EU-Forschungszentrum strebt engere Zusammenarbeit mit Tschechien an

Foto: Europäische Kommission
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Forschung und Wissen sind die Schlüssel zu unserer Zukunft. Und die ist der Europäischen Union einiges wert: 4 Prozent des EU-Budgets fließen derzeit in die Forschung. Außerdem verfügt die EU mit dem Joint Research Centre über ein unabhängiges und europaweit tätiges Forschungs- und Technologiezentrum, das maßgeblich die EU-Politik mitbestimmt. Vertreter dieses Zentrums diskutierten vergangenen Donnerstag mit tschechischen Wissenschaftlern über eine engere Zusammenarbeit. Sandra Dudek informiert heute über die Aufgaben und Ziele des Joint Research Centre und die Rolle der wissenschaftlichen Forschung in der Tschechischen Republik:

Vor einigen Jahren haben holländische Tomaten eine breite Diskussion über die Gentechnik entfacht. Und obwohl jeder zweite europäische Bürger der Ansicht ist, dass genmanipulierte Lebensmittel gefährlich sind, kümmern sich die wenigsten ernsthaft darum. Denn zum einen sind - ob gewollt oder nicht - gentechnisch manipulierte Lebensmittel zum fixen Bestandteil unseres Speiseplans geworden, zum anderen ist die Wissenschaft von den Genen für den Großteil der Konsumentinnen und Konsumenten ohnehin ein "böhmisches Dorf". So sind die EU-Bürger in so heiklen Bereichen wie beispielsweise der Genmanipulation auf eine Politik angewiesen, die sie in größtmöglichem Maße schützt. Daher ist es in einem Europa der 25 notwendig, grenzüberschreitend nicht nur Wissen auszutauschen, sondern auch übernational geltende Standards festzulegen. Die wissenschaftlichen Informationen dafür liefert unter anderem das Joint Research Centre, das gemeinsame Forschungszentrum der Europäischen Kommission, wie der Generaldirektor des Zentrums, Roland Schenkel, erläutert:

"Wenn es eine europäische Norm gibt oder europäische Standards, auch in sensitiven Bereichen, gentechnisch modifizierte Substanzen, dann geben wir auf der Grundlage der wissenschaftlichen Information, den Generaldirektionen einen Rat, wo sie die Normen, wo sie die Standards festlegen sollen und wie, und wie man das später kontrollieren kann. Und wir kontrollieren das dann auch zum Teil. Das ist unsere Priorität, also Politikzuarbeit eigentlich in wissenschaftlich-technisch relevanten Bereichen."

Das Joint Research Centre ist ein unabhängiges und europaweit tätiges Forschungszentrum und dient den Organen der Europäischen Union als wissenschaftliche und technologische Beratungsinstanz. Als eigenständige Institution an die Europäische Kommission angegliedert, konzentrieren sich die Aktivitäten des Zentrums auf drei Hauptbereiche: Der erste umfasst Lebensmittel, chemische Produkte und Gesundheit, der zweite die Umwelt und deren Erhaltung und der dritte Bereich schließlich beinhaltet die Sicherheit und Schutzmaßnahmen in der Kernenergie. Die Aktivitäten selbst bestehen dabei aus der wissenschaftlichen und technischen Prognostizierung, der Ausarbeitung von Referenzmaterialien und der Messung in den einzelnen Bereichen im Sinne der öffentlichen Sicherheit sowie dem Kampf gegen Betrüger. Im Falle gentechnisch modifizierter Lebensmittel beispielsweise bedeutet dies, dass das gemeinsame Forschungszentrum an einer Verbesserung der Nachweisbarkeit der Genmanipulation und deren Risikofaktoren arbeitet. In allen drei Bereichen - nämlich Lebensmittel, Umwelt und Kernenergie - dient das Zentrum also als wissenschaftliche Instanz, die die zuständigen EU-Organe informiert und berät und damit einen wesentlichen Einfluss auf die politische Gesetzgebung hat, wie Roland Schenkel, Direktor des Joint Research Centre, zusammenfasst:

"Das oberste Ziel des Zentrums ist, den Generaldirektionen der Kommission, die für Politiken zuständig sind, in den Bereichen, in denen wissenschaftliche und technische Fakten notwendig sind, die notwendige Unterstützung zu geben."

Das Joint Research Centre verfügt derzeit über sieben Forschungsinstitute in fünf Ländern der Europäischen Union, und zwar in Italien, Deutschland, Spanien, Belgien und in den Niederlanden. Sämtliche Einrichtungen sind auf einzelne Bereiche spezialisiert, das niederländische Institut beispielsweise auf die Gewährleistung der Energieversorgung und eines der drei italienischen Institute auf Gesundheits- und Konsumentenschutz. Vergangenen Donnerstag diskutierten im Rahmen eines Runden Tisches in Prag Vertreter des Forschungszentrums mit tschechischen Politikern und Wissenschaftlern über die Errichtung eines weiteren Institutes in der Tschechischen Republik und über eine verstärkte Zusammenarbeit. Dazu Vaclav Paces, Präsident der tschechischen Akademie der Wissenschaften:

"Es ist wahr, dass dieses Zentrum, die Institute dieses Zentrums nur auf einen bestimmten Bereich ausgerichtet sind und nicht alle diese Bereiche sind im Interesse der Tschechischen Republik, aber einige von ihnen schon. Das ist bei genmanipulierten Lebensmitteln der Fall, im Bereich der Energie, der Kernenergie usw., wo wir die Zusammenarbeit dringend brauchen, damit die rationalen Argumente beleuchtet werden, damit es hier eine Grundlage, eine gesamteuropäische Grundlage gibt. Und hier haben wir noch eine gewisse Reserve, mit der wir fortsetzen können."

