Erholung auf der Kolonnade mit den Karlsbader Symphonikern

Mühlenkolonnade

Vor einigen Wochen haben wir Nachrichten und Berichte vom Karlsbader Filmfestival gebracht. In den nächsten Minuten kehren wir nun in das bekannteste der böhmischen Bäder zurück, das immer ein Platz der Erholung und Inspiration war - auch für viele Künstler und Monarchen. Auf einen Spaziergang durch die überraschende Geschichte des westböhmischen Badeortes lädt Sie Zuzana Burdova ein.

Die Gründung Karlsbads hängt sehr eng mit der Jagdleidenschaft des tschechischen Königs und Kaisers des Römischen Reiches Karl IV. zusammen. Wohl jeder Badgast hat einmal die romantische Geschichte gehört in der der weise Herrscher persönlich die heißen Quellen während der Hirschjagd gefunden hat. Im Herzen der Badezone, am Ufer des Flusses Tepla, wendet sich der Historiker des Karlsbader Museums Stanislav Burachovic zum Platz mit Namen "Hirschsprung" und bemerkt:

"Sei es wie sei, ob die Jagd wirklich war oder nicht, wissen wir nicht mehr, aber die Vorrechte der Königsstadt gab Karl IV. Karlsbad im Jahre 1370. Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann Karlsbad überhaupt gegründet wurde, aber sehr wahrscheinlich war es im Jahre 1349, und zwar gerade von Karl IV."

Karl IV.
Die Stadt war ursprünglich aus Holz gebaut. Auf alten Stichen sieht man niedrige Häuser in der Nähe von der Sprudelquelle. Der Quelle, die der Historiker Burachovic als die eigentliche super-phänomenale Quelle der Stadtgeschichte bezeichnet. Die Kurprozeduren waren damals aber ganz anders als heute:

"Es ist nötig darauf hinzuweisen, dass Karlsbad ist auch durch seine Extreme recht amüsant ist. In den ersten 300 Jahre hat die Badekur überwogen, und man übertrieb es mit dem Baden. Die Menschen haben oft acht, zehn oder zwölf Stunden pro Tag gebadet! Mit der Trinkkur begann man verstärkt um das Jahr 1630, gegen 1750 hatte sie ihren Gipfel - und wie immer in Tschechien hat man es übertrieben. Am Anfang haben die Patienten viel gebadet, später mussten sie je nach Leiden fünfzig bis siebzig Tassen heißes Wasser trinken. Karlsbad flog von dem einen Extrem ins andere. Im Jahre 1760 erschien in der Badeszene der einheimische Arzt David Bechar, der die modernen Prinzipien festlegte. Er führte Badekur und Trinkkur zur Harmonie und legte die Grundlagen fest, nach denen sich die Patienten bis heute richten."

Karlsbad
Und noch eine kuriose Pause an der Sprudelquelle: Sei es, wie es sei, sicher ist, das diese Quellen die Gesundheit unterstützen und das Leben verlängern. Hat aber das heiße Wasser auch im Haushalt geholfen? Warmes Wasser muss in der Geschichte doch eine Kostbarkeit gewesen sein! Das bestätigt auch Historiker Stanislav Burachovic.

"Ganz sicher - Karlsbader Hausfrauen nutzten das Sprudelwasser, wie es ging. Sie trugen heißes Wasser für die Hausarbeiten nach Hause, und sie haben die Wäsche an der Sprudelquelle gewaschen, dort wo sie in den Fluss Tepla fließt. Sprudelwasser nützte man auch zum Abbrühen der Hühner und des Wildes. Alle diese Tätigkeiten waren aber sehr unästhetisch und die Karlsbader Gäste haben sich dann auch bei dem Magistrat beklagt. Im Jahre 1850 wurden dann alle Hausfrauen-Tätigkeiten am Sprudel als ´Ekel erregend´ verboten."

Mühlenkolonnade
Zu Karlsbad gehört heute auch das Symphonische Orchester, dass nebenbei das älteste Orchester dieser Art in Mitteleuropa ist. Es wurde im Jahre 1835 von August Labicky gegründet. In den Konzertsälen oder an der Kolonnade hören es die Gäste also schon die 172. Saisonen. Welches war die beste Zeit für das Orchester fragte ich seinen Direktor Alois Jezek.

