Phänomen Sáblíková und Biathlon-Überraschung

Martina Sáblíková (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)

In etlichen Sportarten des Wintersports stehen in diesen Tagen die Saisonhöhepunkte an. Die Eisschnellläufer haben im amerikanischen Salt Lake City ihre WM auf den Einzelstrecken ausgetragen. Die Biathleten wiederum sind bei ihrer Weltmeisterschaft in Antholz noch mittendrin. Voll dabei waren und sind auch tschechische Athleten, und sie haben auch schon mehrere Medaillen gewonnen.

Martina Sáblíková  (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)

3000 Meter: Carlijn Achtereekte,  Martina Sáblíková und Natalja Woronina  (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)
Der Kreis schließt sich. Vor 13 Jahren fand zum letzten Mal in Salt Lake City eine Eischnelllauf-Weltmeisterschaft statt. Die damals erst 19-jährige Martina Sáblíková feierte in der entsprechenden Saison 2006/07 ihren großen internationalen Durchbruch bei den Erwachsenen. Sie gewann den Gesamt-Weltcup auf den langen Strecken, zwei EM-Titel und zudem WM-Gold über 3000 und 5000 Meter bei den Titelkämpfen in der Hauptstadt des US-Bundesstaates Utah. Damit begann ihre einzigartige Erfolgskarriere, in der es die Tschechin bis zum Beginn der laufenden Saison unter anderem schon auf drei Olympiasiege und 20 WM-Titel gebracht hatte. Vom vergangenen Donnerstag bis zum Sonntag wurde die Weltmeisterschaft auf den Einzelstrecken erneut in der Stadt am Großen Salzsee ausgetragen. Gleich im ersten Rennen, den 3000 Meter der Frauen, triumphierte ein weiteres Mal die Athletin aus Nové Město na Moravě / Neustadt in Mähren. Sáblíková konnte danach ihr Glück kaum fassen:

Martina Sáblíková: „Es ist einfach unglaublich. Hier habe ich damals meine erste WM-Goldmedaille über 3000 Meter geholt. Und jetzt bin ich wieder Erste. Das ist schon ein besonderes Gefühl für mich.“

„Es ist einfach unglaublich. Hier habe ich damals meine erste WM-Goldmedaille über 3000 Meter geholt. Und jetzt bin ich wieder Erste. Das ist schon ein besonderes Gefühl für mich.“

Trotz der vielen Erfolge sei sie aber immer noch eine Läuferin, die in jeden Wettkampf mit einer gewissen Anspannung gehe, räumte Sáblíková ein:

„Ich will nicht behaupten, dass ich mich vor dem Rennen völlig unwohl gefühlt habe, doch am Start war ich erneut nervös. Ich muss sagen, meine Nervosität war so groß wie vielleicht die letzten fünf Jahre nicht mehr. Dies in den Griff zu kriegen, war wirklich sehr schwer für mich.“

Martina Sáblíková  (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)
Dabei gibt sich die 32-Jährige vor jedem Rennen bewusst locker und grüßt das Publikum zumeist mit einem charmanten Lächeln. Doch auch das gehöre längst zur Trickkiste einer erfahrenen Läuferin, gesteht die Ausnahmekönnerin:

„Das ist schon zu meinem Ritual geworden. Das mache ich in erster Linie für die Zuschauer, damit sie sehen, dass ich bereit bin und wieder alles geben werde. Aber es kann auch passieren, dass ich extrem nervös bin und kein Lächeln zeige, wie zum Beispiel bei Olympia. Das geschieht aber nur deswegen, weil ich vor lauter Anspannung alles um mich herum vergesse.“

In Salt Lake City aber wich diese Anspannung schon nach dem ersten Wettbewerb der puren Freude. Und die teilt die schnelle Kufenflitzerin auch gern mit ihrem Umfeld:

Sáblíková: „Der erneute Titelgewinn bedeutet mir sehr viel. Natürlich ist es so, dass ich nach so vielen Erfolgen niemandem mehr etwas beweisen muss. Auf der anderen Seite will ich auch niemanden enttäuschen, mich selbst eingeschlossen.“

„Der erneute Titelgewinn bedeutet mir sehr viel. Natürlich ist es so, dass ich nach so vielen Erfolgen niemandem mehr etwas beweisen muss. Auf der anderen Seite will ich auch niemanden enttäuschen, mich selbst eingeschlossen. Ich möchte allen in meinem Umfeld zeigen, dass ich es noch kann und dass man weiter mit mir rechnen muss.“

