Stern der tschechischen Eisschnellläuferin so richtig auf. Mit zweimal Gold und einmal Bronze gehörte sie bei der Medaillenausbeute zu den Top 7 der Spiele von Vancouver. Es folgten weitere WM-Titel auf den Langstrecken und im Mehrkampf. Und bei den Spielen 2014 in Sotschi mischte sie auch wieder ganz oben mit. In der Disziplin über 3000 Meter musste sie sich zwar der Niederländerin Irene Wüst beugen, doch auf der längsten Strecke revanchierte sich Sáblíková. Sie gewann das Rennen über 5000 Meter und zeigte sich danach sehr ergriffen über die erfolgreiche Titelverteidigung:
„Es ist möglicherweise nicht zu erkennen, doch ich bin sehr erschöpft und zugleich überglücklich. Vor dem Start habe ich die vielen Fans aus Tschechien gesehen, darunter meine komplette Familie. Das war sehr bewegend für mich, das Rennen aber war äußerst schwer. Natürlich wollte ich nach dem Gold von Vancouver auch hier zeigen, dass ich immer noch Spitze bin.“
Das demonstrierte Sáblíková erneut 2018 in Pyeongchang, auch wenn es über ihre geliebte 5000-Meter-Strecke diesmal „nur“ zur Silbermedaille reichte. Ihrer Bezwingerin Esmee Visser aus den Niederlanden musste sie sich lediglich um anderthalb Sekunden geschlagen geben. Ihr langjähriger Trainer Petr Novák war dennoch voller Stolz:
„Der größte Dank gebührt Martina, denn sie hat es allen erneut gezeigt. Und die heutige Leistung berechtigt zur Hoffnung auf einen weiteren Olympiastart. Denn auch in vier Jahren wird Martina wieder um die Medaillen kämpfen.“
Als Novák diese gewagte Prognose abgab, konnte er noch nicht wissen, dass sich sein Schützling in Folge immer wieder mit gesundheitlichen Problemen herumplagen würde. Deswegen war es für Martina Sáblíková diesmal auch nicht leicht, sich überhaupt für die Spiele zu qualifizieren. Nach dem Wettkampf im norwegischen Stavanger, bei dem sie das Olympia-Ticket löste, konstatierte sie:
„Während des Laufes hatte ich schwer zu kämpfen, ab der vierten Runde tat es richtig weh. Daher konnte es in meiner jetzigen Situation für mich nicht besser ausgehen.“
Die 21-fache Weltmeisterin atmete tief durch, nachdem sie diese für sie unerwartet hohe Hürde übersprungen hatte. Das war Mitte November. Danach wollte sie ihr Trainingspensum weiter steigern und sich Schritt für Schritt für Peking in Form bringen. Am letzten Tag des vorigen Jahres aber stürzte sie im Training und schnitt sich beim Fallen mit dem Schlittschuh in den linken Oberschenkel. Die Befürchtung war groß, dass ihre Olympiateilnahme damit vorbei sein könnte. Sáblíková aber gab schon bald Entwarnung:
„An der verletzten Stelle wurde ich mit acht Stichen genäht. Ich habe Glück im Unglück gehabt, denn weder ist eine Sehne noch ein Muskel gerissen, es ist lediglich eine subdermale Angelegenheit. Ich werde mich nun so gut es geht auf die Spiele im Februar vorbereiten.“
Sáblíková: Fühle mich fit, aber noch nicht in Top-Form
Seit dem Trainingssturz im italienischen Collalbo ist genau ein Monat vergangen. Ihr verletztes Bein ist praktisch geheilt, auch wenn sie in den ersten fünf Tagen nach dem Malheur nicht einmal stehen konnte. Vor ein paar Tagen aber sagte die Athletin aus Žďár nad Sázavou / Saar:
„Das einzige, was ich nach dem Sturz noch etwas spüre, ist die Leiste. Sie zwickt mich manchmal bei einer schnelleren Bewegung. Aber es ist nichts, was mich behindern würde. Bei meinem letzten Training in Collalbo habe ich unter anderem den Start geübt. Alles war in Ordnung, ich bin gut weggekommen und auch ganz normal in die erste Kurve eingebogen. Von daher dürfte mich beim Rennen nichts einschränken.“
Trotzdem hat die mit sechs Medaillen (drei Gold, zwei Silber, eine Bronze) erfolgreichste tschechische Wintersportlerin bei Olympia so ihre Zweifel, ob sie rechtzeitig zu alter Leistungsstärke zurückfindet:
„Ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass ich meinen Trainingsrückstand sehr schnell auf irgendeine Weise aufholen kann. Andererseits lief es bei meinen letzten Trainingseinheiten ganz gut. Von daher muss ich nun sehen, ob es mir in den letzten Tagen vor Olympia noch gelingt, mich in Top-Form zu bringen. Noch kann ich es nicht sagen.“
In Peking wird Martina Sáblíková ihre bereits fünften Winterspiele erleben. Die 34-Jährige ist zudem die älteste und erfahrenste tschechische Olympia-Fahrerin. Sie selbst aber sieht dies nicht unbedingt als einen Vorteil an gegenüber ihrer jüngeren Konkurrenz. Im Gegenteil, die Ausnahmeathletin behauptet von sich, sie werde zunehmend nervöser und denke viel mehr als früher über ihre Wettkämpfe nach. Das aber scheint ihre Vorfreude auf Peking nicht zu trüben:
„Olympia war und ist für mich das Ereignis, für das man Leistungssport betreibt und woran ein ehrgeiziger Sportler auch teilnehmen möchte. Denn Olympische Spiele haben eine ganz andere Bedeutung und Substanz als alle anderen Wettkämpfe.“
In der chinesischen Hauptstadt will Sáblíková nun versuchen, ihre olympische Medaillensammlung noch auszubauen. Ihre erste Chance dazu hat sie bereits am Samstag, wenn sie im Rennen über 3000 Meter an den Start geht.