"Man kann sagen, das ganze 19. Jahrhundert, was die Blüte von Karlsbad angeht. In musikalischer Hinsicht ist es aber die zweite Jahrhunderthälfte, als das Orchester August Labicky, der Sohn von Joseph Labicky geführt und bedeutende Musiker um sich gesammelt hat. Auf einmal interessierte sich für das Orchester ein Musikherausgeber aus Berlin, außerdem Antonin Dvorak, Johannes Brahms, Edvard Vilik oder Zdenek Fibich."

Im Jahre 1894 führt das Karlsbader Symphonische Orchester die kontinentale Premiere der Dvorak-Symphonie ´Aus der neuen Welt´ auf, und daneben spielten die Musiker jeden Morgen auf der Kolonnade. Alois Jezek sagt dazu:

"Es war üblich, dass das Karlsbader Orchester jeden Morgen seine Gäste willkommen heiß. Diese Konzerte hatten keinen Dirigenten, sie wurden vom ersten Geiger geführt. Der Dirigent bereitete sich auf drei Konzerte vor, in denen er montags Musik von Wagner und den deutschen Meistern, mittwochs Barockmusik und Klassik und freitags große Symphonien aufführte."

Wann und wo können wir die Karlsbader Symphoniker im Jahre 2006 hören - das ist die letzte Frage für den Orchesterdirektor Alois Jezek.

"Im Sommer sicher oft bei den Kolonnadenkonzerten. Das sind natürlich keine vollwertigen symphonische Konzerte, schon deswegen, weil sie in der Muschel, also auf der Kolonnadenbühne gespielt werden und die akustischen Bedingungen dort nicht ideal sind. Aber auch deshalb, weil diese Konzerte beliebte populäre Kompositionen bringen, die bei den Patienten und Badgästen für Erholung und für gute Laune sorgen sollen. In einer Saison spielt das Orchester mehr als 40 große Symphonische Konzerte als Premiere. Kolonnadenkonzerte spielt man 30 bis 50 - je nach der Besetzung, in der sie gespielt werden."

Mühlenkolonnade
Von der Mühlenkolonnade ist es zu der Alten Wiese - der Hauptpromenade Karlsbads - nur ein Paar Schritte. In ihrer Mitte befindet sich das majestätische Grandhotel Pupp, das natürliche Zentrum des gesellschaftlichen Lebens und der oberen Zehntausend. Auch das Hotel hat eine eigene Geschichte, erzählt Historiker Stanislav Burachovic.

"Das Grandhotel Pupp befindet sich am Ende der Alten Wiese, es ist unser ältestes, berühmtestes und selbstverständlich auch teuerstes Hotel. Sein Name bekam es von dem Konditor Johann Georg Pupp, der im Jahre 1760 nach Karlsbad kam und hier Karriere machte. Er heiratete ein Mädchen, das sehr reiche Eltern hatte und ihre Mitgift war so groß, dass der arme Konditor zum Glück kam. So entstand die Hoteldynastie Pupp. Das Hotel ist wirklich ein Begriff."

Es ist bekannt, dass an dem Ufer des Flüsschens Teplá oft auch J.W. Goethe spazierte. Lassen wir aber seine Geschichte der großen und tragischen Liebe zu der jungen Ulrike beiseite und besuchen wir noch einmal die Alte Wiese, wo wir gemeinsam mit dem Historiker Stanislav Burachovic Badgeheimnisse entdecken. Bei dem heutigen Spaziergang kommen wir immer wieder in die Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Gilt auch für Karlsbad der Spruch unserer Großeltern, dass der, der die Zeit vor dem Jahr 1914 nicht erlebt hat, die Schönheit des Lebens nicht kennt?

"Es ist sicher so: Das große und goldene Zeitalter von Karlsbad lag zwischen den Jahren 1870 und etwa 1910 oder 1914. Mit dieser Ära ist übrigens ein schönes Bonmot verbunden. Kurz vor dem ersten Weltkrieg, unter dem Einfluss des Badebooms und des Karlsbader Rufes fragte eine Dame in Wien: ´Bitte, sagen sie mir, was ist eigentlich dieses Karlsbad?´ Und die Antwort lautete ungefähr so: ´Wissen sie, gnädige Frau, Karlsbad ist ein österreichisches Bad, aber es liegt in Tschechien und die Häuser dieses Bads wurden dank des jüdischen Geld mit den Händen der tschechischen Baumeister gebaut.´ Diese Antwort ist kompliziert, aber sie zeigt die Multiethnizität von Karlsbad und die drei stärksten Elementen, die am Werden unserer Stadt beteiligt waren."