EU-Beitritt Tschechiens nur aufgrund einer Volksabstimmung
Wie Sie bereits unseren Nachrichten entnehmen konnten, befasst sich der Senatsauschuss für europäische Integration erneut mit einem Gesetzesentwurf zur Volksabstimmung über den EU-Betritt Tschechiens. Ein Thema quasi als Dauerbrenner der hohen Politik, anders aber die Einstellung der Bevölkerung. Mehr im folgenden Beitrag von Jitka Mladkova.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine derartige Gesetzesvorlage im Parlament behandelt wird. In der tschechischen politischen Landschaft, also quer durch alle im Parlament vertretenen Parteien, herrscht eine Übereinkunft darüber, dass Tschechien seinerseits nur aufgrund einer Volksbefragung der EU beitreten kann. An dieser sollte mindestens die Hälfte der wahlberechtigten Bürger teilnehmen, von denen wiederum über 50 Prozent für den Beitritt votieren müssten. Insofern ist alles klar.
Die Ursache, warum das Gesetz im Herbst vergangenen Jahres bei einer Abstimmung nicht angenommen wurde, lag mehr oder weniger in einer formellen Frage der Kompetenzen der beiden Parlamentskammern, in der man zu keiner Einigung kommen konnte. Nun, der Wortlaut des von neuem behandelten Gesetzesentwurfs ist faktisch identisch mit dem des Vorjahres, anders im Vergleich zum Vorjahr verhält es sich aber mit der Haltung der Bevölkerung zum EU-Beitritt.
Wie sich aus den jüngsten Meinungsumfragen ergab, tritt derzeit weniger als die Hälfte der Tschechen für eine EU-Mitgliedschaft ein. Dieser Trend lässt sich sicherlich auf mehrere Faktoren zurückführen , die sowohl diesseits als auch jenseits der Grenze zwischen dem Nicht-EU-Land Tschechien und der EU liegen. Auf der einen Seite wissen viele Tschechen immer noch sehr wenig darüber, was auf sie zukommt, wenn Tschechien der EU beitritt. Auf der anderen Seite bekommen sie nicht ausreichend positive Signale, die das Interesse der künftigen Partner bekunden. Das in jüngster Zeit besonders frequentierte Diskussionsthema, nämlich die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, die auf Initiative Deutschlands und Österreichs durch die Einführung einer 7jährigen Sperrfrist geregelt werden sollte, hat in Tschechien eindeutig negative Reaktionen ausgelöst, und damit auch das Gefühl hervorgerufen, kein besonders erwünschter Partner zu sein, viel mehr ein Partner, vor dem man Angst hat. Inwieweit begründet ist die Angst vor einer potentiellen und befürchteten Invasion von Arbeitsnehmern aus Osteuropa, sprich aus Tschechien? Diese Frage stellte Radio Prag dem Ministerialdirektor Wedige von Dewitz, Leiter der Abteilung für Außenwirtschafts- und Europapolitik beim Bundesministerium für Wirtschaft. Hier ist seine Antwort:
"Wenn man auf die Erfahrung mit den früheren Erweiterungen blickt, dann könnte man den Schluss ziehen, dass ein so großes Migrationspotential gar nicht vorhanden ist. Auch die Erfahrungen im weiteren Verlauf haben gezeigt, dass die Entwicklungen, die durch die Mitgliedschaft in der EU in diesen Ländern induziert worden sind, eher dämpfend auf Migrationsinteressen sich auswirken. Auf der anderen Seite kann man vielleicht nicht so sehr in der Tschechischen Republik, aber in anderen an Beitritt interessierten Ländern, ein Migrationspotential feststellen. Man kann nicht ausschließen, dass in den strukturschwachen Regionen in Deutschland, aber auch in Österreich, und vielleicht sogar auch in Italien, eine gewisse Sorge besteht - Sorge, die sich möglicherweise nachher als nicht gerechtfertigt herausstellt, aber für die Regierungen ist es ein politisches Problem. Ein Problem, dem sie Rechnung tragen müssen."