EU-Beitritt Tschechiens hat keine bedeutende Preiserhöhung mit sich gebracht

Foto: Europäische Kommission

Im heutigen Eurodomino erfahren Sie von Dagmar Keberlova, ob und wie sich der EU-Beitritt Tschechiens auf die Preise für Produkte und Dienstleistungen hierzulande ausgewirkt hat. Hierzu hören Sie ein Gespräch mit einem Finanzexperten der Volksbank in Prag.

Vladimir Pikora
Die Inflationsrate im vergangenen Monat hat Experten zufolge bestätigt, dass der EU-Beitritt der Tschechischen Republik keine dramatische Erhöhung der Preise mit sich gebracht hat. Die Verbraucherpreise sind im Mai im Vergleich zum April um 0,4 Prozent gestiegen. Das heißt, dass die Inflation im Vergleich zum vergangenen Jahr von 2,3 auf 2,7 angestiegen ist. Das ist der höchste Wert seit Frühjahr 2002. Soweit die Zahlen. Die Inflation sei trotz dieses Rekordwerts immer noch relativ niedrig, stimmen Finanzexperten überein. Um eine Bewertung der Ergebnisse baten wir den Finanzexperten der Volksbank, Vladimir Pikora:

"Die Europapessimisten waren in der vergangenen Woche enttäuscht. Die Statistik hat gezeigt, dass der EU-Beitritt keine Preisrevolution mit sich gebracht hat. Wenn es zu keiner Änderung der Mehrwertsteuer gekommen wäre, würden die Preise nur um 0,1 Prozentpunkte weniger steigen als mit dem neuen Mehrwertsteuergesetz. Das ist ein so geringer Unterschied, dass man ihn nicht als Inflationsfaktor bezeichnen kann."

Die neue Mehrwertsteuer haben die Tschechen am meisten im Gastronomiegewerbe zu spüren bekommen. Dort sind die Preise um 4,2 Prozent angestiegen, bei Haushaltsdienstleistungen sogar um 4,9 Prozent. Im Einklang mit den Erwartungen der Wirtschaftsexperten sind Vladimir Pikora zufolge die Preise nicht so hoch gestiegen, wie es die Erhöhung der Mehrwertsteuer vermuten ließ. Im Kampf um den Kunden haben viele Unternehmer lieber auf einen Teil ihres Gewinns verzichtet. Die Änderungen bei der Mehrwertsteuer haben Pikora zufolge allerdings auch zu niedrigeren Preisen vor allem bei Gas und Strom geführt. Im Telekommunikationsbereich sei die Preissenkung nur sehr gering, was bedeute, dass in diesem Bereich die Konkurrenz nicht stark genug ist und die Anbieter nicht gezwungen werden, ihre Dienstleistungen billiger anzubieten. Wer mit Zollerhöhungen auf EU-fremde Produkte gerechnet hatte, sieht sich heute enttäuscht, meint Volksbank-Experte Pikora:

"Auch die Änderungen beim Zoll brachten keine Preisrevolution mit sich. Spekulanten, die mit einem dramatischen Preisanstieg bei Waren wie beispielsweise Reis gerechnet und diese Waren in großen Mengen eingekauft haben, haben sich verrechnet. Die Preise sind auch hier nur um etwa drei Prozent geklettert."

Weit mehr als in anderen Bereichen ist die Inflation von den hohen Treibstoff-Preisen beeinflusst worden. Diese sind um 5,7 Prozent gestiegen. Während Ende April ein Liter des Benzins Natural 95 - in Deutschland als Super bleifrei geführt - noch 26,10 Kronen gekostet hat, so musste man Ende Mai schon 27,50 Kronen dafür berappen. Auf die Preisentwicklung wirkte sich die Situation auf den internationalen Erdölmärkten aus, wo die Preise nach mehreren Jahren neue Rekordwerte erreichten, so Finanzexperte Pikora. Die Inflation hingegen sollte ihr diesjähriges Maximum im Sommer erreichen.

Die Angst der Tschechen vor dem EU-Beitritt und vor den vermeintlich hohen Preisen scheint unbegründet. Zwar steigen die Preise in Tschechien seit Jahren und werden auch zukünftig steigen, doch die EU spielt dabei nicht die erste Geige.

"Die Preise werden auch weiterhin steigen. Bisher haben sich nicht alle Änderungen in den Preisen widerspiegelt. Die Unternehmer testen die Konkurrenz, müssen dann aber ihre Marge so anpassen, dass sie konkurrenzfähig bleiben. Wir erwarten allerdings nicht, dass die diesjährige Inflation besonders hoch sein sollte. Tschechien hat nichts zu fürchten. In internationaler Hinsicht wird die Inflation bei uns zudem viel niedriger ausfallen als bei den Slowaken oder Ungarn. Also ich denke, dass wir wirklich keine Angst haben müssen."

Foto: Europäische Kommission
Die Auswirkungen der Inflation werden sich zwar hier und da in der Wirtschaft niederschlagen, doch insgesamt ohne größere Ausmaße. Man müsse die aktuelle Lage unter einem langfristigen Blickwinkel bewerten. Dadurch, dass die Tschechische Republik der Europäischen Union beigetreten ist, hat sich ihr Risikofaktor aus Sicht der Auslandsinvestoren gesenkt. Das werde hierzulande weitere neue Investitionen nach sich ziehen, meint Vladimir Pikora:

"Man kann erwarten, dass dadurch in den nächsten Jahren mehr Investitionen fließen werden als es bis jetzt der Fall war. Das wird für das Wachstum der tschechischen Wirtschaft sehr positiv sein. Dies wird sich auch in anderen Parametern zeigen wie zum Beispiel der Arbeitslosigkeit. Mit einem schnelleren Wachstum werden wir imstande sein, die Arbeitslosigkeit schneller nach unten zu drücken. Aber auch bei der Arbeitslosigkeit gilt, dass die Veränderungen nur langsam vorangehen werden. Wir schätzen, dass Tschechien erst im Jahre 2007 in die Lage versetzt wird, unter die Acht-Prozent-Grenze zu gelangen. Also auch bei der Arbeitslosigkeit sind Veränderungen nicht nach Monaten, sondern erst nach Jahren zu erwarten."

Auch im Zusammenhang mit der Einführung des Euro rechnen die Finanzexperten nur mit einer leichten Preiserhöhung, wie es in den alten EU-Ländern der Fall war:

"Mit der Einführung des Euro wird es wahrscheinlich zu einem Preisanstieg kommen. Doch dieser Anstieg wird nicht dramatisch sein. Der Hauptfaktor der Inflation wird sein, dass die Preise aufgerundet werden. Das heißt, dass die Inflation dadurch um ein oder zwei Prozent steigen wird. Das ist zwar viel, aus der Sicht der Verbraucher bedeutet dies allerdings kein Risiko. Keiner in Tschechien muss fürchten, dass seine Ersparnisse mit der Einführung des Euro entwertet werden."

Auch in den alten EU-Ländern hätte man ähnliches beobachtet. Es kam zwar zu einem leichten Anstieg der Preise, aber es handelte sich um keine großen Einschnitte.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt