Energiekonzern ČEZ verzichtet vorerst auf Ausbau des AKW Temelín
Der Energiekonzern ČEZ wird das südböhmische Atomkraftwerk Temelín vorerst nicht ausbauen. Die Ausschreibung für den Bau von zwei weiteren Reaktorblöcken im Werk wird ohne Ergebnis beendet, das Unternehmen setze ab sofort auf andere Prioritäten, erklärte ČEZ-Generaldirektor Daniel Beneš am Donnerstag. Diese Entscheidung hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.
„Der wichtigste Grund für unseren Beschluss ist die fortwährend unerfreuliche Entwicklung auf dem Energiemarkt. Leider wurde beim EU-Gipfel im März keine Entscheidung getroffen, etwas zu ändern, so dass die unsichere Zeit am Markt weiter anhalten wird. Darüber hinaus hat die Regierung in Prag am Mittwoch entschieden, gegenwärtig keine staatlichen Garantien für den Energiesektor zu gewähren.“
Eine solche Garantie sollten zum Beispiel staatlich gestützte Abnahmepreise für Atomstrom sein. Aber ohne diese Sicherheit würde sich das Ausbauprojekt Temelín nicht rechnen, erklärte der ČEZ-Direktor für strategische Entwicklung, Pavel Cyrani. Der Experte nannte die gesunkenen Abnahmepreise für Strom, die beinahe wertlos gewordenen Emissionsrechte und die ungelösten strukturellen Probleme als die größten Belastungen des Energiemarkts.Aus den genannten Gründen habe auch der Aufsichtsrat von ČEZ dem Ausbaustopp von Temelín zugestimmt, sagte dessen Vorsitzender Václav Pačes. Gleichzeitig erklärte Pačes, weshalb man nun den Fokus auf die Verlängerung der Laufzeit im mährischen Atomkraftwerk Dukovany lege:
„Wir gehen davon aus, dass dieser Schritt fast noch wichtiger ist als der Ausbau von Temelín. Gelingt es nämlich nicht, die Laufzeit von Dukovany zu verlängern, wäre das ein herber Einbruch in der tschechischen Stromerzeugung.“ČEZ-Generaldirektor Beneš betonte daher auch, dass der Ausschreibungsstopp in Temelín nicht das Ende der Atomkraft in Tschechien sei:
„Unsere Entscheidung bedeutet nicht, dass das Projekt zum Bau des dritten und vierten Blocks in Temelín endgültig vom Tisch ist. Wir werden das Projekt weiter verfolgen, denn ČEZ sieht sich als ein Unternehmen, dass für den Ausbau der Kernkraft steht.“Dazu passt, dass auch das Kabinett von Premier Bohuslav Sobotka diesen Ausbau unterstützt, allerdings ohne die wirtschaftlichen Risiken abzudecken. Das bestätigte Wirtschaftsminister Jan Mládek:
„Die Regierung hat weiterhin Interesse an der Ausweitung der Atomenergie. Der Finanzminister und ich haben deshalb den Auftrag erhalten, bis Jahresende einen Vorschlag vorzulegen, wie man den Ausbau der Kernkraft im Rahmen der staatlichen Energiepolitik realisieren könnte.“
Auf einen positiven Beschluss in diese Richtung hofft auch das russisch-tschechische Konsortium MIR 1200, das sich als einer der beiden verbliebenen Bewerber für den Temelín-Ausbau große Chancen auf den Auftrag ausgerechnet hatte. Man sei sehr traurig über die jüngste Entscheidung, bleibe aber optimistisch, eines Tages doch noch am Ausbau der Kernkraft in Tschechien teilhaben zu können, erklärte der Sprecher des Unternehmens, Aleš Pospíšil.Während man beim Konsortium MIR 1200 also hofft, dass es in einigen Jahren eine neue Ausschreibung geben wird, ist man im Standort Temelín sehr enttäuscht. Bürgermeister Jan Macháček:
„Diese Nachricht hat uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, auch wenn es immer wieder Anzeichen dafür gab. Aber schon im Jahr 2009 wurde mit den Arbeiten zum Ausbau des Atomkraftwerks begonnen. Dazu gehörten neue Verkehrsanbindungen im gesamten Kreis Südböhmen, neue Arbeitsplätze und vieles mehr. Einerseits spricht man vom großen Aufschwung für die Wirtschaft, andererseits wird dieser aber nun total abgewürgt.“Umweltschützer und Atomkraftgegner indes freuen sich über das Umdenken von ČEZ in Temelín. Der Energiekonzern plant nun, den Bau je eines neuen Reaktors in Dukovany und im slowakischen Jaslovské Bohunice zu forcieren.