Ministerpräsident für Ökonomie,  Martin Jahn
Am Standort für ein neues Institut habe die Tschechische Republik großes Interesse, meinte dazu der stellvertretende Ministerpräsident für Ökonomie, Martin Jahn. Allerdings könne dies noch dauern. Inzwischen wolle man aber die Zusammenarbeit mit dem gemeinsamen Forschungszentrum der Europäischen Kommission vertiefen und sich stärker in die europäische Forschung einbringen. Vor allem im Bereich der Kernenergie verfüge die Tschechische Republik über eine lange Forschungstradition, von der die Europäische Union profitieren könne, so Jahn. Die tschechischen Wissenschaftler beteiligen sich bereits an den Aktivitäten des gemeinsamen Forschungszentrums, und im Vergleich zu anderen neuen EU-Mitgliedstaaten weist Tschechien die höchste Anzahl an Firmen auf, die an Forschungs- und Entwicklungsprogrammen der Europäischen Union teilnehmen. Dazu Martin Jahn, stellvertretender Ministerpräsident für Ökonomie:

"Wir haben gestern auch ein neues Programm des Ministeriums für Industrie und Wirtschaft genehmigt, das Klein- und Mittelbetriebe finanziell unterstützen wird, die sich zu diesem Programm anmelden. Außerdem sind tschechische Firmen zum Beispiel im Bereich der Flugtechnik, der Weltraumtechnik, der Materialforschung, im Bereich des Maschinenbaus und so weiter aktiv."

Ein Problem allerdings sei die Finanzierung. Und genau das ist auch ein wichtiges Anliegen des gemeinsamen Forschungszentrums der Europäischen Kommission: Mehr Geld in die Forschung zu stecken, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Vereinigten Staaten und Japan beispielsweise investieren rund drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Wissenschaft und Forschung. Dagegen werden in Europa lediglich knapp zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts dafür ausgegeben, in der Tschechischen Republik gar nur etwas mehr als ein Prozent. Der Präsident des gemeinsamen Forschungszentrums der Europäischen Kommission, Roland Schenkel, weiß um die finanziellen Engpässe vor allem der neuen Mitgliedstaaten Bescheid. Die Diskussionen liefen bereits auf den höchsten Ebenen und ein Schritt in die richtige Richtung, so Schenkel, wäre:

"Was ich mir wünsche ist, dass die Mitgliedstaaten versuchen, alles zu tun, um von Subventionen, von einigen Technologien, die in die Vergangenheit reichen, wegzukommen, und zwar sobald es geht und sozial verträglich ist, aber wegzukommen, und dafür wirklich mehr Mittel in Forschung und Innovation zu stecken."

Schenkel ist sich zwar dessen bewusst, dass dies nicht einfach sei, vor allem in der Landwirtschaft, die auf Zuschüsse angewiesen ist, um zu überleben, dennoch:

Foto: Europäische Kommission
"Man muss vielleicht dort noch schneller die Subventionen zurückführen und das Geld in die Forschung investieren, einfach, damit wir auch Wachstum und damit neue Arbeitsplätze schaffen können."

Eine Zusammenarbeit und gemeinsame Lösungsfindung sind dem Forschungszentrum der Europäischen Kommission wichtig. Daher diente auch der Runde Tisch in Prag, zu dem sich vergangene Woche Fachleute aus Wissenschaft und Politik zusammen gefunden haben, unter anderem einer Bilanzziehung der bereits bestehenden gemeinsamen Projekte. Außerdem klärte man die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen dem Forschungszentrum und der Tschechischen Republik strategisch weiter gehen solle, so Roland Schenkel:

"Ein wichtiges strategisches Element wird sein, dass wir zum Beispiel im Bereich der Sicherheitsforschung, also Antiterrorismusbekämpfung vielleicht viel enger zusammen arbeiten, weil das eine Bedrohung ist, die den Bürger unmittelbar betrifft. Aber auch im Bereich der sustainable agriculture, also der nachhaltigen Landwirtschaft, in der man wegkommt von viel zu viel Düngemittel, viel zu viel Pestiziden in etwas, was nachhaltiger ist. Und da wollen wir auch die Zusammenarbeit mit der Tschechischen Republik vertiefen."

Ohne Zweifel hat der Runde Tisch einen großen Beitrag zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen dem gemeinsamen Forschungszentrum der Europäischen Kommission und der Tschechischen Republik geleistet und damit den Weg zu einem neuen Forschungsstandort Tschechien geebnet.

Der gescheiterte EU-Budgetgipfel in Brüssel hat nun auch die Hoffnungen der EU-Forschung auf eine Erhöhung der finanziellen Mittel zerschlagen. Die konkrete Umsetzung der geplanten Projekte bleibt daher vorerst ungewiss.





Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:



www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union

www.euroskop.cz

www.evropska-unie.cz/eng/

www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online

www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt