Erhöhung des Mindestlohns soll Motivation für das Arbeiten stärken
Die in Tschechien gezahlten Löhne liegen unter dem EU-Durchschnitt und sind im Vergleich der 28 Unionsländer um Platz 20 angesiedelt. Das will die amtierende Mitte-Links-Regierung indes Schritt für Schritt ändern.
„Die Regierung ist einhellig übereingekommen, den monatlichen Mindestlohn um 700 Kronen zu erhöhen. Ab dem 1. Januar 2015 wird der Mindestlohn somit 9200 Kronen betragen.“
Das ist eine Aufstockung um 8,2 Prozent. Dies zieht auch andere Komponenten der Arbeitnehmervergütung nach sich wie beispielsweise die Erhöhung des minimalen Stundenlohns von 50,60 Kronen auf dann 55 Kronen. Das entspricht zum jetzigen Kurs einem Stundenlohn von zwei Euro. Das ist für einen Arbeitnehmer aus den westlichen Industriestaaten ein vergleichsweise karger Lohn, Premierminister Bohuslav Sobotka aber sieht die Lohnentwicklung in Tschechien nun zumindest auf einem guten Weg:
„Ich denke, das ist ein wichtiger Baustein für die Motivation, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Ich wäre aber besonders froh, wenn der Unterschied zwischen einem Arbeitnehmer, der den Mindestlohn erhält, und einem Erwerbslosen, der eine Sozialleistung in Anspruch nimmt, so groß wie möglich ist.“Premier Sobotka und seine Kabinettsmitglieder trafen ihre Entscheidung also frei nach dem Leitspruch: Arbeit muss sich lohnen. Mit dem Beginn des neuen Jahres werden davon dann jene rund 100.000 Beschäftigten profitieren, die derzeit nur den Mindestlohn bekommen.
Der Beschluss der Sobotka-Regierung trifft indes bei den Arbeitgeberverbänden und bei der politischen Opposition auf wenig Gegenliebe. Ihrer Meinung nach bringe er mehrere Unternehmen in finanzielle Nöte. Die Lohnerhöhung könne daher Arbeitsplätze kosten, meint der Vizechef der konservativen Partei Top 09, Miroslav Kalousek:„Die Erhöhung trifft eine ganze Reihe von Unternehmerzweigen. Sie bedroht vor allem die schwächsten Firmen, die dann höchstwahrscheinlich viele Entlassungen vornehmen müssen.“
Und Miloš Vystrčil, Senator und Vizechef der oppositionellen Bürgerdemokraten (ODS), ergänzt:
„Wir sind der Meinung, dass man diesen Schritt nur dann vollziehen sollte, wenn es gleichzeitig auch zu einer allgemeinen Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung kommt.“Dies aber sei nicht der Fall, kritisiert Vystrčil. Vielmehr müssen die Unternehmen im kommenden Jahr rund 1,3 Milliarden Kronen mehr aufwenden, um die höheren Mindestlöhne auch zahlen zu können. Und spätestens dann werden wohl auch die anderen Arbeitnehmer eine gewisse Lohnaufbesserung einfordern. Von den Auswirkungen der Mehrausgaben vor allem gefährdet sind Unternehmen aus der Leder verarbeitenden Industrie, aus der Textil- und der Holzindustrie. Jan Wiesner ist der Präsident des Arbeitgeber-Dachverbandes (KZS):
„Es drohen Entlassungen, und ohne jemanden einschüchtern zu wollen, sage ich: Diese Fälle wird es geben. Doch was ich vor allem kritisieren muss, ist die Chance, die dadurch vergeben wird. Jetzt, nach der Krise, sollten sich die Unternehmen in erster Linie darum kümmern, dass sie wettbewerbsfähig sind, mit der Lohnaufstockung aber wird das natürlich erschwert.“
Die Gewerkschaften indes begrüßen die Entscheidung der Regierung. Josef Středula ist der Vorsitzende des zentralen Gewerkschaftsdachverbandes ČMKOS:„Der Mindestlohn in Tschechien wurde zirka sechs, sieben Jahre lang eingefroren. In der Zeit hat sich praktisch überhaupt nichts getan.“
Das war zwischen den Jahren 2007 und dem August 2013, als der Mindestlohn erstmals wieder erhöht wurde, und zwar von 8000 auf 8500 Kronen. In gut drei Monaten wird er dann bei 9200 Kronen stehen. Und trotz der jetzigen Gegenwehr durch die Arbeitgeber sind sich die Sozialpartner in Tschechien weitgehend einig, dass dies nicht die letzte Aufstockung sein wird. Laut Premier Sobotka sei es das Ziel, dass der Mindestlohn am Ende der Legislaturperiode seines Kabinetts 40 Prozent des jeweiligen Durchschnittslohns betragen wird.