International vernetzt: Das Dioscuri-Programm und seine Bedeutung für junge Wissenschaftler in Tschechien

In Tschechien entstehen dieses Jahr drei neue Forschungszentren. Sie gehören zum Dioscuri-Programm der Max-Planck-Gesellschaft und sollen Forschungsgruppen in Mittel- und Osteuropa international konkurrenzfähig machen. Was bedeuten die Zentren für den wissenschaftlichen Austausch hierzulande?

Patrick Cramer | Foto: Irene Böttcher-Gajewski,  Max Planck Institute for Biophysical Chemistry

Den europäischen Forschungsraum stärken. Mit diesem Ziel vor Augen hat die Max-Planck-Gesellschaft 2017 das sogenannte Dioscuri-Programm ins Leben gerufen. Von dem Förderprogramm sollen Nachwuchsforschende in Mittel- und Osteuropa profitieren. Im Rahmen einer feierlichen Eröffnungsveranstaltung wurden vor kurzem die ersten drei Forschungszentren dieses Programms in Tschechien vorgestellt. Dabei betonte Max-Planck-Präsident Patrick Cramer die Bedeutung attraktiver Fördermöglichkeiten innerhalb der EU. Auch für Tschechien biete sich dadurch eine Chance, international vernetzt zu sein, sagt Cramer:

„Wir wissen aus unserer Erfahrung mit Polen, dass das Programm gut funktioniert. Wir haben ja in Polen schon acht solche Dioscuri-Zentren, und ich habe gerade eben mit drei von den Leitern gesprochen. Dabei habe ich sie gefragt: Hat das in den letzten Jahren einen Unterschied gemacht? Und die Antwort war: Ja, wir haben einfach auf einem anderen Niveau arbeiten können. Das hat natürlich ein bisschen mit den Finanzen zu tun, aber wichtiger ist die Vernetzung – dass man einfach diesen wissenschaftlichen Austausch dadurch beschleunigt.“

Helena Reichlová | Foto: René Volfík,  Institut für Physik,  Tschechische Akademie der Wissenschaften

Eines der drei Zentren wurde bereits im Oktober vergangenen Jahres eröffnet. Das Zentrum für Spin-Kaloritronik und Magnonik beschäftigt sich mit der Senkung des Energieverbrauchs im IT-Sektor. Geleitet wird es von der herausragenden Festkörperphysikerin Helena Reichlová.

„Unser Dioscuri-Zentrum für Spin-Kaloritronik und Magnonik ist von dem Wunsch motiviert, grundlegende Prinzipien und Materialien zu finden, die die Effizienz und Energieeffizienz der Computertechnologie zukünftig verbessern können. Wir versuchen hier von einem fundamentalen Standpunkt aus, nach Materialien und physikalischen Phänomenen zu suchen, die zur Verarbeitung und Speicherung von Informationen verwendet werden können. Sie sollen im Vergleich zur aktuellen Computertechnologie weniger energieintensiv sein“, so Reichlová.

Foto: Jana Plavec,  Tschechische Akademie der Wissenschaften

Computertechnologie verbrauche viel Energie. Mit Blick auf eine stetig voranschreitende Digitalisierung müsse auch die Frage nach dem Umgang mit vorhandenen Ressourcen gestellt werden, sagt die Leiterin des Zentrums. Die Gesellschaft komme nicht darum herum, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Mit ihrer Forschung wollen sie und ihr Team Grundlagen schaffen, auf denen man gegebenenfalls weiter aufbauen könne:

„Wir sind in der Grundlagenforschung tätig und eine Forschungsorganisation, die keine konkrete Zielvorgabe hat. Es geht nicht darum, Produkte auf den Markt zu bringen, sondern Lösungen zu finden, um diese Produkte benutzerfreundlich zu machen. Wenn es uns also gelingt, eine erfolgreiche Entdeckung zu machen, brauchen wir immer noch einen Partner mit Kontakten in der Industrie, der bereit ist, eine spezifische Entwicklung einer Komponente voranzutreiben, die für die Allgemeinheit nützlich sein kann.“

Foto: Masaryk-Universität in Brno

Das Dioscuri-Programm bedeutet für Reichlová, exzellente Forschung in Tschechien betreiben zu können und dabei innerhalb eines internationalen Netzwerkes zu agieren. Die tschechisch-deutsche Kooperation ist ihr dabei ein besonderes Anliegen. Nach Abschluss ihrer Promotion war sie fast fünf Jahre an der Universität in Dresden tätig, wo sie 2022 eine Gastprofessur erhielt. Das Dioscuri-Programm würde Wissenschaftlern im Ausland die Rückkehr in ihre jeweiligen Heimatländer erleichtern, so Reichlová. Nicht zuletzt sei sie selbst ein Beispiel dafür:

Helena Reichlová | Foto: René Volfík,  FZU

„Das Dioscuri-Zentrum ermöglicht mir, eine Forschungsgruppe in Prag zu leiten, was ich sehr begrüße, denn ich fühle mich hier zu Hause. Wir haben ein fantastisches Institut für Physik, mit dem ich zusammenarbeiten kann. Gleichzeitig habe ich nach wie vor die Möglichkeit, mit exzellenten Forschungsinstituten in Deutschland wie auch meiner Familie vom Max-Planck-Institut in Kontakt zu bleiben.“

Das Zentrum für Spinkaloritronik und Magnonik ist am Institut für Physik der tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag beheimatet. Dort soll diesen Sommer ein weiteres Discouri-Zentrum entstehen – und zwar für Einzelmolekül-Optik unter der Leitung der Physikerin Barbora Špačková. Das dritte Zentrum entsteht an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn und beschäftigt sich mit Stammzellbiologie und Stoffwechselkrankheiten.

In den kommenden Jahren soll die Zahl der Dioscuri-Zentren in Tschechien noch anwachsen. Der wissenschaftliche Austausch mit Deutschland wird also nachhaltig gefördert und intensiviert. Das ist nicht nur der Max-Planck-Gesellschaft zu verdanken, sondern vor allem den engagierten und exzellenten Wissenschaftlern der Forschungseinrichtungen hierzulande.

Autor: Johanna Gutmann
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