Und das hat die Tschechin auch am Samstag getan, als die Entscheidung über die 5000 Meter auf dem Programm stand. Auf dieser Strecke war Sáblíková bei Weltmeisterschaften seit 2007 ungeschlagen. Sie hatte zehn Titel in Folge gewonnen. Und in Salt Lake City war sie auf dem besten Wege, um diese Erfolgsstory fortzusetzen. In ihrem Lauf düpierte sie die niederländische Olympiasiegerin Esmee Visser um fünfeinhalb Sekunden, und der tschechische Rundfunkreporter verkündete mit großem Jubel:

5000 Meter: Martina Sáblíková,  Natalja Woronina und Esmee Visser  (Foto: ČTK / AP Photo / Rick Bowmer)
„Martina Sáblíková ist im Ziel mit der Zeit von 6:41,18 Minuten, das ist neuer Weltrekord!“

Doch der Wettbewerb war noch nicht zu Ende. Im letzten Lauf ging die Russin Natalja Woronina an den Start, die zuvor bereits sieben Mal WM-Bronze erkämpft hatte. Diesmal aber gelang der 25-Jährigen der ganz große Wurf:

„Woronina kommt ins Ziel, und es sieht ganz so aus, dass sie schneller ist als Sáblíková. Und dem ist so“, kommentierte der Reporter.

Die Russin ist die erste Frau, die die 5000 Meter unter 6:40 Minuten gelaufen ist, und sie war mehr als zwei Sekunden schneller als die Titelverteidigerin. Sáblíková, die ihre Kontrahentin auf dem Weg zum Weltrekord sogar anfeuerte, zeigte indes auch in der Niederlage ihre ganze Größe:

„Ich wurde entthront und würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich das nicht ein wenig verdrießt. Auf der anderen Seite aber muss ich sagen: Ich bin persönliche Bestleistung gelaufen, besser geht es kaum. Obwohl es am Ende nicht zum Titel gereicht hat, bin ich auch über den Gewinn von Silber froh. Denn ich komme mit zwei Medaillen nach Hause, was will man mehr.“

Sáblíkovás Trainer Petr Novák zog ebenfalls ein wohlwollendes Fazit:

Petr Novák: „Ich bin absolut zufrieden. Ich habe keine Träne vergossen, weil Martina nicht gewonnen hat. Im Gegenteil, auch den zweiten Platz feiern wir. Ich ziehe aber den Hut vor der Siegerin, sie ist ein super Rennen gelaufen.“

„Ich bin absolut zufrieden. Ich habe keine Träne vergossen, weil Martina nicht gewonnen hat. Im Gegenteil, auch den zweiten Platz feiern wir. Ich ziehe aber den Hut vor der Siegerin, sie ist ein super Rennen gelaufen. Sie ist es sehr schnell angegangen, ihre Zwischenzeiten waren noch besser als die von Martina. Diesmal aber hat die Russin ihr hohes Tempo bis zum Ende durchgehalten.“

Tschechiens Biathleten überraschen zu WM-Beginn mit zweimal Bronze

Das zweite große Sportevent dieser Tage sind die Weltmeisterschaften im Biathlon, die noch bis zum Sonntag im malerischen Antholz in Südtirol ausgetragen werden. Zu diesem Championat sind die tschechischen Wettkämpfer ohne hohe Erwartungen angereist, lief doch im bisherigen Weltcup vieles nicht rund für sie. Nach dem Rücktritt von Vorzeige-Biathletin Gabriela Koukalová und den gesundheitlichen Problemen von Veronika Vítková war auch Ondřej Moravec zu Saisonbeginn weit weg von einer guten Form. Einzig die 23-jährige Markéta Davidová nährte mit zwei bronzenen Podestplätzen eine gewisse Hoffnung. Die tschechischen Biathletinnen und Biathleten steckten jedoch den Kopf nicht in den Sand, sondern bereiteten sich in aller Ruhe unweit des WM-Ortes auf den Saisonhöhepunkt vor. Und das emsige Training, besonders am Schießstand, zahlte sich aus. Gleich zum Auftakt der Titelkämpfe holten sie nach einer bravourösen Leistung die Bronzemedaille in der Mixed-Staffel. In der Besetzung Eva Kristejn-Puskarčíková, Markéta Davidová, Ondřej Moravec und Michal Krčmář musste sich das tschechische Quartett nur den Staffeln von Norwegen und Italien geschlagen geben. Der jubelnde Moravec freute sich vor allem über die herausragende Schießleistung:

Mixed-Staffel: Markéta Davidová und Ondřej Moravec
„Das ist fabelhaft, wir haben einen echten Traumstart hingelegt. Unglaublich ist vor allem, dass wir nur zwei Nachlader benötigt haben. Ich kann mich nicht daran erinnern, solch einen tollen Wettkampf im Team schon einmal erlebt zu haben. Besser kann man es nicht machen.“

Von der Mixed-Staffel, die 2015 in Kontiolahti Weltmeister wurde, war in Antholz nur noch Moravec dabei. Der 35-Jährige weiß auch sehr gut, wie lange die Durststrecke der Tschechen bei einer WM schon angehalten hatte:

„Das ist wirklich schon länger her, genauer gesagt haben wir seit drei Jahren auf eine Medaille gewartet. Aber es hat sich ausgezahlt, dass wir weiter an uns geglaubt und hart trainiert haben. Ich denke, mit diesem Erfolg kehrt wieder etwas mehr Ruhe ein in unser gesamtes Team. Und jeder Einzelne wird auch lockerer an die nächsten Aufgaben gehen.“

Lucie Charvátová  (Foto: ČTK / AP Photo / Matthias Schrader)
Und Michal Krčmář, der mit Silber 2018 bei Olympia als bisher letzter Tscheche eine Medaille gewonnen hatte, fügte an:

„Für mich war es das erste Mal, dass ich in einer Staffel um die Medaillen mitkämpfen konnte. Das war zuerst großer Stress für mich. Doch ich habe mir gesagt: ‚Das hast du dir immer gewünscht, also zeig es allen‘.“

Nach ihrer tollen Vorstellung in der Staffel wollten Kristejn-Puskarčíková und Davidová auch im Sprintrennen der Frauen beweisen, dass sie in guter WM-Form sind. Doch nur einen Tag nach dem großen Erfolg wurden sie von ihrer Flatterhaftigkeit am Schießstand wieder eingeholt. Mit zwei beziehungsweise drei Fahrkarten kamen beide nicht unter die Top 20. Als die meisten Beobachter der Konkurrenz aber schon damit gerechnet hatten, dass alle Medaillen vergeben sind, ging mit einer hohen Startnummer eine weitere Tschechin in die Loipe. Und die 27-jährige Lucie Charvátová lief auf den 1600 Metern Höhe von Antholz das Rennen ihres Lebens. Mit nur einem Schießfehler und einer achtbaren Laufleistung belegte sie hinter der Norwegerin Marte Olsbu Röiseland und der Amerikanerin Susan Dunklee den für sie und die Fachwelt sensationellen dritten Platz. Charvátová war in der Vergangenheit nicht dafür bekannt gewesen, besonders nervenstark zu sein. Deshalb genoss sie nun ihren Triumph in den Dolomiten auch in den vollen Zügen:

Susan Dunklee,  Marte Olsbu Roeiseland und Lucie Charvátová  (Foto: ČTK / AP Photo / Matthias Schrader)
„Darauf sollte ich mich im Biathlon weiter stützen können. Ich muss so klar sein, dass mir im Kopf nicht ständig irgendwelche Gedanken herumschwirren. Heute habe ich mich von Anfang an gut gefühlt, und beim Schießen habe ich zu meinem Gewehr gesprochen: ´Ja, heute wird es was´. Und es ist gut gelaufen, das war einfach schön.“

Bis zum Sonntag fanden mit dem Sprint der Männer sowie den Verfolgungsrennen der Frauen und Männer noch drei weitere WM-Entscheidungen statt. In diesen Wettbewerben konnten die tschechischen Biathleten jedoch nicht an ihre Leistungen zuvor anknüpfen – die beste Platzierung erreichte Moravec mit Platz 22 in der Verfolgung. Bis zum Sonntag dieser Woche aber stehen noch sieben Disziplinen aus, in denen sich die Schützlinge von Cheftrainer Ondřej Rybář beweisen können.

Autor: Lothar Martin
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