Entdeckung tschechischer Forscher: Chromosomen sind nicht glatt

Bild zeigt die Struktur der Chromosomenoberfläche

Chromosomen sehen an ihrer Oberfläche ganz anders aus, als bisher angenommen. Forscher von der tschechischen Akademie der Wissenschaften haben in dieser Woche ihre Entdeckung präsentiert, die in der Medizin und Landwirtschaft nützlich sein könnte. Zu ihrer Erkenntnis hat sie ein neues Vorgehen bei der Arbeit mit dem Elektronenmikroskop geführt.

Tschechische Wissenschaftler haben als Erste in der Welt die Oberfläche eines Chromosoms originalgetreu abgebildet. Ihre Entdeckung könnte künftig Ärzten helfen, genetische Störungen besser zu bekämpfen, und Landwirten, effizienter Pflanzen zu züchten. Jaroslav Doležel arbeitet am Institut für experimentelle Botanik der tschechischen Akademie der Wissenschaften:

„Die Chromosomen enthalten die gewundene DNA, den Träger der Erbinformation. Sie befinden sich im Zellkern, und zusammen bilden sie das gesamte Erbmaterial des Organismus.“

Die Fotos, die anhand der neuen Methode aufgenommen wurden, zeigen sehr kleine Ausstülpungen. Sie sind etwa 30 Nanometer groß, das entspricht etwa einem Dreitausendstel der Breite eines menschlichen Haares.

Jaroslav Doležel | Foto: Institut für experimentelle Botanik  (ÚEB)

„In der Fachliteratur gibt es viele Publikationen, die die Oberfläche eines Chromosoms als glatt abbilden. Wir haben aber nun Ergebnisse gewonnen, die eine ganz andere Struktur der Oberfläche von Chromosomen zeigen.“

Woraus die Oberfläche genau besteht, wissen die Experten noch nicht. Sie vermuten aber, dass es sich um Proteine handelt, die für das Kopieren der genetischen Information von Mutter- zu Tochterzellen oder von Eltern zu Kindern wichtig sein könnten.

Das Verständnis der Funktion der Chromosomenoberfläche könnte für die Behandlung einiger Erbkrankheiten nützlich sein, sagt Doležel zur möglichen Anwendung der Entdeckung.

Diese Erkrankungen entstehen, wenn beim Kopieren der DNA ein Fehler auftritt. Welche Rolle die Chromosomenhülle dabei spielt, müssen die Wissenschaftler noch herausfinden. Die Entdeckung kann aber in der Landwirtschaft von Nutzen sein, bei modernen Züchtungsmethoden, die auf der Übertragung von Erbinformationen basieren.

Die Wissenschaftler hätten wohl einen entscheidenden Teil des Chromosoms entdeckt, erläutert Vilém Neděla vom Institut für Instrumentierung der Akademie der Wissenschaften.

„Das lässt sich mit einer Banane vergleichen. Wir müssen uns vorstellen, dass wir bis jetzt gedacht hätten, dass die Banane nur das innere Fruchtfleisch sei. Und jetzt haben wir erst entdeckt, dass es auch die Schale gibt.“

In der bisherigen Forschung konnte noch niemand die Chromosomenhülle sehen, weil die technischen Möglichkeiten von Elektronenmikroskopen begrenzt waren und diese Vakuum in ihren Kammern haben mussten. In jeder Gewebeprobe ist aber Wasser enthalten, was im Vakuum ein Problem ist:

„Das Wasser beginnt sofort zu verdampfen, und die Mikrostruktur der Probe wird beschädigt. Die Probe wird rissig. Ganz zu schweigen davon, dass auch das Mikroskop durch das Wasser beschädigt werden kann.“

Die Wissenschaftler mussten die Proben immer trocknen, einfrieren oder auf andere Weise das flüssige Wasser aus ihnen entfernen. Dabei zerstörten sie ungewollt auch die Oberfläche der Chromosomen.

Neděla und seine Kollegen an der Akademie der Wissenschaften haben das Elektronenmikroskop aber so verändert, dass es Proben auch ohne Vakuum lesen kann. Dabei müssen die Umweltbedingungen in der Mikroskop-Kammer sehr genau eingestellt werden, wozu es nun einen neuen Helfer gibt:

„Die künstliche Intelligenz hat uns ermöglicht, die genauen Werte von Temperatur, Druck und Feuchtigkeit sehr schnell so zu berechnen, dass die Probe nicht vernichtet wird.“

Mit dem weltweit einzigen Mikroskop seiner Art können Wissenschaftler auch Bakterien, Schimmelpilze, Halbleiter und Keramiken beobachten. Und das Gerät ist nun sehr begerht. Ein Jahr dauert es, bis das Institut für Instrumentierung der Akademie der Wissenschaften es zur Verfügung stellen kann.

Modifiziertes Elektronenmikroskop | Foto: Institut für Instrumentierung der Akademie der Wissenschaften
Autoren: Markéta Kachlíková , Michal Šafařík
abspielen