Jahr 2012 begann in Tschechien mit Teuerungen und sozialen Einschnitten
Das Jahr 2012 hat gerade erst begonnen, die Tschechen aber wissen es schon jetzt: Dieses Jahr wird kein Zuckerschlecken! Mit Wirkung vom 1. Januar mussten sie nämlich bereits eine ganze Reihe von Teuerungen und sozialen Kürzungen hinnehmen, die vom Staat entgegengebrachten Kompensationen aber können die gestiegene Inflation bei weitem nicht decken. Radio Prag gibt einen Überblick, welche der Veränderungen sich nachhaltig in der Kostenabrechnung von Firmen beziehungsweise im privaten Geldbeutel bemerkbar machen.
„Erfolg oder Misserfolg stehen und fallen vor allem mit der Leistung eines jeden Einzelnen von uns, aber ebenso mit dem Funktionieren oder Nichtfunktionieren unseres politischen, ökonomischen und sozialen Systems. Dieses System erfordert weitere Reformen.“
Mit dieser Meinung stimmt auch die Regierungskoalition überein, und deshalb hat sie im vergangenen Jahr bereits mehrere Reformschritte im Parlament durchgedrückt, die nun greifen sollen. Zum Beispiel die Erhöhung des unteren Mehrwertsteuersatzes von bisher 10 auf nunmehr 14 Prozent. Deshalb sind jetzt unter anderem Lebensmittel, Medikamente, soziale und gesundheitsfördernde Dienste, Eintrittspreise für Kultur und Sport, Bücher und Zeitungen teurer geworden. Im Falle der Lebensmittel stimmt das nicht ganz, denn deren Preise sind zum Großteil schon im Dezember gestiegen. Für Analytiker Petr Havel aber war das ein logischer Schritt:
„Weil die Verbraucher in Tschechien insbesondere in der Advents- und Weihnachtszeit des Dezembers sehr viele Lebensmittel kaufen. Im Gegensatz dazu geht die Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Getränken im Januar traditionell zurück, was zur Folge hat, dass eine Preiserhöhung bei sinkender Nachfrage wenig Sinn macht. Denn dann würden die Verbraucher mit Sicherheit noch weniger kaufen. Und das will niemand, weder die Händler noch die Lebensmittelhersteller.“ Eine weitere Preisteuerung aber sei in diesem Jahr nicht mehr zu erwarten, behauptet Havel. Das läge vor allem daran, dass allen einschlägigen Prognosen zufolge im Jahr 2012 mit einem Rückgang des Bruttoinlandproduktes (BIP) gerechnet wird. Und das wiederum zöge eine sinkende Nachfrage unter den Verbrauchern als auch eingeschränkte Aktivitäten im Vertrieb und Handel nach sich, meint Havel.„Das ist der Hauptfaktor, der meiner Meinung nach alle anderen Impulse auf dem Binnenmarkt übertrifft, die zum Anstieg der Lebensmittelpreise führen könnten. Sicher, wenn man darauf schaut, dass jetzt auch die Preise für Trink- und Abwasser sowie für Heizenergie gestiegen sind, dann sollten logischerweise auch Essen und Trinken noch teurer werden. Aber weil eben mit einem Rückgang der Nachfrage bei den Verbrauchern zu rechnen ist, bin ich überzeugt, dass es ganz gewiss zu keiner Teuerung – zumindest nicht flächendeckend – der Lebensmittel kommen wird“, so Havel.
Die Aussicht darauf, dass die Lebensmittelpreise nun das Jahr über nicht weiter steigen sollten, sind aber nur ein ziemlich kleiner Trost für die Veränderungen, die dem tschechischen Verbraucher jetzt vorgesetzt wurden. Ab Januar müssen die Haushalte nun zum Beispiel – je nach Energieanbieter – bis zu fünf Prozent mehr für Elektrizität und bis zu neun Prozent mehr für Gas zahlen. Auch im Verkehr sind die Kosten zum Teil drastisch gestiegen. Der Preis für die Autobahnvignette wurde um satte 25 Prozent aufgestockt, die Jahresvignette kostet fortan 1500 Kronen (ca. 61 Euro), die Monatsvignette 440 Kronen und die Zehn-Tages-Vignette 330 Kronen. Und auch die Preise im Zugverkehr haben sich erhöht, und zwar um durchschnittlich fünf Prozent. Dazu sagte der Direktor der Produkt- und Handelsabteilung der Tschechischen Bahn (ČD), Vladimír Peléšek:„Aufgrund dessen, dass unsere Bahngesellschaft schon drei Jahre lang die Preise nicht erhöht hat, haben wir sie jetzt im Zuge der Mehrwertsteuererhöhung etwas angehoben.“Der Präsident des Verbandes der Reisenden im öffentlichen Verkehr, Miroslav Vyka, bedauert diese Entwicklung, zumal andere Länder zeigten, dass es für den Personennahverkehr auch bessere Alternativen gibt:
„Das Problem liegt ganz einfach in der Verkehrspolitik des Staates. Ich möchte nur daran erinnern, dass die Mehrwertsteuer im öffentlichen Verkehr vor vier Jahren noch bei zirka fünf Prozent gelegen hat. Danach wurde sie schrittweise auf neun, zehn und jetzt 14 Prozent erhöht. Und im nächsten Jahr soll sie dann bei 17,5 oder sogar schon 19 bis 20 Prozent liegen. Dem möchte ich nur das Beispiel Dänemark gegenüberstellen: Dort wird auf den öffentlichen Verkehr keinerlei Mehrwertsteuer erhoben!“Neben den höheren Kosten, die alle hinnehmen müssen, gibt es aber auch Steuerzuschläge, von denen nur Unternehmer und Firmen betroffen sind. Dazu gehört beispielsweise die Immobiliensteuer. Für ein befestigtes Grundstück, als das auch ein betriebseigener Parkplatz angesehen wird, hätten die Firmen eigentlich den Steuerbetrag für ein Gebäude, also 10 Kronen je Quadratmeter abführen sollen. Sie zahlten aber stets nur den Steuerbetrag für das Grundstück selbst, also nur 20 Heller je Quadratmeter. Eine Gesetzesnovelle, die jetzt in Kraft trat, soll nun für Klarheit sorgen. Jaroslava Musilová von der Generalfinanzdirektion erläutert den Kompromiss:
„Für Flächen, die durch einen festen Belag mit der Erde verbunden sind, zum Beispiel mit Beton oder Asphalt, hat sich der Steuersatz geändert. Er liegt bei der Hälfte des Steuersatzes für ein Gebäude.“Mit anderen Worten: Für ihre betriebseigenen Parkplätze müssen Firmen jetzt den Betrag von 5 Kronen je Quadratmeter als Immobiliensteuer an das Finanzamt abführen.
Klare und verbindliche Neuregelungen wurden ebenso im novellierten Arbeitsgesetzbuch getroffen, das seit Beginn des Jahres gültig ist. Unter den Änderungen wurde besonders eine vom Präsidenten des Arbeitgeber-Dachverbandes (KZS), Jan Wiesner, herausgestrichen:
„Wir begrüßen die Änderungen zur Verlängerung der Probezeit, insbesondere was die Probezeit von leitenden Angestellten betrifft. Hier waren drei Monate fürwahr recht wenig, denn in dieser Zeit konnte man – vor allem bei kompliziert strukturierten Firmen – nur selten erkennen, was in der betreffenden Person steckt und wozu sie wirklich fähig ist.“Das neue Arbeitsgesetzbuch gibt den Arbeitgebern jetzt auch mehr Spielraum bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses, bei der Beschränkung der Vertragsdauer oder bei der Zahlung einer Abfindung. Die Höhe der Abfindung soll sich zum Beispiel nun deutlich mehr danach richten, wie lange der jeweilige Arbeitnehmer bis zu seiner Entlassung in der Firma tätig war.
Mit diesen Novellierungen sind die Gewerkschafter hingegen überhaupt nicht einverstanden. Arbeits- und Sozialminister Jaromír Drábek aber appellierte an die Vernunft aller, das auf mehr Leistungsbereitschaft getrimmte Arbeitsgesetzbuch wie auch die zahlreichen Kürzungen im Sozialbereich als eine Notwendigkeit anzusehen, die der heutigen Zeit entspricht:„Präsident Václav Klaus hat eindeutig und richtigerweise davon gesprochen, dass die Ansprüche an das Sozialsystem mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes einhergehen müssen. Es ist nicht möglich, ein Sozialsystem zu schaffen, in dem auf die Wirtschaftskraft des Landes keine Rücksicht genommen wird.“
Auf der anderen Seite aber hob der Arbeitsminister noch einmal hervor:
„Die Tschechische Republik gehört zu den Ländern in Europa, die die niedrigste Arbeitslosenquote haben. Sie gehört zum führenden Drittel des Rankings.“